weiblich, ledig, kinderlos…

Die Ehe ist ein überholtes Modell. Es ist ungerecht, weil es alternative Familienkonzepte ausschließt und weil es im Sprachgebrauch Assoziationen hervorruft, die nicht mehr mit den realen Lebensverhältnissen übereinstimmen – zumindest nicht mit meinen, das merkte ich jüngst sehr deutlich. Denn für meinen zukünftigen Arbeitgeber mußte ich einen Fragebogen ausfüllen, in dem unter anderem auch mein Familienstand abgefragt wurde. Ledig, kinderlos, schrieb ich hin, weil das formaljuristisch korrekt ist. Dann dachte ich mir aber, dass der Arbeitgeber durch solche Wortwahl sicher eine falsche Idee bekommt. Arbeitgeber freuen sich ja, wenn sie familienlose, also flexible Arbeitnehmer haben, die sie auch mal spontan in die Welt hinausschicken können, ohne dass das jemanden stört. Das geht aber bei mir nicht und ich möchte auch nicht, dass mein Arbeitgeber auf solche Ideen kommt, denn in Wirklichkeit habe ich einen Mann und ein Kind. Das Kind habe ich nicht geboren, aber es lebt bei mir und meinem Mann, weil es von meinem Mann ist, mit dem ich aber nicht verheiratet bin. Niemand, der mich kennt, assoziiert mein Familienverhältnis mit ledig und kinderlos; es mangelt der Sprache schlicht an formaljuristischen Begriffen, die meine familiäre Situation adäquat beschreiben. Man muß sich davor hüten, das Denken an diesem sprachlichen Mangel auszurichten, deshalb schrieb ich in Klammern dahinter: unverheiratet, 1 Stiefkind.

Sowieso bin ich dafür, die Ehe als singulären, staatlich subventionierten Partnerschaftsvertrag abzuschaffen, so dass alle Formen des familiären Zusammenlebens gleichberechtigt nebeneinanderstehen, homosexuelle, polyamouröse, gepatchte, eben alle. Ich habe mal eine sehr schöne Definition von Familie gelesen, die aus dem Mund eines Kindes stammt, das in einer sogenannten Patchworkfamilie aufgewachsen ist: Familie ist überall dort, wo man an den Kühlschrank gehen kann, ohne fragen zu müssen.

4 Kommentare zu “weiblich, ledig, kinderlos…”

  1. linespur
    Dezember 4th, 2007 22:02
    1

    Grüß Dich levamp,

    ausgerechnet das hat mich heut nachdenken lassen – nicht über fehlende Begrifflichkeiten allerdings. Meiner Ansicht nach wäre es legitim, in einer solchen Situation von „meinem Kind“ zu sprechen, auch wenn es eben nicht unter Schmerzen … Die Verantwortung für kommende Tage ist es in meinen Augen, die diesen Satz prägt; ich sähe in diesem Falle das Künftige als das Wesentliche an, nicht die Vergangenheit, die oft genug bedeutungsschwer mir scheint. „Mein Kind“ schaute erstaunt, als ich das erste Mal sie in einem Geschäft so nannte – der Einfachheit halber – und hat sich nun doch an diesen Wortlaut gewöhnt.

    Bezüglich der Ehe trüge meine Einschätzung andere Trübnis: Oftmals ist es wohl doch das ‚für immer‘, dass die Menschen davor schreckt und darüber habe ich mir kürzlich ein paar Gedanken gemacht. Da werte auch ich vielleicht ob der eigenen Unfähigkeit, ein für immer zu ertragen? Doch das führt heute zu weit.

    Kühlschränke, die sollten auch Freunde hier ungefragt öffnen dürfen – und das ist wahrscheinlich dann doch von der Wahrheit dieses Kindes nicht so weit entfernt und wohl auch nicht von Deiner: Auch Freunde sind halt ein stückweit Familie… *smile*

    Auf dann und gib Acht auf Dich
    Nina

  2. LeV
    Dezember 5th, 2007 02:56
    2

    Freunde sind Familie. Diejenigen, zwischen denen eine Verwandtschaft im Geiste besteht, sind es, die freiwillig und aus innerem Bedürfnis heraus Verantwortung füreinander übernehmen. Dies muß nicht „für immer“ sein – schließlich weiß man nie, was kommen mag und dann in einem Ehevertrag gefangen zu sein, bringt einen eher dazu, Hass füreinander zu entwickeln, wo man sich ohne Vertrag vielleicht hätte in gegenseitigem Einverständnis oder zumindest ohne Rosenkrieg trennen können. Füreinander Dasein, einander Vertrauen und Geborgenheit schenken – das kann man auch ohne Vertrag. Das kann ich auch, ohne einen jungen Menschen, um den ich mich kümmere, „mein Kind“ nennen zu müssen. Das Kind gehört mir nicht und spräche ich so, hätte ich Angst, mich als Konkurrenzmutter darzustellen. Ich möchte aber lieber Zu-, nicht Ersatz sein.

  3. Tilly
    Januar 3rd, 2008 14:42
    3

    Freunde sind wegen der geistigen Verwandschaft Familie. Das gefällt mir sehr gut. Von unseren Kindern können wir lernen (s. zum Begriff Familie – ungefragt an den Kühlschrank dürfen). Die Bezeichnung „Stiefkind“ gefällt mir nicht so gut. Ist wahrscheinlich aus der Geschichte zu negativ belegt. Kinder sind eigene Persönlichkeiten und gehören uns nicht. Sie gehören zu uns, sind Motor unseres Lebens und bereichern unser Leben.
    Den Familienstand „unverheiratet“ sollte man tatsächlich gelten lassen. Gute Idee. Was fängt der „Arbeigeber“ (auch so eine besdcheuerte Bezeichnung) mit dem Familienstand „geschieden“ an? Diese Angaben helfen dem „Arbeitgeber“ bei einer Bewerbung nicht wirklich. Sie haben überhaupt nur einen formaljuristischen Zweck.

  4. LeV
    Januar 3rd, 2008 15:34
    4

    Na ja, das einzige, was ich mir vorstellen könnte, was den Arbeitgeber dabei interessiert, ist, wie flexibel der Arbeitnehmer ist. Familie –> unflexibel, aber was ihn das ansonsten angeht ist mir auch unklar. Außerdem könnte danach wieder ein Nachteil für all jene entstehen, die sich für Familie entscheiden.

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