Musikpiraten – Weihnachtslieder unter CC-Lizenz

Eigentlich müßte ich ja Monteverdi analysieren. Aber jetzt blogge ich doch wieder… Ich möchte nämlich einerseits auf eine grandiose Aktion des Musikpiraten e.V. aufmerksam machen, andererseits an einem ganz bestimmten Punkt dieser Aktion auch Kritik üben. Die Rede ist von Creative Commons-lizenzierte Notenblätter für Advents- und Weihnachtslieder gesucht.

Hintergrund der Aktion ist der Besuch der GEMA (VG-Musikedition) in diversen Kitas und Kindergärten und deren Forderung, für dort kopiertes Notenmaterial Gebühren zu zahlen (heise berichtete). Schließlich seien auch Editionen gemeinfreier Lieder urheberrechtlich geschützt. Das ist zwar korrekt, neigt aber zu absurden Auswüchsen in der Musikpraxis, die wir auch als erwachsene SängerInnen nur zu gut kennen. Daher ruft der Musikpiraten e.V. nun dazu auf, Editionen gemeinfreier Weihnachtslieder bei ihm einzureichen, bzw. auch neue zu komponieren. Die Editionen alter und neuer Lieder soll sich an ein kindliches Publikum richten, darf einstimmig oder mehrstimmig, mit oder ohne Begleitinstrumente sein. Eine prima Sache eigentlich – aus Neukomponisten-Perspektive gibt es m.E. allerdings einen Haken.

Die eingereichten Notenblätter müssen entweder gemeinfrei sein, oder unter einer Creative Commons-Lizenz (CC-BY bzw. CC-BY-SA) stehen, die sowohl kommerzielle Nutzung als auch Weiterbearbeitung erlaubt.

Dies mag für neu-edierte gemeinfreie Lieder angehen, mache ich mir aber die Mühe und komponiere etwas Neues, so sehe ich als Urheber des Werkes keinen Grund, jedermann die ungefragte kommerzielle Nutzung zu erlauben. Warum sollte ich das tun? Warum ist das für das Gelingen der Aktion vonnöten? Und welche Form der kommerziellen Nutzung meines potentiellen Werkes ist da geplant? Es hieß doch: „Unser Ziel ist es, ein kleines Notenbuch mit Liedern für die Vorweihnachtszeit zusammenzustellen, dass jeder legal und kostenfrei kopieren und verteilen darf.“

Ich habe diese Fragen auch dem Musikpiraten e.V. gestellt und innerhalb weniger Minuten von Christian Hufgard, dem Vorsitzenden, Antwort erhalten. Leider fand ich die nicht wirklich befriedigend. Es hieß darin, die freie Nutzung solle auch kommerziell jedermann einfach möglich sein, als Urheber könne man von derartiger Verbreitung seiner Werke profitieren und könne es deshalb als Werbemaßnahme betrachten, auf sein Recht auf Vergütung zu verzichten.

Nun ist es vielleicht anmaßend, wenn ich diese Teilnahme-Bedingung aus Künstlerperspektive kritisiere, denn ich verdiene mein Geld allenfalls mittelbar mit Kunst. Ich bin weder auf Werbemaßnahmen, noch darauf angewiesen, meine kreativen Ergüsse in Geld umzusetzen. Aber ich kenne genügend Leute, die darauf angewiesen sind und die meisten können sich mit Ach-und-Krach Miete und Brot leisten. Ich bin außerdem über das Thema Copyright zur Netzpolitik gekommen, weil ich angefangen habe, selbst unter CC-Lizenz zu veröffentlichen. Ich halte CC-Lizenzen sowohl aus Konsumenten-, als auch aus Künstlersicht für sinnvoll. Aber ich habe mir immer den Zusatz NC (non commercial, nicht-kommerziell) beibehalten, und zwar weil ich ebenfalls an das durch das dt. Urhebergesetz verbriefte Recht des Urhebers auf Vergütung glaube – zumindest solange wir in einer Gesellschaft leben, in der jeder zusehen muß, wie er seine Brötchen verdient.

Es kann sinnvoll sein und sogar als Werbemaßnahme verstanden werden, seine Texte zum freien (nicht-kommerziellen) Gebrauch ins Netz zu stellen. Aber sobald jemand mit meinem Werk Geld verdient, finde ich es als Urheber fair, meinen Teil davon abzubekommen. Warum sollte ich erlauben, dass sich jemand finanziell an meiner Arbeitskraft bereichert, ohne mich entsprechend zu vergüten – wo liegt da bitte für mich der Vorteil? Das wäre nicht fair. Es mag ja sein, dass der kommerzielle Vertrieb gerade mal die Produktionskosten wieder reinbringt, so dass gar kein Gewinn mit meinem Werk gemacht wird (das ist sogar wahrscheinlich). Aber darüber kann man gar nicht mit dem Nutzer sprechen, wenn man ein Werk ohne NC-Beschränkung freigibt – und zwar deshalb, weil der Nutzer mich dann gar nicht darüber informieren muß, dass er mein Werk kommerziell nutzen möchte/nutzt. Er tut es einfach – auch wenn er zufällig Sony oder Bertelsmann heißt.

Verlage und dergleichen Rechteinhaber mehr vergüten ihre Künstler unter Anwendung aktuellen Urheberrechts wenigstens formal, auch wenn es in der Praxis meist ein Hungerlohn und der ganze Vergütungsprozess absurd ist. Jemand, der Gewinn mit einem CC-Werk macht, muß mir gar nichts abgeben und mich darüber auch nicht informieren. Mich um ein solches Zugeständnis mit dem Beisatz, ich solle es als Werbemaßnahme betrachten, zu bitten, ist ungefähr so, als würde ich einem unbezahlten Praktikanten sagen: Verbuchen sie’s als Sternchen in ihrer Biografie. Das ist doch Mist! Ich möchte in einer solchen Gesellschaft nicht leben, in der ich ohne Vergütung dafür schufte, dass die ohnehin schon Reichen in den goldenen Apfel beißen können. Ich möchte mich entscheiden können, wem und unter welchen Umständen ich meine Arbeitskraft verschenke und mit wem ich unter welchen Umständen in Verhandlung über eine angemessene Bezahlung trete. Dieses Recht sollte ich als Künstler haben.

Solange wir in einer Gesellschaft leben, in der Geld zu verdienen überlebenswichtig ist, sollte das Recht des Urhebers auf Vergütung als solches Bestand haben. Es ist sinnvoll und gut, wenn es eine Opt-Out-Variante gibt. Aber, dass die Teilnahme-Bedingungen dieser Musikpiraten e.V. Aktion nicht einmal eine Opt-In Möglichkeit gewähren, das empfinde ich als falsch und konstraproduktiv. Es ist der Sache, der Debatte um die Zweckmäßigkeit, Sinnhaftigkeit und Reform des Urheberrechts abträglich, und es setzt ein schlechtes Zeichen in Richtung der Künstler. Es verunsichert die Künstler und es spielt der Contentmafia in die Hände, die oft populistisch und heuchlerisch mit dem Argument „Aber wovon sollen denn die armen Künstler leben…“ um die Gunst der Richter bettelt.

# Update1: Mir wurde als Kompromiß angeboten, dass mein neukomponiertes Werk (falls es denn überhaupt eines geben wird), verlinkt, aber nicht in die Sammlung aufgenommen würde. Ich weiß nicht, ob das ein sinnvoller Kompromiß ist, zumal es einen Hauch von „Wenn du dich unseren Bedingungen nicht beugst, wirst du halt nicht verlegt“ hat. Genausogut kann ich das Werk ja einfach in mein Blog stellen. Aber gut, es ist natürlich auch nicht meine Entscheidung, unter welchen Bedingungen ein nicht-kommerzieller Verleger verlegt. Darum geht es mir ja auch gar nicht, sondern darum, in der allgemeinen Debatte um das Urheberrecht, diesen Punkt mal zu bedenken – und zwar realistisch, die existentiellen Zwänge der Künstler betrachtend und nicht mit der Forderung nach unbeschränkten Zugeständnissen an eine schöne, aber romantische Ideologie.

#Update2: Mir wird der Vorschlag eines Folgeprojektes gemacht, das sich gezielt auf Neukompositionen ausrichtet. Das derzeitige Projekt ziele eher auf die Neuedition gemeinfreier Lieder ab, für die keine NC eingeräumt werden sollte, da es sich eben um gemeinfreie Lieder handle, die auch ohne großen Aufwand kopiert werden können sollten. Damit gehe ich vollkommen d’accord und die Idee eines Folgeprojektes finde ich auf jeden Fall gut.

Update3: Man muß natürlich auch dazu sagen, dass eine CC-NC-Lizenz nicht die kommerzielle Nutzung des Werkes verbietet, sondern nur die ungefragte kommerzielle Nutzung. Jemand, der ein CC-NC-Werk kommerziell verlegen möchte, kann immer noch zum Künstler gehen und einen Vertrag mit dem aushandeln, der entweder Vergütung beinhaltet oder nicht. Ob mein Vertrag mit einem kommerziellen Verleger Vergütung beinhalten würde oder nicht und wenn ja, wieviel, das würde ich gerne auch vom kommerziellen Verleger abhängig machen können. Von Sony würde ich Kohle haben wollen, vom Indy-Verlag Hinterposemuckel vielleicht nicht unbedingt. Auch so Fragen wie „Zu welchem Preis wird mein Wekr verkauft?“, „In welcher Form wird mein Werk angeboten?“ würde ich mit einem kommerziellen Verleger gerne persönlich und mit Möglichkeit meiner Einflußnahme klären. Aber wenn ich CC ohne NC gewähre, dann muß auch Sony nicht zu mir kommen, um mit mir zu verhandeln. Das fänd‘ ich aus Urhebersicht nicht clever.

2 Kommentare zu “Musikpiraten – Weihnachtslieder unter CC-Lizenz”

  1. DrNI
    November 27th, 2010 12:39
    1

    Ich finde Deine Haltung absolut nachvollziehbar und richtig. Ich selbst habe alles was ich unter CC veröffentlicht habe selbstverständlich mit dem „NC-Suffix“ versehen.

    Das einzige Problem dabei ist, wo fängt kommerziell an? Ich würde zum Beispiel gefühlsmäßig einen Radiosender wie SWR als kommerziell einstufen, einen wie die Wüste Welle aber nicht. Das müsste man mal einen Juristen fragen.

    Creative Commons und Open Source sind im Prinzip eine Fairness-Idee und Grundlage einer Community: Jeder der nimmt, ist aufgefordert zu geben. Allerdings nicht Geld, sondern Content, Source Code, Dokumentation, etc. – was er eben kann. Dazu passt eine kommerzielle Verwertung nicht, da muss dann auf das „traditionelle“ System umgeschaltet: Wir regeln es über das Geld.

  2. LeV
    Dezember 17th, 2010 17:07
    2

    Na ja, der Zusatz NC verbietet ja nicht die kommerzielle Nutzung, sondern die ungefragte kommerzielle Nutzung. Wenn also jemand, der sich für kommerziell hält (ich würde darunter verstehen, dass ich mit einer Sache Gewinn in welcher Höhe auch immer mache), dein Werk verwenden möchte, dann kann er ja gerne zu dir kommen und fragen, ob das möglich ist. Und du selbst entscheidest dann, ob du dem Nichts, einen symbolischen Euro oder ein anständiges Gehalt abverlangst oder auf den Deal gar nicht eingehst.

    Die CC-Lizenzen setzen das Urheberrecht ja nicht außer Kraft, sondern erweitern es. Das Urheberrecht besagt, dass der Urheber entscheidet, wer sein Werk unter welchen Umständen vervielfältigen darf. D.h. wenn du es vervielfältigen möchtest, fragst du den Urheber und der kann ‚ja (wenn X/Y erfüllt wird)‘ oder ’nein‘ sagen. Mit einer CC-Lizenz sagt der Urheber schon mal von sich aus, wer unter welchen Umständen sein Werk ungefragt vervielfältigen darf. CC-BY-NC-ND heißt z.B. Nutzer mit nicht-kommerziellem Interesse dürfen mein Werk ungefragt vervielfältigen, wenn sie’s dabei nicht verändern und meinen Namen dranschreiben. Jeder, auf den diese Bedingungen nicht zutreffen, kann immer noch zum Urheber gehen und den fragen. Aber jeder, auf den diese Bedingungen gewiß zutreffen, der kann das Werk nutzen, ohne fragen zu müssen. Das ist das Vorteilhafte an diesen CC-Lizenzen.

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