Précis: Sprechhandlung und Sprachwerk; Sprechakt und Sprachgebilde

Précis sind kurze Zusammenfassungen der wichtigsten Thesen und Argumente wissenschaftlicher Fachaufsätze. Die meisten schrieb ich im Grundstudium zu sprachtheoretischen Texten.

Diesmal bespreche ich wiederum einen Auszug aus Bühlers „Sprachtheorie“, diesmal den Abschnitt „Sprechhandlung und Sprachwerk; Sprechakt und Sprachgebilde“, der mich vor allem deshalb beeindruckte, weil darin die Auffassung von Sprachgebilden als Werke eines zielgerichtet formenden Sprechers etabliert wird; ein Umstand, der mein eigenes Dichten stark beeinflußt hat.

Sprechhandlung und Sprachwerk; Sprechakt und Sprachgebilde ~ Karl Bühler

Im Abschnitt „Sprechhandlung und Sprachwerk; Sprechakt und Sprachgebilde“ seiner „Sprachtheorie“ klärt Bühler den Inhalt und die Bedeutung der vier genannten Termini. Er beginnt, indem er darauf hinweist, dass jedes konkrete Sprechen nicht nur in Handlungen eingebunden, sondern auch selbst Handlung sei, da es auf ein Ziel hin gesteuert würde und alle zielgesteuerten Tätigkeiten des Menschen Handlungen seien.
So beschreibt er zunächst die Sprachhandlung und das Sprachwerk, die in ihrer Konstitution beide Handlungen seien, sich jedoch dadurch unterschieden, dass sie unterschiedliche Ziele anstreben. Zielgesteuertes Sprechen entstünde, „wo das in einer Konzeption vorweggenommene Resultat des Tuns schon prospektiv die Betätigung am Material zu steuern beginnt und wo dann schließlich das Tun nicht mehr zur Ruhe kommt, bevor das Werk vollendet ist.“ (p.57, unten). Somit steht die Sprechhandlung unter dem Merkmal, dass das Werk (die empraktische Rede) dann vollendet ist, wenn es die Aufgabe, das praktische Problem der Situation zu lösen, erfüllt hat. Das Sprachwerk entsteht jedoch, wo ein Sprecher schaffend an der adäquaten sprachlichen Fassung eines gegebenen Stoffs arbeitet.
Die Sprechhandlung sei, laut Bühler, eingebunden in die aktuelle Sprechsituation der Sprecher, das Sprachwerk jedoch nicht. Letzteres „will entbunden aus dem Standort im individuellen Leben und Erleben seines Erzeugers betrachtet sein.“ (p. 58, oben). Es sei ein Sprachprodukt, welches der aktuellen Sprechsituation enthoben ist und selbstständig/autonom existiert und würde auf seine Entbindbarkeit aus der individuellen praktischen Kreszenz hin vom Sprecher gestaltet. Im Falle des hochgeübten kultivierten Sprechens flössen beide Sprecharten jedoch z.T. untrennbar ineinander.

Weiterhin sagt Bühler, dass hervorragende Sprachwerke der Forschung in einmaligen Zügen von besonderer Qualität bedeutsam seien, wobei jedoch Sprachkunstwerke der Lyrik, Dramatik oder Epik gemeint sind. Sinnvoll erscheint ihm auch die wissenschaftliche Betrachtung der Sprachwerke von bspw. Kindern, da auch für die Erfassung des Einzelnen geeignete Kategorien entwickelt werden müssten.

Für eine Theorie der Sprechhandlung hat die Psychologie einige Grundlagen geschaffen. So wird der Begriff „Handlung“ gemein als historischer Begriff betrachtet, was heißt, dass eine Handlung sich nicht punktuell, sondern im Verlauf vollzieht. Bühler selbst sieht in der Handlung zwei Determinationsquellen, das Bedürfnis und die Gelegenheit, wodurch sich das Aktionsfeld einer Handlung in zwei präsente Bestimmungsmomente der inneren und äußeren Situation gliedert. Die Einsicht der Duplizität des Aktionsfeldes und der nur historischen Fassbarkeit einer Handlung sieht Bühler als besonders wichtig an. Dahingehend sei die Historie einer Sprechhandlung vom ersten Auftauchen der Idee bis zur eigentlichen Handlung eine Aktgeschichte („Akt“/“agieren“ von lat. agere, actum). Die Diskussion, ob das Gehirn dabei analytische (ausgliedernde) oder synthetische (aufbauende) Arbeit leistet, sei für die Untersuchung der Aktgeschichte heute nicht mehr relevant.

Wie sich aus der Untersuchung des konkreten Sprechens („Parole“) eine Wissenschaft der Sprache („Langue“) allgemein ergeben könnte, zeigt der logische Charakter der Sprachgebilde (Sinn und Lautzeichen), den Bühler aufzeigt. So sei eine wichtige Erkenntnis der Sprachwissenschaft, dass Sprachgebilde als Produkt der Sprechhandlung oder als Sprachwerk aus den Umständen der konkreten Sprechsituation ablösbar sind. Die schematischen Relationen von Sinn und Lautzeichen würden den Gegenstand „Sprache“ konstituieren. Die Sprachgebilde selbst hätten intersubjektiven Charakter. Somit sei die Sprache als „Langue“ unabhängig vom einzelnen Sprecher und bestünde nur kraft einer Art Konvention zwischen den Gliedern der Sprachgemeinschaft. Darin begründet sich auch die These von der Idealität des Gegenstandes „Sprache“, der innerhalb der konkreten Sprechsituation so nie in Erscheinung treten wird, sondern nur bruchstückhaft in den Sprachgebilden, die ihn konstituieren, existent ist.

Juni 2004

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Quelle: Bühler, K. Sprachtheorie. (Auszüge), 1934, in: Hoffmann, L. (Hrsg.) Sprachwissenschaft. Ein Reader. De Gruyter, Berlin/NewYork, 1996

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