Neues von der Judäischen Volksfront

Okay, in Zeiten der Krise im mittleren Osten darf man solche Witze vielleicht gar nicht mehr machen. Aber kennt ihr das noch – die Verwirrung um die judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa aus „Life of Brian“?

So komme ich mir immer wieder vor, wenn Zeitungen über Angelegenheiten der Sing-Akademie zu Berlin schreiben. Das Hamburger Abendblatt berichtet nämlich vom Montezuma-Urteil des BGH. Gut, das mag vielleicht nach 20 Jahren Mauerfall irgendwie total unklar sein, aber in Berlin gibt es aufgrund der einstigen Teilung zwei Singakademien und die Berliner Singakademie, also die Vereinigung, die 1963 im ehem. Ostteil gegründet wurde, ist nicht die Klägerin im Urheberrechtsstreit. Es ist in der Tat die Sing-Akademie zu Berlin, die die alleinigen Rechte am Notenarchiv der 1791 gegründeten Singakademie, der auch Größen wie Goethe, Schiller und Mendelssohn angehörten und durch die die Laienchorbewegung in die Existenz kam, für sich beansprucht. Dieses Archiv wurde 1999 aus Kiew zurück nach Berlin geführt und wird seitdem krakenartig von den Kollegen bewacht. Dies zeigte sich überdeutlich, als man 2005 beim Düsseldorfer Kulturfestival „Altstadtherbst“ die 2002 im Archiv wiederentdeckte Verdi-Oper „Montezuma“ aufführte, woraufhin die Sing-Akademie zu Berlin als Hüterin des Grals einen Schadensersatz verlangte.

Und schon damals liefen bei uns die Telefone mit wütenden Anrufen aufgebrachter Bürger heiß. Es war gar nicht so einfach, diesen und all den Berichterstattern da draußen beizubringen, dass die judäische Volksfront, ähem, die Berliner Singakademie und die Sing-Akademie zu Berlin zwei Paar Schuhe sind. Die Berliner Singakademie hat mit dem Archiv, mit Montezuma und dem Urheberrechtsstreit nichts zu tun und ist selbst der Meinung, dass Musik nur dann sinnvoll ist, wenn sie auch zu Gehör gebracht wird. Vielen Mitgliedern ist dabei unklar, wie sich die Kollegen als Urheber einer 100-Jahre alten Musik betrachten können. Nun hat auch der BGH dieser Paragraphenreiterei ein Ende bereitet und entschieden, dass die Sing-Akademie zu Berlin keine Verwertungsrechte an der Oper hat.

Ich selbst bin seit 10 Jahren Mitglied der Berliner Singakademie und kenne das ewige Hin und Her um die Namensschwestern nur zu gut. Für das Neben- und Miteinander der beiden Singakademie könnte 2009 jedoch neue Meilensteine bringen. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag Felix Mendelssohns zum 200. Mal. Beide Singakademie berufen sich auf diesen Traditionsträger und um sein Jubiläum gebührend zu feiern, haben Konzertveranstalter beide Singakademien zu gemeinsamen Konzerten eingeladen. Ich hoffe für uns, die Tradition der Laienchorbewegung und natürlich für das Musikleben Berlins, dass diese Zusammenarbeit den Blick für gegenseitige Sympathien eröffnen und die Kollegen zur Reflexion anhalten möge: Warum sollten sich nach 20 Jahren der Wiedervereinigung denn nicht beide Singakademien zu einer einzigen zusammentun?

5 Kommentare zu “Neues von der Judäischen Volksfront”

  1. Felixx
    Februar 11th, 2009 18:26
    1

    Vielleicht singe ich ja dann mit, bei der judäischen Volksfront, die probt nämlich nur einmal die Woche und hat auch nicht so schräg antiquierte Kostüme 😉

  2. Felixx
    Mai 6th, 2009 14:38
    2

    Da fällt mir noch was ein …. – die beiden Singakademien zu vereinigen wäre natürlich nicht ganz unproblematisch, wir hätten dann gleich einen ganzen Chor-Konzern in Berlin
    (VBS – Vereinigte Berliner Singakademien):
    Mit ca. 200 Sängern, deren Bedürfnisse nach kontinulierlicher Arbeit nicht ignoriert werden dürften, 2 ambtionierten Chefs (Zimmermann, Jirka, welchen nimmt man dann?), dazu hat die judäische V… ähmm die alte Sing-Akademie, gleich noch einen Kammerchor und einen Kinderchor (Benevoli), die Veranstaltungsreihe „Liedertafel“, Chorassistenten und einen Chordramaturgen… Das alles unter einem Dach? Nicht unkompliziert. Aber vielleicht fängt man einfach erst mal mit einer After-Stage-Party an?

  3. LeV
    August 8th, 2009 19:14
    3

    Niemand hat behauptet, dass es einfach wäre. Aber wenn man nach nunmehr 20 Jahren Wiedervereinigung endlich mal an einen Tisch kommen würde, um solche Fragen gemeinsam zu diskutieren, käme man einer Lösung ja vielleicht näher. Aber die erste Schwierigkeit ist schon, dass es in der Singakademie zu Berlin kaum festinstallierte Stimmen gibt, sondern dass die SängerInnen eher projektmäßig zusammenkommen, während ein nicht-singender Vorstand die Geschicke der Institution leitet. Wir hatten nach der Wende auf einen gemeinsamen Weg gehofft, aber die Kollegen fühlten sich offenbar bedrängt. Sie überhaupt zu einem gemeinsamen Konzert zu bewegen, war u.E. ein großer Erfolg, über den wir uns sehr gefreut haben. Wenn man schon nicht über eine Vereinigung nachdenken möchte, warum dann nicht dennoch gemeinsame Konzerte aufführen. Mit dem Philharmonischen Chor machen wir das seit einigen Jahren so.

  4. Felixx
    August 15th, 2009 19:16
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    Das ist so nicht ganz richtig:
    Mindestens eins von drei Vorstandsmitgliedern singt (und ihn hast du auch kennengelernt), und die meisten der Vereinsmitglieder auch. Nur ist es so, dass deren Beiträge nur einen Bruchteil des Jahresbudgets ausmachen…und wer das Geld hat, hat wohl auch hier die Macht…

  5. LeV
    November 2nd, 2009 17:52
    5

    Ich habe durch das Gemeinschaftsprojekt überhaupt neue Seiten an der Sing-zu kennengelernt und fand das eigentlich sehr erfrischend und wiederholenswert. Allerdings glaube ich, dass es nach wie vor alteingesessene Institutionshüter gibt, denen nicht daran gelegen ist, das Verhältnis zu uns zu verbessern. Diese scheinen uns nach wie vor als eine Art Bedrohung zu empfinden. Inwieweit sie für die singenden Mitglieder eine Rolle spielen, weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, dass wir in der Vergangenheit oftmals auf Granit gebissen haben und dass Absprachen geplatzt sind, einfach weil die andere Seite die Schotten dicht gemacht hat. Und das ist einfach schade. Wir haben in der Vergangenheit viele coole Gemeinschaftsprojekte mit anderen Berliner Chören gemacht. Ich könnte mir das mit der Sing-zu durchaus vorstellen, aber dazu bedarf es eben auch einen offenen Umgangs mit gegenseitigem Respekt. Das war in der Vergangenheit bisher nicht gewährleistet und scheint sich erst jetzt langsam einzustellen, da auch die Sing-zu wieder mehr Selbstbewußtsein in der öffentlichen Präsenz findet.

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