Kollateralschäden – collateralmurder.com

Collateral Murder

Nachdem im „internationalen bewaffneten Konflikt“ in Afghanistan nun drei deutsche Soldaten „für das Vaterland gefallen“ sind, erlaubt Verteidigungsminister Guttenberg endlich den Gebrauch des unschönen und tabuisierten Begriffs „Krieg“ in der Umgangssprache (s. Kriegsrhetorik mit Widersprüchen). „Friedensmission“ war auch so ein Euphemismus, den wir uns lange anhören mußten.

Was die „Koalition der Willigen“ 2003 im Irak begann, war aber ein Krieg, ein Präventivkrieg sogar, der mit der akuten Bedrohung begründet wurde, die vom Irak ausgehe. Am 12. Juli 2007 wurden dort zwei Reuters-Journalisten und neun bis 14 weitere Zivilisten, darunter wohl auch zwei Kinder von US-Militärs aus einem Hubschrauber heraus angegriffen und getötet. Die Whistleblower-Seite WikiLeaks hat heute während einer Pressekonferenz in Washington ein entsprechendes Video veröffentlicht, das die Bluttat dokumentiert. Trotz seiner Brisanz hat es diese Story bisher nicht in die Mainstreampresse geschafft. Bevor sie totgeschwiegen wird, blogge ich sie hier lieber. Vielleicht wollt ihr das ja auch tun.

Reuters hatte nach dem Vorfall 2007 mehrfach erfolglos versucht, über den Freedom of Information Act (FOIA) an den Videomitschnitt des US-Militärs zu gelangen (s. Reuters seeks US army video of staff killed in Iraq). 2007 hatte bereits die New York Times über den Angriff und die Tätung der Journalisten berichtet (s. 2 Iraqi Journalists Killed as U.S. Forces Clash With Militias). Das US-Militär behauptete zunächst, nichts mit dem Angriff zu tun zu haben und sagte später, es habe sich um bewaffnete, shiitische Milizen gehandelt. Das auf Wikileaks veröffentlichte Video zeigt aber deutlich, dass es sich um unbewaffnete Zivilisten handelte. Im Audiostream, einem im Video transkribierten Mitschnitt des Funkverkehrs der Militärs, sind zudem abschätzige, unterkühlte und gehässige Kommentare der US-Soldaten, sowie Gelächter über die Situation zu vernehmen.

Das Video sowie dazugehörige Dokumente können unter http://collateralmurder.com abgerufen werden. Vorsicht, es ist wirklich bedrückendes und erschütterndes Material.

Update #1: 6.4.10, 10:30 Uhr

Wir hatten gehofft, wenigstens heute Morgen Berichterstattung in der deutschen Mainstreampresse zu finden. Aber außer der Frankfurter Rundschau, dem Handelsblatt und ein paar kleineren Medien hat es hierzulande keine Redaktion für wichtig erachtet, das Thema aufzugreifen. Schließlich geht es ja nicht um uns! Qualitätsjournalismus.

In den USA gab es Berichterstattung seit den frühen Abendstunden: AP, MSNBC, NYTimes und die englischen Mirror und Guardian brachten Beiträge. Aber insgesamt bleibt es viel zu ruhig angesichts des Inhalts des Videos.

Update #2: 6.4.10, 13:20 Uhr

Die Sueddeutsche ist das erste größere, deutsche Blatt, das etwas zu dem Video bringt (s. Video zeigt US-Soldaten bei Blutbad an Zivilisten).

Update #3: 7.4.10, 01:10 Uhr

Also im Verlaufe des Tages sind dann auch die deutschsprachigen Medien noch aus dem Osterurlaub zurückgekommen und haben über das Video berichtet. Es gab sogar einen Bericht in der Tagesschau vom 6.4.: s. Tagesschau über Wikileaks.

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