Guttenberg hat abgeschrieben
Ganz ehrlich, ich glaube ja, der hat gar nicht abgeschrieben, sondern hat abschreiben lassen – natürlich nicht absichtlich. Aber das konnte ja Keiner ahnen, dass der Ghostwriter sich da einen Flockigen macht. Man hätte das natürlich, in Anbetracht des Plans, sich als Politiker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu begeben, vor der Abgabe mal genauer prüfen können. Muß man ja als Mitglied der finanziellen Elite auch nicht selbst machen, sondern kann das genauso gut „outsourcen“, wie das Verfertigen einer Promotionsarbeit selbst. Denn das ist ja schon ganz schön peinlich jetzt, in solch einem Kontext und in solch einer Position beim Betrügen erwischt zu werden!? Von einem so aalglatten Minister erwartet man schließlich, dass er weniger schlampig agiert. Das hat ja selbst Kristina Schröder besser hingekriegt (Link)!
Dabei hat man es ja als Wissenschaftler heutzutage viel besser, als bspw. als gewöhnlicher Musik- oder Filmkonsument (Nutzung = illegaler Raubkopie). Man darf sich des geistigen Eigentums Anderer durchaus ungefragt bedienen – so man denn die Quelle angiebt, ist das sogar total sinnvoll und akzeptiert. Das Wissen darum, wie und wann man Quellen anzugeben hat, d.h. wie man zumindest formal korrekt wissenschaftlich arbeitet, ist Lehrstoff des Grundstudiums. Dr. Guttenberg mit den Worten, das sei ja gar kein Plagiat, sondern nur schlechter Wissenschaftsstil (Link), verteidigen zu wollen, erscheint lächerlich. Immerhin ist eine Promotion der Versuch, die Doktorwürde zu erlangen und nicht die Hausaufgabe eines Erstsemesters. Und es ist ja auch nicht so, als hätte der Verteidigungsminister da beim Paraphrasieren eine Fußnote vergessen. Nee, da sind ganze Passagen wortwörtlich kopiert! Man kann sich davon bei GuttenPlag inzwischen selbst ein Bild machen (Link). Der Mann hat für die Arbeit einer Anderen ein Summa bekommen. Wie widerlich unethisch ist das denn bitte!?
Vielleicht regt mich das gerade deshalb so besonders auf, weil ich seit Wochen täglich 8 Stunden sitze, für meine Prüfungen lerne und mich auf meine Magisterarbeit vorbereite. Ich bin Langzeitstudentin, habe fast zehn Jahre studiert und muß mich immer und immer wieder dafür rechtfertigen, warum ich denn solange für mein Studium brauche. Leute, ich brauche nicht solange, sondern ich habe mir die Zeit genommen, weil es Spaß macht, weil es mich interessiert und weil ein Geist einfach eine gewisse Zeit zum Reifen braucht. Dieser Aspekt geht dem Studium seit der Umstellung auf Bachelor nun gänzlich ab – das ist nur noch ein formales Absitzen, Spruch aufsagen, Stempel kriegen. Insofern kann man es Guttenberg vielleicht nicht mal vorwerfen, auf die Ideen anderer zurückgreifen und sie als eigene ausgeben zu müssen. Man wird ja heutzutage gar nicht mehr darauf vorbereitet, je selbstständig einen eigenen Gedanken zu entwickeln. Und wenn die Universität anstelle von Wissenschaftlern nur noch Buzz-Word-Automaten produziert, dann erscheint es naheliegend und pragmatisch, die Arbeit gleich jemand anderem zu überlassen. Warum sollte man Zeit und Nerven in etwas stecken, was sowieso nur dem Schönen Schein genügt!?
Das traurige daran ist, dass sich in unserer Gesellschaft zwar alle über Guttenberg aufregen, aber trotzdem andauernd gegen Menschen gewittert und agiert wird, die ihrem (brotlosen, sinnlosen) Studium mit einer gewissen Leidenschaft nachgehen. Mein Betreuer meinte zu mir, man kann eine Magisterarbeit, die allen formalen Ansprüchen gerecht wird, ohne großen Aufwand schreiben oder man kann sich ein spannendes Thema suchen und diese Gelegenheit für erstes ernsthaftes wissenschaftliches Arbeiten nutzen. Dass er für die zweite Variante überhaupt offen ist, rechne ich ihm echt hoch an.
Februar 19th, 2011 03:03
Ich wünsche Dir viel Erfolg bei den Prüfungen. Schön zu lesen, dass Du einen guten Betreuer erwischt hast. In der Wissenschaft dürfte es durchaus honoriert werden, wenn man eine Sache gut gemacht hat.
Gutti regt mich als Doktorand auch auf. Ich könnte mir das nicht im geringsten erlauben, und ich könnte mir zwei Beine ausreißen und würde wohl immer noch kein Summa cum Laude bekommen. Da gibt’s eigentlich nur noch einen Weg: Aberkennung des Titels. Alles andere ist ein Schlag ins Gesicht für Tausende, die sich alle Mühe geben, ihre Hausarbeiten, Abschlussarbeiten oder Dissertationen gewissenhaft anzufertigen.
Aber die Politik schlägt der Wissenschaft ja gerne öfter mal ins Gesicht.