Generation Praktikum

Donnerstag, 05. Juli 2007

Bei einem Poetry Slam im Bastard*1 hatte ich mal einen richtig guten Text zu diesem Thema gehört – billige Arbeitskräfte zum gepflegten Ausbeuten. (Wer den zufällig kennt oder weiß, wie man dran kommt, der kann ihn mir ja mal schicken.) Gestern hat mich xipulli aber auf eine Seite hingewiesen, die ich allen Leidensgenossen nicht vorenthalten möchte.

Die Fairwork e.V. vergibt inzwischen Qualitätssiegel für Arbeitgeber, die bezahlte und faire Praktika anbieten. Außerdem klären sie über Rechte von Praktikanten auf, liefern Erfahrungsberichte und sonstige interessante Details zum Thema, z.B. dass eine neue HIS-Studie herausgefunden hat, dass Praktika den Einstieg in den Arbeitsalltag überhaupt nicht erleichtern, wie uns das immer so schon vorargumentiert wird, damit wir uns auch ja ordentlich ausbeuten lassen.

Wenn ich mir die Graphen unseres Wirtschaftswachstums bei gleichzeitig sinkenden Löhnen*2 so anschaue, kann mir wirklich keiner mehr weis machen, unsere Wirtschaft wäre so arm dran, dass sie uns nicht mehr dafür bezahlen kann, dass wir uns für sie abrackern. Wer arbeitet, soll auch bezahlt werden!
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1. jeden Donnerstag ab 22:00 Uhr im Basdard Club (Prater) Berlin, Kastanienallee 7-9, 10435 Berlin
2. Pressebroschüre zum Bruttoinlandsprodukt 2006 (PDF) des Statistischen Bundesamts, besonders bemerkenswert Seite 6 (Wirtschaftswachstum 2006 um 2,5% zum Vorjahr gestiegen) und Seite 13 (Lohnkosten 2006 um -1,1% zum Vorjahr gesunken, 2005 ebenfalls um -1,1% zum Vorjahr gesunken, etc.) und außerdem Artikel bei SpOn

Bewerbung um ein Praktikum beim Zwiebelfisch

Freitag, 11. Mai 2007

Berlin, 03. März 2006

Bewerbung um ein Praktikum beim Zwiebelfisch

Mein hochverehrter Online-Autor Zwiebelfisch,

mit großer Freude las ich von dem Angebot, das gestern, während der Lektüre, frei und frisch an meine Augenbälle 1 drang. Da wurd‘ ich rot. Vor Eifer war es, freilich! Denn mit allen Sinnen wollte ich sogleich mich wortgewandt empfehlen und Sie mit Versen ganz gezielt für mich gewinnen.

Das heißt, ich muß es Ihnen wirklich nicht verhehlen, den Platz für’s Praktikum, den will ich gerne haben. Nicht, weil Sie groß sind und ich klein, Sie hoch, ich tief, das ist es nicht, nein. Zauberschüler, Bürgen, Raben haben mich als Kind verzaubert und ich lief von da an diesen Trieben nach, um mich zu laben – am Antlitz jener Geister, die mich damals riefen 2.

Ja, schon klar, das klingt pathetisch. Theoretisch hab ich Kitsch auch gar nicht nötig. Denn ich lebe meinen Fetisch, Sprache, Spaß und Spiel, poetisch, und das sieht man, hört man, spürt man am Gewebe meiner wohlgewählten Werbungsworte besser, wie ich hoffe, als an trocknen Musterzetteln, Lebensläufen renommierter Grießbreifresser 3, die um die Gunst des Spiegel-Kolumnisten betteln.

In meinem hass-geliebten Lyrik-Onlineforum war ich schon oft Alburni-Fischer Alburnorum 4. „Die Metrik holpert. Diesem Vers dort fehlt das Verb“, so sprach ich Tölpel unbedacht zu den Kollegen. „Beim Dichten geht’s um Sprache nicht“, hielt man empört dagegen, „Gefühle sind’s allein und Emotionserwerb. Was bist du für ein Dichter, dass du das nicht weißt??? Spielst dich hier auf, du Oberlehrer, wirklich dreist!!1!“

So ist der Kindertraum vom Dichter-Sein zergangen, und mein Berufungsziel muß ich nun neu bedenken. Ich will die Hoffnung drum auf’s Fischerdasein lenken. In trüben Teichen Zwiebelfische einzufangen, das will ich eifrig lernen, ganz mit Herz und Seele, wenn ich mich Ihnen nun als Praktikant empfehle.

Mit freundlichen Grüssen
Claude LeVampyre

Zur Entstehung

Durch einen entsprechenden Hinweis in einer seiner Online-Kolumnen motiviert, hatte ich mich vor vier Wochen mit einem witzigen Schreiben um ein Praktikum beim Zwiebelfisch (Sebastian Sick, SpOn) beworben. Ohne Stockscheißern in den Arsch kriechen und unbezahlt Kaffee kochen zu wollen, dachte ich mir, dies sei genau das richtige für einen Sprachfetischisten wie mich. Also setzte ich mich auf meinen Hosenboden und bastelte an meiner Bewerbung. Anscheinend habe ich wohl zu wenig Reputationen für einen solchen Job, denn bisher habe ich noch nicht einmal eine Ablehnung erhalten. Wie dem aber auch sei, all meine Freunde fanden den Text so klasse, dass sie meinten, ich sollte ihn hier veröffentlichen. Da nun die Chancen auf irgendeine Antwort von Spiegel Online langsam aber sicher gegen Null tendieren, steht dem eigentlich nichts mehr entgegen. Um ehrlich zu sein, hatte es mir sowieso schon die ganze Zeit in den Fingern gejuckt. 😉

Update: Es gab einen Briefwechsel, in dem man mir in Aussicht stellte, diese Stelle irgendwann zu bekommen. Dann gab es einen Brief, der mir diese Aussicht wieder nahm. Dann, ein Jahr später, sah ich ein Bild des süßen, jungen Praktikanten, der diese Stelle an meiner statt bekommen hat – und mir war alles klar… *roll eyes*
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1. eine Anspielung auf Christian Morgensterns „Der Werwolf“
2. eine Anspielung auf Goethes „Der Zauberlehrling“
3. eine Anspielung auf Kurt Tucholskys „An das Publikum“
4. Alburnus alburnus [lat.] ist ein Karpfenfisch, dessen deutscher Name Ukelei oder auch Zwiebelfisch lautet.

Dem flatterhaften Kaffee kochen?

Mittwoch, 27. September 2006

Ich hatte ja vor kurzem vom positiven Verlauf meiner „Bewerbung um ein Praktikum beim Zwiebelfisch“ berichtet (/node/99). Einige vielversprechende E-Mail-Wechsel mit einer Redaktionsmitarbeiterin, bei der wir bereits eine Terminabsprache für ein Praktikum 2007 machten, ließen weitere Hoffnungen in mir keimen.

Im August bekam ich nun doch noch eine Absage von Herrn Sick und mußte erst einmal nachfragen, ob das jetzt das offizielle Schreiben zu meiner 2006 Bewerbung sei oder auch für 2007 gelte. Es gelte auch für 2007 antwortete mir die Redaktionsmitarbeiterin. Also doch kein Praktikum bei SpOn, dachte ich mir. Aber nett, dass Sick in seiner Ablehnung nicht vergaß, noch fleißig Werbung für seine nächste Lesung in Berlin zu machen. Zu schade, dass ich an dem Tag selbst ein Konzert habe, sonst wäre ich sicher hingegangen.

Wer weiß, was nun letztlich diesen späten Stimmungswechsel hervorgerufen hat. Vielleicht hat Herr Sick ja in meinem Blog gelesen, dass ich keinen Kaffee für ihn kochen möchte und sich dann in flatterhafter Gesinnung doch noch für irgendein weniger charkaterstarkes Blondchen entschieden und ich lebe weiterhin am Rande der Existenz, was vermutlich eh besser für mich ist.

So und an dieser Stelle höre ich nun auf zu jammern und mich selbst zu bemitleiden, denn mein Schatz bringt mir gerade einen frisch gebrühten Kaffee der frisch handgemahlenen Guatemala Antigua Bohne mit frisch aufgeschäumter, leicht gesüßter Biomilch, nicht zu verwechseln mit irgendeiner Plörre aus dem Büro-Kaffee-Automaten.

Die Post ist da!

Donnerstag, 27. Juli 2006

Fast hätte ich ja nicht mehr geglaubt, dass tatsächlich noch eintreffen würde, was heute in meinen Briefasten flatterte. Einige erinnern sich vielleicht noch an meine Bewerbung um ein Praktikum beim Zwiebelfisch, ja, genau, der SpOn-Kollumnist. Der hatte nämlich eine solche Stelle ausgeschrieben und ich, als fauler, dauerhaft auf Staatskosten lebender Langzeitstudent wie immer nichts beseres zu tun, bewarb mich also mit einem witzigen Gedicht. Das war im März!

Heute kam also endlich Antwort, zwar eine Ablehnung wegen Platzmangels, aber wirklich niedeschlagen tut mich das nicht. Denn in einem Absatz fanden sich doch tatsächlich folgnde, erfreuliche Sätze: „Herr Sick fand Ihre Bewerbung aber trotzdem interessant und würde sie gerne noch behalten, wenn Sie nichs dagegen haben.“ Nein, ganz im Gegenteil, werter Herr Sick, behalten Sie sie! „Hätten Sie denn eventuell auch im nächsten Jahr Zeit für ein Praktikum?“ Na, die läßt sich zur Not dann schon beschaffen. 🙂