5 Regeln und 1 Flowchart

Vor drei Jahren habe ich aus der Not heraus begonnen, mich mit dem Problem der Eifersucht in offenen Beziehungen zu beschäftigen: Was ist Eifersucht, wo kommt sie her, was will sie von mir und wie gehe ich mit ihr um, ohne mich komplett zum Obst zu machen? Dass es universelle Antworten auf diese Fragen gibt, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Mir selbst hilft aber die Reflexion fremder Lösungen bei der eigenen Orientierung. Deshalb möchte ich heute präsentieren, worauf mein Partner und ich uns bis auf Weiteres geeinigt haben. Vielleicht findet ja die Eine oder der Andere darin Antworten auf seine eigenen Fragen.

Eifersucht in offenen Beziehungen

Eine offene Beziehung ist ein Dauerexperiment. Vielleicht ist es gerade das, was sie so spannend und reizvoll macht. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch hat andere Bedürfnisse, andere Angebote und geht anders mit Konflikten um. Daher kann jeder neue Partner in einer offenen Beziehung das bisher Be- oder Erkannte komplett über den Haufen werfen. Wer keine Lust auf Experimente hat, sollte m.E. die Finger von offenen Beziehungen lassen und sich eine geschlossene zulegen, die gesellschaftlich normierten Regeln folgt.

Für mich war das nie eine Option – nicht weil ich so unglaublich promiskuitiv veranlagt wäre (das bin ich auch, aber das ist ein anderes Thema), sondern weil ich es falsch finde, meinem Partner vorzuschreiben, wen er lieben und mit wem er vögeln darf. Es ist nicht an mir, das zu entscheiden. Dieser Ethik kann man problemlos folgen, solange der Partner nur Menschen liebt oder vögelt, die man selbst auch lieben oder vögeln würde – einen selbst oder gute Freunde zum Beispiel. Wenn er aber auf einmal anfängt, Menschen zu lieben und zu vögeln, bei denen man sich denkt: „Äh, moment mal…“, dann fängt die Beziehungsarbeit an.

In einer kühlen Novembernacht vor ungefähr 3 Jahren war es bei mir dann soweit: Ich fand meinen Mann mit einer fremden Frau beim Liebesakt auf meinem Wohnzimmer-Sofa: „Äh, moment mal…“ Ich versuchte mir erst einmal einzureden, dass es okay sei, da ich ja schließlich in einer offenen Beziehung lebte, stellte dann aber rasch fest, dass meine Magengrube es überhaupt nicht okay fand. Ich verspürte zum ersten Mal Eifersucht und war komplett verunsichert und überfordert. So beschissen hatte ich mich seit langem nicht mehr gefühlt. Ich mußte erst einmal lernen, dass es auch in einer offenen Beziehung okay ist, eifersüchtig zu sein. Ich habe mich lange für meine negativen Gefühle geschämt und wesentlich länger gebraucht, um sie zu akzeptieren als die Zweifel an meiner Ethik und meinem Beziehungsmodell angedauert haben. Ich gelangte relativ schnell zu der Überzeugung, dass Eifersucht, so scheiße sie sich auch anfühlt, kein Grund ist, meinem Partner die versprochene Wahlfreiheit zu versagen.

Die 5 Regeln

Es gibt Paare, die leben in offenen Beziehungen und die treffen solche Absprachen: Du darfst mit anderen Partnern schlafen, aber ich bestimme, mit welchen. Oder: Du darfst mit anderen Partnern schlafen, aber nur wenn ihr nichts füreinander empfindet. Oder: Du darfst mit anderen Partnern schlafen, aber nur, wenn ich es nicht mitkriege. Ja, manche Paare können mit solchen Regeln gut leben. Aber für mich sind sie nicht das Richtige. Ich könnte nicht damit leben, dass mein Partner mir etwas verheimlichen oder dass er seine Gefühle anderen Menschen gegenüber vor mir leugnen muß. Ich hatte also meinem Partner schweren Herzens erlaubt, sich weiterhin mit seiner neuen Freundin zu treffen, um was-auch-immer mit ihr zu treiben. Aber ich wollte vorher genau Bescheid wissen wann, damit ich mich in der Zeit mit Freunden verabreden konnte, die mich trösteten. Und ich wollte, dass er Nachts in meinem Bett schlief, weil ich es nicht ausgehalten hätte, die Nacht allein zu verbringen und ihn bei einer anderen Frau zu wissen. Mein Partner erklärte sich einverstanden.

Damit war unsere erste Regel geboren: Nicht ohne Terminabsprache! Die Regel funktioniert bis heute ziemlich gut. Sie scheitert lediglich an spontanten Situationen und man muß dann schauen, ob man a) der Spontanität oder b) dem Prinzip zu seinem Recht verhelfen will. Beides kann vernünftig sein. Da sich nun also mein Partner mit seinem neuen Partner traf, hatte ich nichts Besseres zu tun, als mich mit meiner Eifersucht zu beschäftigen. Ich las, dass Eifersucht in offenen Beziehungen gar nicht so selten war, dass es ratsam war zu ergründen, woher sie kam und dass es nicht ratsam war zu versuchen, sie zu vermeiden. Woher kam meine Eifersucht? War sie ein Symptom für Probleme in meiner Beziehung oder eines für Probleme mit meinem Selbstwertgefühl? Ich wußte, dass es mir seelisch ziemlich schlecht gegangen war, bevor mein Mann seine neue Freundin mitgebracht hatte. Ich litt unter Depressionen und Einsamkeit, weil er oft auf Dienstreisen und ich mit unserem Kind allein zu hause und damit überfordert gewesen war. Ich schämte mich dafür, dass ich mein Studium immer noch nicht beendet hatte und sowieso nicht wußte, was später mal aus mir werden sollte. Und dann kam mein Mann auch noch mit einer anderen Frau nach hause und war ganz verknallt – einer Frau, die viel erfolgreicher und populärer und vielleicht sogar schlauer war als ich. Wumms! Dieser Arschtritt hatte gesessen.

Es war diesmal etwas anders als zuvor: Ich kannte die Frau, mit der mein Mann seit Neustem schlief, nicht besonders gut. Ich wußte, sie hatte ein paar interessante Ansichten. Aber meine Versuche, mich in der Vergangenheit mit ihr darüber auszutauschen, waren kläglich gescheitert, weshalb ich leichte Vorbehalte gegen sie hatte. Früher, wenn mein Mann mit gemeinsamen Freunden geschlafen hatte, war ich nie eifersüchtig gewesen. Ganz im Gegenteil, ich fand es sogar schön und machte gerne mit. Aber bei ihr war es etwas Anderes: Ich wollte nicht mit ihr schlafen und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich auch sonst nichts Engeres mit ihr zu tun haben gewollt. Aber da war sie nun mal – mitten auf meinem Sofa – friß oder stirb! Also fraß ich. Ich dachte, wenn ich mich mit ihr anfreunden und also verstehen könne, was mein Partner an ihr findet, dann würde sich auch meine Eifersucht erübrigen. Denn bei anderen Freunden war ich ja auch nicht eifersüchtig. Wir luden sie also ein paar Mal zu uns ein, ich sprach ein paar Mal mit ihr und es erwies sich als Holzweg. Denn es kam einfach keine ungezwungene Atmosphäre auf, in der sich soetwas wie Freundschaft hätte entwickeln können und ich litt darunter, beobachten zu müssen, wie sie mit meinem Mann turtelte und nicht mit ihm wie gewohnt turteln zu können, weil ich nicht von ihr dabei beobachtet werden wollte. Es war einfach scheiße!

Aber es brauchte noch zwei Jahre und eine neue neue Partnerin, bis ich die Schlüsse aus meinem Scheitern gezogen hatte. Zwei Freunde brachten mich auf den Trichter. Der eine sagte: „Du kannst es ihr nicht vorwerfen, schließlich hat sie sich erst einmal nur für ihn und nicht auch für dich entschieden.“ Die andere sagte: „Es ist ja schön und gut, dass du ihm erlaubst, seine Freiheiten auszuleben. Aber das heißt doch nicht, dass er es auch in deiner Wohnung tun muß.“ Ich hatte geglaubt, die neue Partnerin meines Partners mögen zu müssen, ihr Zutritt zu meinem Leben gewähren zu müssen – aber das war nicht so, ich hätte nicht gemußt. Denn genauso wenig, wie sie sich für mich entschieden hatte, hatte ich mich für sie entschieden. Die Kriterien, nach denen ich meine Freunde aussuche, sind völlig andere als diejenigen, nach denen mein Partner seine Bettgenossen aussucht. Gerade deswegen suchen wir ja für uns selbst und nicht für den jeweils anderen aus, weil es absurd wäre.

Erst als ich akzeptiert hatte, dass mir die neuen Partner meines Partners auch getrost gestohlen bleiben konnten, war ich im Stande, sinnvolle Regeln aus meinen Erkenntnissen zu formulieren: Nicht in unserer gemeinsamen Wohnung! Und: Nicht in meiner Anwesenheit! Man kann darüber reden, diese Regeln fallen zu lassen, wenn der Partner meines Partners und ich gute, freundschaftliche Beziehungen pflegen. Aber solange ich den Partner nicht kenne oder gut genug kennengelernt habe um zu wissen, dass wir keine Freunde werden, muß ich ihn weder in meiner Wohnung dulden, noch muß ich ihm dabei zugucken, wie er meinen Partner vernascht. Wenn es mir nicht behagt, muß ich mich nicht dazu zwingen.

Ich denke, sofern der neue Partner meines Partners nicht von sich aus Interesse an mir zeigt, muß ich mich als fester Partner meines Partners erst dann ernsthaft mit ihm auseinandersetzen, wenn es zwischen ihnen beiden doch etwas Ernsteres wird. Dann zwingt mich die Nähe zu meinem Partner einfach, Anteil an dem zu nehmen, was ihn bewegt. Was mir bisher jedoch noch nicht besonders gut gelingt, ist, den Moment abzupassen, an dem eine Sache „ernst“ wird. Denn im Gegensatz zu meinem Partner pflege ich (nicht nur, aber überwiegend) eine Kultur des anonymen One-Night-Stands ohne emotionale Bindung. Die soziale Interaktion mit anderen Menschen fällt mir ohnehin wahnsinnig schwer und bevor ich die Energie aufbringe, mich mit einem anderen Menschen emotional auseinanderzusetzen, möchte ich sicher sein, dass es sich auch wirklich lohnt. Mein Partner ist da anders: Er schwebt sofort auf Wolke7, sobald ihm jemand schöne Augen macht und findet später heraus, wozu der Mensch sonst so taugt. Das ist ja auch gar nicht mal so blöd, immerhin zieht man so aus jeder Beziehung gleich den maximalen Spaß. Aber ich funktioniere nicht so und wenn mein Mann dann für eine neue (potentielle) Freundin schwärmt, dann denke ich (weil ich ich und nicht er bin) gleich sonstwas, was dieser Mensch ihm Weltbewegendes bedeuten muß. Das macht mir Angst, weil es für mich unvorstellbar wäre, eine feste Beziehung mit jemandem zu führen, der eine feste Beziehung mit jemand anderem führt, den ich nicht kenne oder leiden kann. Für mich wäre das ein Grund, die Festigkeit meiner eigenen Bindung zu lösen: Verlustangst triggert Eifersucht.

Also habe ich eine letzte Regel formuliert: Nicht vorschwärmen! Mein Partner akzeptiert sie. Aber ich bin von dieser Regel noch nicht restlos überzeugt. Sie stellt eine Vermeidungsstrategie dar und die sollte man doch vermeiden. Ich will nicht wissen, wie toll mein Partner wen-auch-immer findet, weil ich weiß, dass ich den Menschen in meiner Eifersucht scheiße finden werde, bevor ich ihn überhaupt kennengelernt habe. Ich brauche Ruhe, um Menschen zu beurteilen und herauszufinden, ob ich sie mag. Die Ruhe finde ich (momentan noch) nicht, wenn mein Partner neben mir mit Vögeln im Bauch Kopf steht und quiekt. Aber ich möchte natürlich eigentlich nicht, dass er die Gefühle, die er für andere Menschen hegt, vor mir verbergen muß, denn das würde uns ja emotional distanzieren. Ich hoffe, dass ich mich irgendwann einfach mit ihm freuen kann, genauso wie ich mich jetzt schon mit ihm freuen kann, wenn wir gemeinsame Freunde verführen. Nahziel ist es aber erst einmal, meine Eifersucht zu kontrollieren und mich beherrschen zu lernen. Das Formulieren expliziter Regeln hilft mir dabei – vor allem, weil es mich zwingt, meine Situation zu analysieren und zu reflektieren.

  1. Nicht ohne Gummi!
  2. Nicht ohne Terminabsprache!
  3. Nicht in der gemeinsamen Wohnung!
  4. Nicht in meiner Anwesenheit!
  5. Nicht vorschwärmen!

Nun habe ich erst vier Regeln erläutert, obwohl ich fünf versprochen hatte. Die erste und wichtigste Regel überhaupt fehlt noch: Nicht ohne Gummi! Ich denke, es versteht sich von selbst, dass ungeschützter Verkehr in einer offenen Beziehung mit wechselnden Geschlechtspartnern ein absolutes No-Go ist. Schließlich will ich nicht die Chlamydien von Partner X/Y weitergereicht bekommen.

Der Flowchart

Nun hatte ich ja schon erläutert, dass einige Regeln strenger gehandhabt werden als andere. Wie streng, das hängt insbesondere von der Stärke der jeweiligen Bindung des neuen Partners meines festen Partners zu mir ab. Auch wenn sich der neue Partner nicht für mich entschieden hat, steht er ja durch die Entscheidung für meinen festen Partner trotzdem in einer indirekten Verbindung mit mir. Auch wenn wir zwei verschiedene Menschen sind – das Leben meines festen Partners und mein Leben überschneiden sich in signifikanten Bereichen: Seine Wohnung ist auch meine Wohnung, sein Bett ist auch mein Bett, sein Konto ist auch mein Konto, sein Freundeskreis ist auch mein Freundeskreis und sein Kind ist (wenigstens angeheiratet) auch mein Kind. Das heißt, Zutritt zum Privatleben meines festen Partners bedeutet auch Zutritt zu meinem Privatleben. Wer in welcher Form Zutritt zu meinem Privatleben erhält, entscheide ich. Wenn ich jemanden nicht oder kaum kenne oder gut genug kenne, um zu wissen, dass wir keine Freunde werden, dann bin ich eher vorsichtig damit, ihm meine Privatsphäre zu öffnen.

Diese verschiedenen Konstellationen von Beziehungen in einer offenen Partnerschaft habe ich im Flußdiagramm darzustellen versucht. Zwischenmenschliche Beziehungen sind nichts Statisches, sondern immer im Fluß. Man muß sich kontinuierlich über den aktuellen Stand verständigen, fragen, welche Absprachen es gibt und klären, ob alle Beteiligten damit einverstanden sind. Daher glaube ich, dass eine grundlegende Bereitschaft zur Verständigung über die eigenen Bedürfnisse und eine grundlegende Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse anderer Menschen in einer offenen Beziehung von Vorteil sind.

Ich stelle mir Beziehungen immer als Punkte in einem Koordinatensystem aus körperlicher, emotionaler und intellektueller Anziehung (bzw. Abstoßung) von Menschen vor. Für einige dieser Punkte hat unsere Gesellschaft Namen: Ehe, Partnerschaft, Freundschaft, Affaire, Feindschaft, Fickfreundschaft, Bekanntschaft, etc. Aber eigentlich habe ich mit jedem Menschen, den ich kenne, irgendeine Art von Beziehung. Der Punkt im Beziehungs-Kontinuum wird durch die Werte auf den drei Achsen – Körper, Herz und Geist – bestimmt. Offenheit in einer Beziehung bedeutet für mich, auch den Punkten eine Chance zu geben, die in unserer Gesellschaft keine Namen haben und individuelle Verhältnisse nicht in die Kategorien zu zwingen, die unserer Gesellschaft einen Namen wert sind. Die Namen und Normen unserer Gesellschaft reichen nicht, um die Vielfalt zwischenmenschlicher Beziehungen adäquat zu beschreiben.

12 Kommentare zu “5 Regeln und 1 Flowchart”

  1. Ole
    September 2nd, 2012 18:02
    1

    Ein sehr guter Text. Man kann deinen Gedankengang und den Flowchart sehr gut nachvollziehen.

    Ich für meinen Teil, habe nicht so ein großes Problem mit dem Vorschwärmen, so lange ich zeitnah ebenfalls etwas Bestätigung erhalte.
    Sonst verfalle ich ebenfalls schnell in Unsicherheit, was letztlich ja der Grund für Eifersucht ist.

    Regel 1-4 könnte ich aber so als Grundsatz gut unterschreiben.

  2. LeV
    September 2nd, 2012 19:54
    2

    \o/ Der Jeedi ist ein großer Held! Er hat mir eine schicke Vektorgrafik aus meinem Flowchart gebastelt. Danke!

    @Ole: Ja, wie gesagt, ich muß da noch ein bisschen an mir arbeiten, bis das für mich ohne Nummer 5 geht.

  3. erlehmann
    September 4th, 2012 17:33
    3

    Ich finde es lobenswert, mit expliziter Kommunikation das Dramapotential eigener Beziehungen zu verringern. Rechnest du damit, dass du dein für die meisten dieser Regeln verantwortliches Unbehagen irgendwann noch überwindest und sie damit unnötig werden?

  4. LeV
    September 5th, 2012 10:24
    4

    Damit rechnen? Nein, ich hoffe es und gebe mir Mühe, mich zur Vernunft zu erziehen.

  5. hutch
    September 8th, 2012 15:08
    5

    Und so entsteht Selbstbewusstsein! Daumen hoch.

  6. Zeppelin
    September 10th, 2012 15:47
    6

    An sich ein paar nette Gedanken. Diese gehen aber in eine falsche Richtung, da eine feste Beziehung experimentell ist. Wie du sagtest, haben Menschen unterschiedliche Bedürfnisse. Umso spannender und experimenteller ist es doch, diese zu haben und doch in einer festen Beziehung zu leben.
    Je mehr Freiheit ihr euch beide gebt, euch durch die Welt vögeln zu dürfen, desto weniger Arbeit braucht es, diese Beziehung am Laufen zu halten. Die Bedürfnisse werden woanders gestillt. Desto weniger kann man dies allerdings auch eine Beziehung nennen, finde ich. Meine jetzige Beziehung ist eine, die bisher grandioserweiser ohne Eifersucht auskommt: ganz einfach deshalb, weil wir uns sicher sind, den Partner gefunden zu haben. Und ja, das gibt es und es ist befreiend, weil ein gegenseitiges Vertrauen existiert – ungezwungen und ehrlich.

  7. LeV
    September 20th, 2012 12:07
    7

    Okay, Zeppelin, du stellst hier gerade die Güte meiner Beziehung infrage. Das ist ein Affront, aber sei’s drum.

    Du behauptest, meine Beziehung, die ich als eine feste geschildert habe, sei in Wirklichkeit nicht fest, sondern aufgrund ihrer Offenheit unfest/lose. Vielleicht betrachtest du Offenheit sogar als das Gegenteil von Festigkeit oder bist der Meinung, dass nur eine „unfreie“ (d.h. monogame?) Beziehung wirklich fest sein könne. Jedenfalls kommst du zu dem absurden Schluß, in einer offenen Beziehung könne es kein gegenseitiges Vertrauen geben.

    Ich sehe das alles sehr anders und Vernunft und Logik geben mir da Recht. Die Festigkeit einer Beziehung macht sich meinem Verständnis nach an der Enge der Bindung fest, die Offenheit hingegen an der Zahl der Bindungen. Offenheit und Festigkeit sind ergo zwei verschiedene Dimensionen. Und weil sie keinen kausalen Zusammenhang haben, unterliegen sie der Möglichkeit freier Kombinatorik: Eine Beziehung kann fest und geschlossen sein (Monogamie), sie kann fest und offen sein (Polygamie), sie kann lose und geschlossen sein (monogame Fickfreundschaft) oder lose und offen (polygame Fickfreundschaft) sein. Würde sich Festigkeit an der Zahl der Bindungen fest machen, wie es deinem Verständnis entspricht, könnte es nur entweder Mono-Ehen oder Poly-Freundschaften geben, wofür es in der Realität zahlreiche Gegenbeispiele gibt. Der Begriff der „Offenheit“ wäre in diesem Falle redundant, was er in Wirklichkeit aber nicht ist. Festigkeit und Geschlossenheit, bzw. Unfestigkeit und Offenheit synonym zu verwenden, wie du es tust, ist nicht sprachökonomisch. Dein Verständnis von Festigkeit ist ergo nicht besonders plausibel.

    Was nun die Festigkeit meiner offenen Ehe betrifft: Ein gemeinsames Bett, einen gemeinsamen Alltag, den Wunsch, füreinander da zu sein und miteinander alt zu werden, aber vor allem auch eine auf Vertrauen und Ehrlichkeit basierende emotionale Bindung sowie intellektuelle Geborgenheit im Gedankenaustausch – das alles empfinde ich doch als ziemlich eng. Ich sehe keinen Punkt, in dem die Enge (d.h. nach meinem Verständnis die Festigkeit) meiner Beziehung der Enge monogamer Beziehungen irgendwie nachstünde. Sie ist, im Gegenteil, von derselben, wenn nicht sogar von höherer Güte, da wir uns trotz Offenheit, trotz der Existenz anderer Partner, jeden Tag neu für das gemeinsame Leben entscheiden. Das Gegenteil wäre erst noch zu beweisen.

    Welche konsistenten Definitionen, welche Beweise kannst du für die „Richtigkeit“ deiner Gedanken anführen?

  8. tanzkuss
    Oktober 2nd, 2012 22:55
    8

    Danke für diesen ehrlichen und ausführlichen Bericht über eine offene Beziehung! Ausgelöst durch die Fragen auf OkCupid beschäftigt mich dieses Thema auch schon ein paar Tage.

    In Deinem Bericht waren auf jeden Fall ein paar sehr gute Denkanstöße. Regel 1 und 3-5 sind mir intuitiv auch schon gekommen, Regel 2 ist neu und sinnvoll.

    Interessant wäre auch mal ein Erfahrungsbericht von einem (Ehe-)Paar, welches schon zwanzig/dreißig Jahre so lebt und wie es beiden emotional geht.

  9. Nicole
    November 22nd, 2012 01:14
    9

    Noch eine Frage zur Regel 1 „Nicht ohne Gummi!“: Hast du bei deinen One Night Stands dann nur Vaginal- oder Analsex oder auch aktiven/passiven Oralverkehr? Die meisten Leute sind ja zum Glück so vernünftig bei ONS oder am Anfang einer Beziehung Kondome zu benutzen, haben aber bedenkenlos vollkommen ungeschützten Oralverkehr trotz entsprechender Infektionsgefahr. Wie stehst du dazu?

  10. Nadine
    November 27th, 2012 22:47
    10

    Hast du keine Lust oder keine Zeit zu antworten?

    Was mich auch noch interessieren würde: Wie erklärst du die ganze Sache eigentlichen eurem Sohn?

  11. LeV
    November 30th, 2012 14:32
    11

    Lust, Zeit? Allen voran ist erst einmal festzustellen, dass ich keine Pflicht habe zu antworten. Impertinenz ist unangebracht!

    So. Wenn ich von geschütztem Verkehr spreche, dann meine ich selbstverständlich auch geschützten Oralverkehr und was den Jungen betrifft: Kinder sind weit weniger vorurteilsbehaftet als Erwachsene. Wenn sie mit bestimmten Situationen aufwachsen, finden sie sie einfach normal. Ansonsten spreche ich mit ihm über Aspekte der Sexualität ebenso ungezwungen wie über Anderes auch. Denn ich möchte nicht, dass er wegen meines verklemmten Rumgedruckses selbst verklemmt wird.

  12. Katrin
    Januar 24th, 2013 12:03
    12

    Ich danke dir für deinen Gedankengang. Für mich nachvollziehbar und sehr hilfreich, da ich mich in den „Anfängen“ einer offenen Beziehung befinde. Ich habe mich schon immer viel damit beschäftigt und auseinander gesetzt, jedoch bisher keinen Partner gefunden, mit dem man darüber wirklich Reden konnte. Mein jetziger Partner teilt meine Einstellung und ich liebe unsere offenen ungezwungenen Gespräche. Es ist nicht immer einfach, aber gerade dann ist dieses sich immer wieder neu organisieren und zusammen raufen und den weiteren Weg gemeinsam gehen zu wollen, für mich die richtige Richtung. Ich teile deinen Meinung, was du über die Festigkeit deiner offenen Ehe geschrieben hast. Trotz einem interessanten Gespräch oder guten Sex mit einem Anderen ist es für mich mit das Höchste, nach Hause zu kommen und zu wissen, dass ich meinen weiteren Weg mit meinem Partner beschreite, zu wissen das wir füreinander da sind und uns unterstützen.

    Ich finde es immer wieder erschreckend, auf welch Reaktionen man stößt, wenn man solch Gedankengut gegenüber Anderen äußert und wie sich dieser „Virus“ in vielen festgesetzt hat, dass es sich hierbei um etwas absolut Falsches handelt, obwohl es diese Art der Beziehungen schon länger als dieses Jahrhundert gibt.

    Was tut mehr weh? Das Geheime, hinter dem Rücken seines Partners oder das offene Gespräch darüber, seine Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen zu äußern und zu versuchen, gemeinsam auf einen Nenner zu kommen und ggf. einen gemeinsamen Weg einschlagen, Erfahrungen sammeln, anstatt es zu Verheimlichen, Eifersucht und misstrauen zu schüren und dem Anderen nicht mal die Chance zu geben, sich damit auseinander zu setzten und entscheiden zu können ob man selbst diesen Weg mitgehen möchte/kann. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich leider viel zu oft die Erfahrung gemacht, dass in einigen Partnerschaften einfach viel zu wenig geredet wird. Was man mit guten Freunden bis ins kleinste Detail auseinander pflückt und sich ungezwungen über so ziemlich alles unterhält und auch amüsiert, ist es in manch einer Beziehung der größte Horror darüber zu sprechen.

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