Mein Verleger

Den Vertrag zwischen mir und meinem letzten Verleger haben wir ja in beiderseitigem Einvernehmen eingestampft, bevor das Projekt zustande kam und während sich meine Freunde mal wieder zurecht über die WIPO (World Interlectual Property Organisation) als eine Interessenvertretung der „Verwerter“-Mafia aufregen und sich Telepolis in einem für jeden Autor interessanten Artikel fragt „Wieviel Vertrauen verdienen Verlage?„, gedenke ich in stiller Freude meinem Privileg, als gestandene Online-Poetin noch immer mein eigener Verleger zu sein. Natürlich verdiene ich damit kein Geld und habe weder Namen noch Ansehen unter den Häppchen-Stehparty-Gängern sogenanter „etablierter“ Literaturkreise, aber wenigstens weiß ich, was mit meinem „geistigen Eigentum“ (ein bescheuertes Wort) passiert und kann die Leute, die ihren Namen unter meine Sachen schreiben, höchst persönlich und in vollem Eigeninteresse dafür anscheißen.

5 Kommentare zu “Mein Verleger”

  1. Peter Nathschläger
    Oktober 6th, 2006 14:42
    1

    Ich weiß nicht, ob man Autoren, deren Werke (gut oder nicht) gedruckt erscheinen, allesamt als Häppchen Stehparty Gänger bezeichnen kann.

    Du weiß genausogut wie ich, dass di einige Voraussetzung für einen/eine Online Poetin/Poeten der PC samt Internetzugang ist. Und als softskill ein nicht zu bändigendes Mitteilungsbedürfnis.

    Ich glaube, dass der Weg zum gedruckten Buch für einen Autoren auch einige Lektionen in Sachen Demut und Selbstkritik bereithält. Das kann mitunter weh tun und lehrreich sein. Ist es eigentlich meist. Und da rede ich nicht von Publikationen, die sich der Autor selbst bezahlt. Der Zeitraum nach dem Wort „Ende“ bis zur Publikation macht bei konstruktiver Arbeit sehr viel Spaß. Und aufgrund des Marketings (Das kann ein Verlag nun mal besser) erreicht man ein größeres Publikum. Ob das immer gut ist, sei dahingestellt. Jedenfalls muss man lernen, mit dem eigenen Namen für das zu stehen, was man geschrieben hat. Im Guten wie im Schlechten.

    Ich möchte mich nach sieben mehr oder weniger erfolgreichen Publikationen ganz sicher nicht als Bukoski der schwulen Literatur bezeichnen, aber ganz ehrlich: Bevor ich auf ein Literatentreff gehe, sitze ich lieber draußen am Balkon, knacke eine kalte Dose Bier, rauch mir eine an und kraule meine Eier.

    Soviel zum Thema der ondulierten, Pulloverumdieschulternrappierer, die immer irgendwie intelektuell wirken, wenn sie gesponserten Sekt trinken 😉

  2. LeV
    Oktober 6th, 2006 15:31
    2

    Hi Peter, mit den Typen auf den Häppchen-Stehparties waren ja auch nicht die Printautoren gemeint, sondern diejenigen Herrn und Damen Verleger, die ihr Geschäft auf einer Ausbeute des Autors vorantreiben. Eigentlich ging es darum, auf den Artikel der Telepolis hinzuweisen, der gerade für Printautoren, die nicht selbstverlegen, interessant sein könnte. Damit meine ich auch nicht, dass jeder Verleger ein Ausbeuter ist. Aber schon der Umstand, dass Verträge überhaupt meist nur dann zustandekommen, wenn den Verlegern die kompletten Nutzungsrechte an den Texten gegeben werden, ist für mich als Open-Access-Aktivist absolut inakzeptabel. Als Online-Poet muß ich mich dahingehend nicht einschränken. Ich gehe natürlich einen anderen Kompromiss ein, nämlich den, dass Web- im Gegensatz zu Print-Veröffentlichungen keine Reputationen bringen. Aber das ist eben ein Kompromiss, den einzugehen ich bereit bin.

  3. Felixx
    Juli 16th, 2007 13:39
    3

    Hi Claude, „die Rechte am Text“ -das betrifft nur die Vermarktungsrechte, die können also nicht einen Buchstaben ändern, nach erfolgter Endabnahme. Und das nützt mir als Autor in so weit, als ich ich deren Marketing nutze und infolge dessen auch eine bestimmte Summe verdiene, was bei z.B. Books on Demand eher ein Glücksfall wäre.
    Im Zweifelsfall hat z.B. der Verlag, trotz der Rechte, auch mein Einverständnis geholt, bevor ein Drehbuchautor anfing, aus dem Text etwas anderes zu machen.

  4. LeV
    Juli 23rd, 2007 14:13
    4

    Ja, zum Glück ist das Urheberrecht in Deutschland unveräußerbar. Lediglich Verwertungsrechte sind abzugeben und diese werden von Verlagen auch regelmäßig eingefordert – aus marktwirtschaftlichen Gründen, heißt es. Mir leuchten diese Gründe allerdings nur bedingt ein. Ich glaube z.B. nicht, dass sich ein Lyrikband schlechter verkauft, wenn man die Inhalte auch kostenlos im Netz findet. Ich habe mir Baudelaires „Fleurs du Mal“ auch als Buch gekauft, obwohl die Texte inzwischen public domain sind, einfach weil ich Gedichte gerne in der Hand halte. Ein Buch befriedigt einfach bestimmte mediale Bedürfnisse, die es als Medium interessant machen, auch wenn die Inhalte bekannt sind.

    Zweitens denke ich nicht, dass jemand auf die Idee käme, mein Buch zu kaufen, ohne je das eine oder andere Gedicht von mir gelesen zu haben. Drittens glaube ich nicht, dass ich vom Verkauf meines Lyrikbandes je leben könnte, selbst wenn ich nur in Buchform bei einem Verlag veröffentlichen würde und viertens bin ich sowieso ein Freund der freien Veröffentlichung.

    Letztlich muß jeder Autor für sich selbst entscheiden, ob er den Kompromiss der Veräußerung seiner Veröffentlichungsrechte eingehen möchte. Es hängt ja auch immer davon ab, was für einen selbst dabei herausspringt.

  5. fatcat
    Oktober 4th, 2007 15:19
    5

    Hallo, interessante Thematik.

    Ich habe festgestellt, dass ich in wichtigsten Punkten CLEV zustimme. Mit dem Lesen des Essays gingen auf meiner Seite einige ergänzende, grundsätzliche Gedanken durch die Windungen.

    Ich nehme als Grundlage, dass Literatur nicht primär dem Gelderwerb dient. Ich hoffe.

    Ein Problem, das selten angesprochen wird, ist die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen von Büchern, in Verkaufszahlen umgedeutet. Wie Lev schon angemerkt hat, wohnt dem Buch eine Qualität inne, die es anderen Medien voraus hat bzw. von diesen unterscheidet.
    Da heutzutage das Buch sowohl als Informations- als auch als Unterhaltungsmedium starke Konkurrenz hat, erscheint die Bemühung der Verlage um Rekordverkaufszahlen an den realen Bedürfnissen vorbei gedacht zu sein. Ein Verlag, der solche Zahlen anstrebt, wird sich zu Lasten der Auswahl und Qualität des Programms um die Erzeugung von Bedürfnissen kümmern müssen, wie es auf dem Film- und Musikmarkt üblich ist.
    Mit anderen Worten: Ein Verlag, der nach üblichem Muster viel Geld in wenig Zeit machen will, kann weder independent sein, noch erfüllt er hauptsächlich die Ziele, als man sie dem Buch, seiner Besonderheit wegen, zur Veröffentlichung mitgeben sollte.
    Demzufolge ist auch das Verständnis von einer Unveräußerlichkeit des „geistigen Eigentums“ von Verlagsseite im Allgemeinen sehr schwach ausgeprägt, und ebenso die Bereitschaft zum Eingeständnis an den Autor, sein Werk in anderen Medien zu veröffentlichen. Wären nämlich die Verlage interessiert, dem Medium gerecht zu bleiben, würden sie sich von Internetveröffentlichungen nicht betroffen fühlen. Hier setzt jedoch meistens eine irrationale Angst um potenzielle Käufer ein, zwischengeschaltet werden Alleinverwertungsansprüche etc., die den vernünftigen Austausch zwischen Autor und Verleger erschweren.

    Ich bin der Meinung, dass für meine Sicht auf (meine Anliegen mit) Literatur nur dann ein Verlag infrage kommt, wenn er bereit ist, die marktwirtschaftliche Bedeutung des Buches realistisch einzuschätzen, anstatt es dem Fernsehen mit seinen Daily-Soaps und Trash-Shows, oder der Musikindustrie mit ihren Hypes, gleichzutun.
    Natürlich ist es schön, dass Harry Potter, Kommisar Wallander und Co. so hohe Verbreitung finden. Aber dieses populäre Marktsegment gehört als Nische deklariert, die lediglich bestimmte Menschen anspricht, nicht jedoch den „Normalfall Buch“ darstellt.
    Ganz im Gegenteil, wenn so das literarische Spektrum dauerhaft „vermarktet“ (zur Steigerung des Verkaufs selektiert) werden soll, wird das Buch immer mehr seiner Bedeutung verlieren, da andere Medien sich durchaus (wegen ihrer Sinnlichkeit) eher zur „Fütterung des Publikums“ eignen. Aber ich bin keiner dieser Apokalyptiker, ich glaube, am Ende reduziert sich der Markt auf sein tatsächliches Potenzial, und das ganze Hickhack um die Verbreitung im Internet, ums Urheberrecht im Weitesten und um die Fälle von Ausbeutung – ist notwendiges Übel auf dem Weg zu einer Bereinigung des Markts. Mir tun nur diejenigen Leid, die ihre Entscheidung, es mit einem Verlag zu versuchen, nunmehr bereuen.

    Zur Zeit bin ich noch unentschieden, was ich mit den wenigen fertigen Texten anstellen soll. Ein Verlag erscheint mir in dieser Phase und aufgrund der Beschaffenheit des bisherigen Werks die schlechtere Wahl zu sein, für eine Anthologie des örtlichen Literatenkreises bietet es sich nicht an, eine Homepage existiert von mir noch nicht, und für ein kurzlebiges Forum ist es zu schade. Eine Lesung kann schnell, abhängig von Text, Übung und Organisation, zum bezahlten Reinfall werden. Ich muss die verschiedenen Möglichkeiten länger reifen lassen, die Veröffentlichungschancen halb theoretisch, halb in unverfänglicher Praxis abwägen und mich vor allem vorerst in Geduld üben. Die Texte werden mit der Zeit nicht schlechter, davon gehe ich als Autor aus.

    Gruß raus!

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