Technophobe Germanisten
Die Zentrale Kartei Germanistischer Dissertationen ist ein Projekt, das seit 1957 besteht am Germanistischen Seminar der FU-Berlin existiert und vom Verband Deutscher Hochschulgermanisten ins Leben gerufen wurde. Registriert werden germanistische Dissertationsvorhaben mit Titeln, so dass man bei der Themenwahl prüfen kann, ob nicht ein- und dasselbe gerade von jemand anderem bearbeitet wird. Bisher verlief das Ganze relativ kompliziert: Man schickte sein Vorhaben ein und irgendwann erschien es dann in einer Liste im Druck. Aufgrund der Verzögerung durch Redaktion und Drucksetzung, war das wenig aktuell und so beschlossen die derzeitigen Betreuer des Projektes, Danneberg und Bangen, das ganze doch in einer zentralen Datenbank online fortzuführen – eigentlich eine prima Idee, die den Verwaltungsaufwand veringert und Aktualität garantiert.
Das sieht der Germanistenverband irgendwie anders:
Der Vorstand des Germanistenverbandes hat uns wissen lassen, dass eine Beteiligung des Verbandes an dem Projekt ausgeschlossen sei, weil dominant Skepsis gegenüber der Relation von Aufwand und Ertrag einer solchen Datenbank bestünde
heißt es in einer Stellungnahme der beiden Herausgeber, die angesichts dieser Entscheidung verständlicherweise pissed sind. Auch ich verstehe nicht, wie man als Akademiker zu einer solchen Aussage kommen kann. Das bisherige Druckverfahren erscheint mir weitaus aufwendiger, als das vorgeschlagene digitale. Wenn sich also nach Meinung des Germanistenverbandes der Aufwand für die gedruckte Liste bisher gelohnt hat, warum sollte der Ertrag, den das weniger aufwendige Verfahren liefert, dann nicht mehr in Relation zum Aufwand stehen? Für mich klingt das allzusehr nach Skrupeln vor einer Technik, die die Altvorderen der Germanistik nicht verstehen, anwenden und unterstützen wollen. Ja, es klingt nach konservativer Inkompetenz, um das mal zu explizieren.
Ich weiß nicht, wie aktuell diese Stellungnahme ist, denn sie erscheint ohne Datum und auf der offizielllen HP des Projektes steht von seiner Einstellung nichts. Die letzte gedruckte Liste ist wohl von 2002 und in der URL steht etwas von we04. Vielleicht bin ich also mit meinem Post zwei Jahre hinterher, aber ich habe die Stellungnahme gerade erst gelesen und mußte meinem Entsetzen hier mal aktuell Ausdruck verleihen. Ich hoffe, dass vielleicht doch noch Mittel und Wege gefunden werden, das Projekt digital fortzuführen. Für mich klingt das eigentlich nach einer prima Web 2.0. Anwendung und alles, was man dafür braucht, ist Platz auf einem Server, eine Datenbank, eine Domain und ein schickes CMS – also nichts, dass es nicht schon geben würde. Das Internet bietet gerade auch Akademikern so viele tolle Möglichkeiten (z.B. Raum für die freie Forschung). Es ist zum Haare ausreißen, dass dieses Potential (gerade im Bereich der Geisteswissenschaften) bisher nicht ausgenutzt wird.