Werkeinführung: Deutsches Miserere ~ Paul Dessau

Mittwoch, 17. Februar 2010

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, mahnt Bertolt Brecht gegen das Vergessen deutscher Kriegsverbrechen. Beinahe in Vergessenheit geraten ist auch Paul Dessaus „Deutsches Miserere“, dem dieser Text entstammt. Das reich orchestrierte Oratorium, das 28 Epigramme der Brechtschen „Kriegsfibel“ in facettenreichen musikalischen Tableaux vertont, wurde bisher nur vier Mal aufgeführt. Am 5. März 2010 wird es um 20:00 Uhr im Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt unter Organisation und Mitwirkung der Berliner Singakademie und unter Leitung Achim Zimmermanns ein fünftes Mal auf einer deutschen Konzertbühne erklingen. Die 28 Bilder der „Kriegsfibel“ werden dazu von Maxim Dessau auf eine Leinwand über der Bühne projiziert. Gegen das Vergessen: Karten an den Abendkassen und im Vorverkauf an den Theaterkassen, unter 030 – 20309-2101 oder online unter www.berliner-singakademie.de oder für Freunde mit 30% Ermäßigung auf die oberen drei Preiskategorien auch bei mir persönlich zur Bestellung.

Deutsches Miserere ~ Paul Dessau

Freitag, 05.03.2010, 20:00 Uhr
Konzerthaus Berlin, Großer Saal
(ehem. Schauspielhaus am Gendarmenmarkt)

Martina Rüping, Sopran
Annette Markert, Alt
Thomas Volle, Tenor
Egbert Junghanns,Bass

Maxim Dessau, Videoprojektion

Berliner Singakademie
Berliner Mozart-Kinderchor und Berliner Mozartini

Konzerthausorchester Berlin

Leitung: Achim Zimmermann

Um 19:00 Uhr am selben Tag findet im Musikklub ein Einführungsvortrag von Prof. Dr. Frank Schneider statt. Dr. Schneider ist Musikwissenschaftler und ehemaliger Intendant des Konzerthauses Berlin.

Gegen das Vergessen – Konzerteinführung

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, mahnt Bertolt Brecht gegen das Vergessen und Verdrängen deutscher Kriegsverbrechen – ein Verdrängen, das in der Rezeption des „Deutschen Miserere“ von Paul Dessau (1894 – 1979) noch heute seinen traurigen Ausdruck findet. Das oratorische Werk, welches Epigramme aus Brechts „Kriegsfibel“ vertont, die Projektion der dazugehörigen Fotografien vorsieht und groß und facettenreich orchestriert ist, wurde insgesamt nur viermal aufgeführt. Eine Tonträger-Aufnahme existiert bis heute nicht.

Bereits 1942 trat Dessau mit der Bitte um Textmaterial an den von ihm bewunderten Dichter Brecht heran. Beide Künstler befanden sich im amerikanischen Exil, eine Niederlage Nazideutschlands gegen die alliierten Streitkräfte war nach Stalingrad bereits absehbar, und in der gemeinsamen Hoffnung auf ein befreites, demokratisches und sozialistisches Deutschland entstand 1947 ein „Deutsches Miserere“, das erste große Gemeinschaftsprojekt Brechts und Dessaus.

Obwohl Brecht nahezu keine neue Zeile für das „Deutsche Miserere“ schrieb, griff er mit seiner Kunstauffassung stark in die Komposition und deren Dramaturgie ein. Die Musik sollte immer dem Text dienen und nie sich selbst genügen. Dessau, der von diesem Ideal einerseits fasziniert war, andererseits aber auch Bewunderung für Arnold Schönberg und die Zwölftonmusik, eine höchst artifizielle Kompositionstechnik, empfand, probierte den Spagat. Auf der einen Seite steht die fast eisige Diktion der Brechtschen Epigramme durch Frauen-, Männer- und Kinderstimmen, auf der anderen Seite werden Cluster und Klangteppiche eines üppigen Orchesters beigemischt. Je 24 Bratschen, Celli und Kontrabässe, reichlich Bläser, darunter ein Heckelphon (ein oboen-ähnliches Holzblasinstrument) sowie ein Trautonium (ein Vorläufer des heutigen Synthesizers) gehören zur Besetzung. Selten erklingt das Ensemble jedoch in Gemeinschaft, jedes der 28 Bilder ist unterschiedlich besetzt und auch in der Dessauschen Dodekaphonie herrscht keine strenge Systematik. Dennoch wird der Zuhörer und -schauer zu keinem Zeitpunkt in Heiterkeit entlassen, sondern durch die Texte, die Musik und die Projektion der Kriegsbilder stets appellierend herausgefordert.

In den USA wurde das „Deutsche Miserere“ nie aufgeführt. „Denn es geht uns an, unsere Entwicklung, unser Elend und unser Weiterkommen“, wird Dessau selbst dazu zitiert. Doch auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1948 wurde das Oratorium nur selten gespielt (UA 1966 in Leipzig). Denn einerseits waren die Aufführungen durch die vorgesehene Ausstattung teuer und aufwendig, andererseits sorgte Dessaus Ambivalenz zwischen Kunst und Ideologie auch in seiner neuen Wahlheimat, der DDR, für Probleme. Seine Bewunderung für Arnold Schönberg und die Benutzung der Zwölftonmusik in seinen Kompositionen wurde mit Argwohn betrachtet und brachte ihm viel Kritik von offiziellen Stellen ein. Dessau wurde zwar mit staatlichen Auszeichnungen überhäuft, aber oft auch durch Nichtaufführung seiner Werke übergangen. Deshalb verwehrte er sich gegen die Vereinnahmung seiner Person durch den Staat und bewahrte sich zeitlebens eine kritische Haltung.

Auch 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung hat das „Deutsche Miserere“ nicht an erschütternder Brisanz verloren. „Der Schoß ist fruchtbar noch“: Noch immer existiert nationalsozialistisches Gedankengut in deutschen Köpfen, noch immer werden Auschwitz und andere Bühnen deutscher Kriegsverbrechen geleugnet und noch immer ist der deutsche Gehorsam, der blind für Unterdrückung, Ausbeutung und Manipulation ist, charakteristisch. Ohne die zahlreichen Menschen, die Hitler und seiner faschistischen Ideologie gefolgt sind, wäre Nazideutschland undenkbar gewesen und auch jetzt noch muss gegen dieses Vergessen gekämpft werden.

Die Aufführung des „Deutschen Miserere“ am 5. März 2010 im Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt wird insgesamt die fünfte sein. Unter der Leitung Achim Zimmermanns werden um 20:00 Uhr im Großen Saal die Berliner Singakademie, das Konzerthausorchester, der Berliner Mozart-Kinderchor, die Berliner Mozartini und namhafte Solisten Dessaus Oratorium auf der Bühne darbieten. Mit der Projektion der Bilder aus der „Kriegsfibel“ von Bertolt Brecht ist der Filmregisseur und Sohn Dessaus, Maxim Dessau, betraut.

Claudia Furtner
i. A. der Berliner Singakademie e.V.

Neues von der Judäischen Volksfront

Freitag, 23. Januar 2009

Okay, in Zeiten der Krise im mittleren Osten darf man solche Witze vielleicht gar nicht mehr machen. Aber kennt ihr das noch – die Verwirrung um die judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa aus „Life of Brian“?

So komme ich mir immer wieder vor, wenn Zeitungen über Angelegenheiten der Sing-Akademie zu Berlin schreiben. Das Hamburger Abendblatt berichtet nämlich vom Montezuma-Urteil des BGH. Gut, das mag vielleicht nach 20 Jahren Mauerfall irgendwie total unklar sein, aber in Berlin gibt es aufgrund der einstigen Teilung zwei Singakademien und die Berliner Singakademie, also die Vereinigung, die 1963 im ehem. Ostteil gegründet wurde, ist nicht die Klägerin im Urheberrechtsstreit. Es ist in der Tat die Sing-Akademie zu Berlin, die die alleinigen Rechte am Notenarchiv der 1791 gegründeten Singakademie, der auch Größen wie Goethe, Schiller und Mendelssohn angehörten und durch die die Laienchorbewegung in die Existenz kam, für sich beansprucht. Dieses Archiv wurde 1999 aus Kiew zurück nach Berlin geführt und wird seitdem krakenartig von den Kollegen bewacht. Dies zeigte sich überdeutlich, als man 2005 beim Düsseldorfer Kulturfestival „Altstadtherbst“ die 2002 im Archiv wiederentdeckte Verdi-Oper „Montezuma“ aufführte, woraufhin die Sing-Akademie zu Berlin als Hüterin des Grals einen Schadensersatz verlangte.

Und schon damals liefen bei uns die Telefone mit wütenden Anrufen aufgebrachter Bürger heiß. Es war gar nicht so einfach, diesen und all den Berichterstattern da draußen beizubringen, dass die judäische Volksfront, ähem, die Berliner Singakademie und die Sing-Akademie zu Berlin zwei Paar Schuhe sind. Die Berliner Singakademie hat mit dem Archiv, mit Montezuma und dem Urheberrechtsstreit nichts zu tun und ist selbst der Meinung, dass Musik nur dann sinnvoll ist, wenn sie auch zu Gehör gebracht wird. Vielen Mitgliedern ist dabei unklar, wie sich die Kollegen als Urheber einer 100-Jahre alten Musik betrachten können. Nun hat auch der BGH dieser Paragraphenreiterei ein Ende bereitet und entschieden, dass die Sing-Akademie zu Berlin keine Verwertungsrechte an der Oper hat.

Ich selbst bin seit 10 Jahren Mitglied der Berliner Singakademie und kenne das ewige Hin und Her um die Namensschwestern nur zu gut. Für das Neben- und Miteinander der beiden Singakademie könnte 2009 jedoch neue Meilensteine bringen. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag Felix Mendelssohns zum 200. Mal. Beide Singakademie berufen sich auf diesen Traditionsträger und um sein Jubiläum gebührend zu feiern, haben Konzertveranstalter beide Singakademien zu gemeinsamen Konzerten eingeladen. Ich hoffe für uns, die Tradition der Laienchorbewegung und natürlich für das Musikleben Berlins, dass diese Zusammenarbeit den Blick für gegenseitige Sympathien eröffnen und die Kollegen zur Reflexion anhalten möge: Warum sollten sich nach 20 Jahren der Wiedervereinigung denn nicht beide Singakademien zu einer einzigen zusammentun?

Werkeinführung: Orff ~ „Catulli Carmina“ | Strawinksy „Les Noces“

Dienstag, 03. Juni 2008

Am 22.06.08 wird mein Chor, die Berliner Singakademie, sein 4. und letztes Abonnementkonzert in dieser Saison aufführen. Mit Carl Orffs „Catulli Carmina“ und Igor Strawinskys „Les Noces“ haben wir uns zwei Stücke mit extravaganter Besetzung herausgesucht: Solisten, Chor, Schlagwerk, vier Klaviere und Tänzer sehen die Komponisten vor. Ab 20:00 Uhr bringen wir dieses Programm im Großen Saal des Konzerthauses Berlin (am Gendarmenmarkt) auf die Bühne. Freunde erhalten ihre Karten wie immer bei mir zu reduzierten Preisen. Ansonsten besteht die Möglichkeit, Karten online zu bestellen. Nun aber weiter mit der Werkeinführung.

Werkeinführung

Carl Orff ~ „Catulli Carmina“

„Odi et amo. Quare id faciam?“ – „Ich hasse und liebe“, heißt es im berühmten Carmen 85, „warum muß ich das?“ Das Lied des Cäsar-Zeitgenossen Gaius Valerius Catullus nahm Carl Orff 1930 zum Anlaß, um einige A-Cappella-Gesänge um die Verse des römischen Dichters zu komponieren. Gleichsam leitete sein Entdecken für Orff eine Phase der Erkundung der klassischen Antike und der lateinischen Sprache ein, in deren Zusammenhang später auch die „Carmina Burana“ mit ihrem gewaltigen Eingangschor „O, Fortuna“ entstanden. Der Erfolg der „Carmina Burana“ veranlaßte Orff, sich 1940 noch einmal intensiver mit dem Catull-Stoff zu befassen.

Catull schreibt als einer der ersten Dichter aus der Ich-Perspektive über die Liebe und seine Verliebtheit in eine weibliche Ikone namens Lesbia. Hinter Lesbia, so vermuteten einige Literaturhistoriker, stehe die adlige Römerin Clodia Pulcher, zu der der Dichter ein heimliches Verhältnis gehabt haben soll. Über dessen Verlauf, vom Buhlen über das Zusammenkommen und schließlich bis zum Bruch, berichten angeblich die Lieder Catulls. Ganz so biographisch beurteilt man die Texte heute nicht mehr, und auch Carl Orff kommt es in seinen 1943 uraufgeführten „Catulli Carmina“ auf das Nebeneinander von Erfüllung und Verzweiflung in der Liebe an.

Die sechs frühen A-Cappella-Lieder erweitere er auf elf Stücke und rahmte diese mit einem von zahlreichem Schlagwerk und vier Klavieren begleiteten Ein- und Auszug, dessen Text der Lateinliebhaber Orff selbst verfaßte. Das Stück bekommt eine dramatische Dimension und wird zu einem Spiel im Spiel. Catull und Lesbia treten als Figuren einer Liebesgeschichte in drei Akten auf, die einige alte Herren erzählen, um den jungen Männern und Frauen in ihrer Runde ihren übermäßigen Liebeseifer auszutreiben. Wie im griechischen Theater greift der Chor immer wieder sinnierend ein und zählt in „Da mi basia mille“ unter anderem die Küsse des verliebten Paares. Trotz der Allgegenwärtigkeit des Scheiterns, die sich in der mehrmaligen Wiederholung des „Odi et Amo“ manifestiert, siegt am Ende der Eros, die umfassende Macht der Liebe.

In unserem Konzert am 22. Juni 2008 werden Tänzer und Tänzerinnen der Hochschule für Schauspielkunst, „Ernst Busch“, sowie der Staatlichen Ballettschule Berlin unter der Choreographie Louise Wagners das Bühnengeschehen um Catull und Lesbia darstellen. Wir freuen uns ganz besonders auf diese Zusammenarbeit, mit der wir dem selten aufgeführten Werk Carl Orffs ein Stück seiner ursprünglichen Konzeption zurückzugeben versuchen.

Igor Strawinsky ~ „Les Noces“

Anregungen für die „Catulli Carmina“ nahm Orff sicherlich auch von einem seiner Vorgänger, Igor Strawinky. Dieser dachte bereits 1913 das erste Mal daran, ein Stück für die Ballets Russes unter Sergei Djagilew zu komponieren, in dem auch gesungen werden sollte. Die Texte dafür schrieb der Komponist selbst und nahm dabei traditionelle russische Hochzeitslieder sowie Melodien der russischen Volksmusik zur Grundlage, ohne diese jedoch direkt zu zitieren.

Die Besetzung ist die gleiche wie bei Orff, Solisten, gemischter Chor und zahlreiches Schlagwerk, ungestimmt und gestimmt, darunter vier Klaviere. Anders als Orff wollte Strawinsky die Musiker jedoch auf die Bühne, zwischen die Tänzer platzieren, sichtbar und gegen jeden Versuch des kontemplativen Zuhörens ankämpfend. An eine solche Umsetzung war allerdings nicht zu jeder Phase der langen Entstehungsgeschichte von „Les Noces“ („Die Bauernhochzeit“, russ. „Swadjebka“) zu denken. Zehn Jahre überlegte und arbeitete Strawinsky an dem Werk, zum dem ihm zunächst eine ähnliche Orchestrierung wie in „Le Sacre du Printemps“ mit 150 Musikern vorschwebte. Auch an eine Aufführung mit zwei Harmonien, die automatisch auf einer Rolle gespeicherte Musik abspielen konnten, dachte er zeitweilig.

Doch diese Versionen verwarf er zugunsten einer neuartig reduzierten, mit klaren Klängen und rhythmischen Reizen gespickten Ballettkantate, die im Juni 1923 uraufgeführt wurde und einen frischen, deutlich von überladener Romantik abgewandten Zeitgeist verkörperte. In vier Bildern entfaltet sich das experimentelle Bühnenstück. Dabei wird die Zeremonie der Bauernhochzeit selbst gar nicht geschildert, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen vielmehr die Vor- und Nachbereitungen, das Verhalten der Hochzeitsgesellschaft und des Brautpaares, welches am Ende zur ersten Nacht ans gemeinsame Bett geführt wird.

Den Sängern und Sängerinnen verlangt Strawinsky dabei Höchstleistungen ab, schnelle Abfolgen dutzender russischer Silben werden gesungen, deklamiert und an einigen Stellen sogar laut geschrien: „Schtschi!“ Die kleinteiligen Melodiefetzen ordnen sich zu einer breiten und schier endlosen Klangkollage, die ähnlich wie die „Catulli Carmina“ eher auf Repetition als auf Verarbeitung setzt und dem gesamten Stück einen fortwährend pulsierenden Rhythmus mit wandernden Akzenten und Taktschwerpunkten verleiht.

Beide Werke werden wir, die Berliner Singakademie, am 22. Juni 2008 um 20:00 Uhr im Großen Saal des Konzerthauses Berlin auf die Bühne bringen, unterstützt von großartigen Solisten, Percussionisten, Pianisten und natürlich den jungen Tänzern und Tänzerinnen. Wir freuen uns auf dieses Programm und auf Ihren Besuch.

Wer regelmäßig per Mail über die Konzerte, Programme und News der Berliner Singakdemie informiert werden möchte, kann sich auch den von mir erstellten Newsletter bestellen.

Werkeinführung: Beethoven ~ Christus am Ölberge | Szymanowski ~ Stabat Mater

Donnerstag, 13. März 2008

Am 11. April 2008 wird mein Chor, die Berliner Singakademie, sein drittes Abonnementkonzert in dieser Saison aufführen. Auf dem Programm stehen Ludwig van Beethovens „Christus am Ölberge“ und Karol Szymanowskis „Stabat Mater“. Das Ganze kommt ab 20:00 Uhr im Großen Saal des Konzerthauses Berlin (am Gendarmenmakrt) auf die Bühne. Unterstützung bekommen wir vom Konzerthausorchester und renommierten Solisten. Freunde, die Karten über mich bestellen möchten, bekommen 15% Rabatt auf die oberen drei Preiskategorien. Meldet euch einfach bei mir oder bestellt online! Aber nun zur Werkeinführung.

Werkeinführung

Als es im 19. Jahrhundert durch die Initiative Mendelssohns zur „Bach-Renaissance“ kam, gerieten die religiösen Oratorien des 18. Jahrhunderts langsam in Vergessenheit, und kaum jemand weiß heute noch, dass auch Ludwig van Beethoven, der uns in erster Linie durch seine Instrumentalwerke vertraut ist, ein solches Stück für Chor und Orchester komponiert hat. Obwohl die hohe Opuszahl einen späteren Entstehungszeitraum vermuten lässt, entstand Christus am Ölberge in der Zeit der Zweiten Sinfonie. Beide Stücke wurden am 5. April 1803 zusammen mit weiteren Werken im Theater an der Wien uraufgeführt.

Als während der Fastenzeit Opernaufführungen verboten waren, ließ Emanuel Schikaneder, der berühmte Direktor des genannten Wiener Theaters, publikumswirksame Konzerte aufführen. Beethovens Oratorium schien mit seinen vor der Passion Christi angesetzten Inhalten ein passender Ersatz. Gleichzeitig betrat Beethoven neues kompositorisches Terrain und konnte sich seinem Publikum erstmals mit einem Vokalwerk präsentieren. Trotz der Länge des Konzertabends, dem langwierige und anstrengende Proben vorausgegangen waren, wurde Christus am Ölberge von der Hörerschaft gut aufgenommen und zu einem der wenigen Erfolge, die dem Komponisten während seiner Lebzeit vergönnt waren. Die Allgemeine Musikalische Zeitung (AMZ) lobte das Oratorium als sensationellen Erfolg.

In seiner dunklen Tonart verweist die kontemplative Es-Moll-Einleitung bereits auf Fidelio, die einzige Oper Beethovens, die ebenfalls im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. Musikalische Anklänge verweisen auch auf das Kompositionsstudium bei Antonio Salieri, erinnern an Carl Philipp Emanuel Bach, Mozart oder Haydn. Das Textbuch stammt von Franz Xaver Huber, einem Wiener Schriftsteller, der sich als Librettist bereits einen Namen gemacht hatte. Beethoven war davon nicht vollständig überzeugt: In einem Brief schrieb er 1824, er wolle lieber Homer, Klopstock oder Schiller vertonen, die er wegen ihrer dramatischeren Sprache dem reflexiven Ton Hubers vorzog. Dennoch veränderte er 1811 zur Drucklegung keine Silbe des von innerer Reflexion und Geistlichkeit getragenen Textes.

Thematisch ebenfalls in Richtung der Passion weist Karol Szymanowskis Stabat Mater, eine Kantate aus sechs Sätzen, die Aushängeschild des individuellen und facettenreichen Stils des polnischen Komponisten ist und diesen über Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. Viele heterogene Einflüsse verschmelzen hier zu einem Tableau, so greift Szymanowski auf den Gregorianischen Choral oder die Parallelorgana der Pariser Notre-Dame-Epoche zurück, orientiert sich an der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts, aber auch den impressionistischen Klängen seiner Zeitgenossen Stravinsky und Ravel oder den rhythmischen Novitäten eines Alexander Skrjabin.

Besonders war Szymanowski aber um die Rolle der polnischen Musikkultur bemüht und suchte zeitlebens nach einem Nationalstil, während das Land erst 1918 überhaupt die Staatssouveränität erlangte. Bereits als Student schloss er sich der Berliner Gruppe „Junges Polen“ an, die sich als Konzertveranstalter und Herausgeber polnischer Kompositionen hervortat. Da er wegen einer Knieverletzung vom Kriegsdienst befreit war, lebte er während des Ersten Weltkrieges zurückgezogen auf dem ukrainischen Familiensitz, um sich fernab des Tumults seinen Kompositionen zu widmen.

Als das Grundstück aber während der russischen Revolution zerstört wurde, bekam auch er das menschliche Leid hautnah zu spüren, ein Leid, das auch aus seinem Stabat Mater bedrückend hervorschreit, in leisen Passagen unsicherer Angst oder gewaltigem Aufbrausen von Zorn und Verzweiflung. Anlass zu dieser ans Innerste rührenden Komposition hatte im Januar 1925 der Tod seiner Nichte gegeben, ein Jahr später liegt die Partitur vor, und 1929 kommt es in Warschau unter Grzegorz Fitelberg, einem Mitglied des „Jungen Polen“, zur umjubelten Uraufführung. Das franziskanische Gedicht um die Mater Dolorosa – Szymanowski legte eine polnische Variante zugrunde – wird zu einem überreligiösen Symbol der Trauer und Verzweiflung.

Am 11. April 2008 wird die Berliner Singakademie beide Werke gemeinsam mit dem Konzerthausorchester sowie Yoon Cho Cho (Sopran), Bogna Bartosz (Alt), Markus Schäfer (Tenor) und Mario Hoff (Bass) um 20:00 Uhr im Konzerthaus Berlin aufführen. Karten gibt es zwischen 8 und 25 € online auf http://berliner-singakademie.de (mit Lieferung nach hause) oder an Konzertkassen (mit selbst Rausgehen). Wir würden uns über Euren Besuch freuen.

Werkeinführung: Johann Sebastian Bach ~ Weihnachtsoratorium

Freitag, 30. November 2007

Am 23.12.2007 führt mein Chor, die Berliner Singakademie, gemeinsam mit seinem Kinderchor, dem Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach und vier wunderbaren Solisten (Geller, Markert, Petzold, Gottschick) im Großen Saal der Berliner Philharmonie das Weihnachtsoratorium (I-III, VI) von Johann Sebastian Bach auf. Wer das Konzert besuchen möchte oder noch darüber nachdenkt, kann sich hier als Apppetithäppchen meine kleine Werkeinführung durchlesen. Und wer noch ein Weihnachtsgeschenk für seine Liebsten sucht, könnte mit dem Besuch eines so traditionellen Konzertes am Tag vor Heilig Abend vielleicht genau ins Schwarze treffen. Die Karten kann man bequem online bestellen (und sollte das tun, solange noch gute Plätze vorhanden sind).


Berliner Singakademie vor dem Konzerthaus Berlin
am Gendarmenmarkt

Werkeinführung

Kein anderes Werk gehört so sehr zu Weihnachten, wie das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach und kein zweites Werk Bachs erlangte solche Popularität wie dieses. “WO” nennen es Insider schlicht, und es ist eines von drei Bachschen Werken, denen der Komponist den Titel “Oratorium” zugedacht hat.

Dabei handelt es sich eigentlich um einen Kantaten-Zyklus, dessen sechs Teile an den damals drei Weihnachtsfeiertagen, dem Neujahrsfest, dem Sonntag nach Neujahr und dem Epiphaniasfest aufgeführt wurden. Durch seine Bildungsreise in den Norden ist Bach schon 1705 mit ähnlich groß angelegten musikalischen Formen in Berührung gekommen. Für die Weihnachtsfeierlichkeiten der Leipziger Hauptkirchen St. Nicolai und St. Thomae zur Jahreswende 1734/35 komponierte er nun selbst eine solche Großform.

Die sechs Teile sind in sich geschlossen, was nicht nur durch den Textzusammenhang, sondern auch durch die musikalische Anlage deutlich wird. Als Jubelton spannt D-Dur den tonartlichen Bogen über das gesamte Werk. Es eröffnet im ersten Teil, kulminiert im dritten und kehrt in Teil sechs schließlich zur Grundtonart zurück. Die übrigen Kantaten sind von verwandten Tonarten geprägt. Die Subdoninante G-Dur ist charkateristisch für den pastoralen Inhalt des zweiten Teils. Im vierten erzeugt die Parallele der Mollvariante, F-Dur, eine gefällige Ruhe und A-Dur, die Dominante ist Ausdruck von Zufriedenheit im fünften Teil.

Insgesamt versprühen die sechs Kantaten mit ihren Dur-Tonarten eine anhaltende Jubelstimmung, ein Umstand, der möglicherweise auch dem weltlichen Ursprung einzelner, beinhalteter Stücke geschuldet ist. Bach komponierte nämlich nicht das gesamte Material für sein Weihnachtsoratorium neu. Ein Großteil der Arien und nicht-choralgebundenen Chöre entstammt zwei Huldigungskantaten für das sächsische Herrscherhaus, die schon 1733 entstanden sind und ihrerseits wiederum auf früheres Material zurückgreifen. Bach übernimmt die Musik, arbeitet sie leicht um und unterlegt sie mit einem neuen Text. Aus “Tönet ihr Pauken, erschallet Trompeten” (BWV 214) wird “Jauchzet, frohlocket”, der imposante Eingangschor des Oratoriums, bei dem noch immer zuerst die Pauken, dann die Trompeten einsetzen.

Parodie nennt man dieses Verfahren und es entsprach der gängigen Praxis des Barockzeitalters. Der romantischen Vorstellung von der Einmaligkeit des einen vollkommenen Originals entsprach es jedoch nicht und noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war das Weihnachtsoratorium deshalb als imperfekt stigmatisiert. Generationen von Musikwissenschaftlern verwandten ihre Fähigkeiten darauf, Rechtfertigungen für seine Beliebtheit zu formulieren. Dabei geht es in der barocken Affektenlehre nicht um eine musikalische Ausformung sprachlicher Begrifflichkeit, sondern um die Vermittlung überbegrifflicher Emotionen, eben Affekte und dahingehend kann die Freude beim Anblick des Jesus-Kindleins durchaus der Freude beim Lobpreis am Herrschersohn entsprechen. Dem barocken Anspruch eines aufeinander abgestimmten Wort-Ton-Verhältnisses wird das Weihnachtsoratorium also allemal gerecht. Es als Recycling-Produkt abzuwerten oder gar zu verschmähen wäre verkehrt, zumal es durchaus innovative Neukompositionen bietet.

Sämtliche Rezitative und Choräle sind exklusiv für das Weihnachtsoratorium geschaffen worden, ebenso die Sinfonia zu Beginn des zweiten Teils mit ihren Geigen, Flöten und Schalmaien. Neu komponiert wurde auch die Sopran-Arie “Schließe, mein Herze” als Zentrum der dritten Kantate und des gesamten Zyklus, obwohl Bach zunächst auch dort über eine Parodie nachdachte. Einen fast fertigen Satz in seiner Lieblingstonart h-Moll verwarf er, bevor die endgültige Fassung entstand. Einzigartig in Bachs Gesamtwerk bleibt das Duett aus Bass-Rezitativ und der Choralweise “Jesu, du mein liebstes Leben” im Sopran, das den Rahmen für die “Echo-Arie”, das geistige Zentrum der F-Dur-Kantate bildet.

Jede der sechs Kantaten hat ihr eigenes musikalisches Zentrum und folgt einer eigenen Binnenstruktur, was die Aufführung an verschiedenen Feiertagen ermöglichte. Betont wird dabei oft die pietistische Anlage der einzelnen Teile, die mit der Folge Evangelist, frei gedichtetes Rezitativ, Arie und Choral der Vorstellung der Bibellektüre von Lesung, Betrachtung, Gebet und Amen der Gemeinde entspräche. In seiner Reinform trifft dies aber nur auf die erste Kantate wirklich zu. Das Pietistische liegt vielmehr in den theatralisch, bildreichen Choralstrophen, die Bach vom Textdichter Paul Gerhardt übernahm.

Nur einmal wurde das Weihnachtsoratorium zu Bachs Lebzeiten aufgeführt. Erst 1857 brachte die Singe-Academie zu Berlin, die auch im Besitz des Autographen war, das Werk wieder auf die Bühne. So konnte es schließlich seinen Siegeszug antreten. Heute wird das WO selten auf verschiedene Feiertage verteilt aufgeführt, eher finden sich Teilaufführungen der Kantaten I-III und IV-VI. Die Berliner Singakademie wird am 23.12.2007 in der Philharmonie Berlin die Kantaten 1-3 und 6 aufführen. Unterstützt wird sie dabei vom Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach und ihrem hauseigenen Kinder- und Jugendchor, sowie den Solisten Brigitte Geller (Sopran), Anette Markert (Alt), Martin Petzold (Tenor) und Jörg Gottschick (Bass). Die Leitung übernimmt Achim Zimmermann. Sichern Sie sich rechtzeitig Ihre Karten und lassen Sie Sich und ihre Liebsten mit Bachschen Jubelchören, Arien und Rezitativen gebührend von uns auf die Weihnacht einstimmten.

Gemeinschaftskonzert: Guiseppe Verdi ~ Requiem

Freitag, 05. Oktober 2007

Das Verdi-Requiem zählt ja neben dem von Mozart und dem von Britten zu den drei musikgeschichtlich zentralen Werken dieser Gattung. Die Berliner Singakademie und der Philharmonische Chor Berlin werden es am So, 07.10.07, um 16:00 Uhr (!) in der Berliner Philharmonie mit dem Berliner Sinfonieorchester unter Jörg-Peter Weigle in einem Gemeinschaftskonzert aufführen. Ich habe es diesmal leider nicht geschafft, wie sonst, eine Konzerteinführung zu schreiben, weil ich unitechnisch den Kopf gerade nicht frei kriege. Aber es gibt einen Artikel auf der wikipedia, der einen ganz guten Überblick liefert. Außerdem kann man sich zur Einstimmung schon einmal den Videomitschnitt von der sehr gelungenen Aufführung mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abado 2001 ansehen. Das sind ganze neun Teile (ich verweise auf den ersten) und die Soundqualität ist wegen des Formats nicht gerade überwältigend zu nennen. Aber für den Ohrenschmaus kann man ja auch am Sonntag in die Philharmonie kommen und sich das live angucken. Die Proben mit dem Philharmonischen Chor und seinem Direktor haben jedenfalls großen Spaß gemacht und meine eigene Vorfreude auf das Konzert nur noch gesteigert. Es wird bestimmt ein grandioses Erlebnis und eine hörenswerte Aufführung.

BSA beim Tag der offenen Tür

Donnerstag, 31. Mai 2007

Beim Tag der offenen Tür im Konzerthaus Berlin am Sonntag, dem 03. Juli 2007 wird die Berliner Singakademie wieder mit einem Stand vertreten sein. Wir werden von 11-12 auch eine öffentliche Probe im Werner-Otto-Saal veranstalten, wo wir einige Chöre aus Haydns „Jahreszeiten“, aber auch A-Capella-Stücke aus unserem nächsten Konzertprogramm singen wollen. Dort kann jeder kostenlos hinkommen und uns zuhören. Außerdem wird es unter Besuchern, die sich am Stand erstmalig als Interessenten in unsere Liste eintragen, eine Kartenverlosung von 3×2 Freikarten für unser A-Capella-Konzert am 08. Juli 2007 im Berliner Dom geben. Mehr Infos über die Berliner Singakademie gibt es auf www.berliner-singakademie.de.