Deutsche Metrik – so funktioniert’s

Immer wieder wollen User von mir wissen, wie man das Metrum von Gedichten bestimmt oder wie man selbst metrische Verse schreiben kann. Das ist eigentlich ganz einfach, wenn man erst einmal begriffen hat, was es mit der Metrik überhaupt auf sich hat. Metrisch ist eine (deutsch-)sprachliche1 Äußerung nämlich dann, wenn sie eine regelmäßige Abfolge von betonten und unbetonten Silben aufweist. Und wer den Rhythmus nicht sowieso schon im Blut hat, der kann sich leicht über die Theorie eine Brücke bauen. Wie das funktioniert, möchte ich in diesem Post erklären. Sieben praktische Übungen für Anfänger und Fortgeschrittene sollen dabei helfen.

Betonung von Wörtern (Prosodie)

Für die Betonung von deutschen Wörtern gilt das Prinzip der Stammsilbenbetonung. Die Stammsilbe ist diejenige Silbe im Wort, die sich weder bei der Flexion noch bei der Derivation ändert. Die Wörter „Dich’ter“, „Dich’tung“, „dich’ten“, „Liebesgedich’te“ und „verdich’ten“ werden alle auf der Stammsilbe dich‘ betont, denn die Stammsilbe trägt den Akzent ‚.

Im Falle von „Lie’besgedich’te“ handelt es sich um ein sogenanntes Kompositium, also ein Wort, das aus mehreren anderen Wörtern (Basen) zusammengesetzt ist. Weil jedes beteiligte Wort seine eigene Stammsilbe mitbringt, gibt es auch mehrere betonte Silben. Die Betonung auf der ersten Stammsilbe ist meist am stärksten, deshalb spricht man vom Hauptakzent, die übrigen Stammsilben tragen Nebenakzente.

Aber wie jede Regel bestätigt sich auch die der Stammsilbenbetonung durch ihre Ausnahmen. Es gibt nämlich einige Affixe (Vor- und Nachsilben) im Deutschen, die einen Akzent an sich reißen können. Das sind z.B. die Vorsilbe „ur-“ wie in „ur’teilen“ und die Nachsilbe „-ei“ wie in „Bäckerei'“. Aber auch das Schwänzchen „-ieren“ wie in „kopie’ren“ ist akzentuiert. Die Präfixe „miß-“ und „wider-“ tragen den Hauptakzent, wenn sie ein Nomen bilden. Vergleiche dazu „Miß’gunst“ und „miß’günstig“ mit „mißgön’nen“! Die Präfixe „um-“ und „über“ sind nur akzentuiert, wenn sie Bestandteil von Adverb-Verb-Komposita sind. Vergleiche dazu „um’schreiben“ (etwas Geschriebenes ändern) mit „umschrei’ben“ (etwas mit anderen Worten erklären)! Und dafür, dass der Negationspartikel „un-“ manchmal akzentuiert („un’genau“) ist und manchmal nicht („unmög’lich“), habe ich bisher noch keine Erklärung gefunden.

Wem diese Ausnahmen jetzt zu verwirrend sind, den kann ich beruhigen. Denn ein einfacher Blick in den Duden hilft über die ersten Unsicherheiten hinweg. Die meisten Wörterbücher geben die Betonung an, z.B. durch Unterstreichung oder Unterpunktung der betonten Vokale oder durch das Akzentzeichen ‚ nach der betonten Silbe in der Lautschrift. Hilfreich ist das auch, wenn man mal auf ein eingedeutschtes Fremdwort wie „Mu’siker“, „Musik'“ und „musizie’ren“ trifft. In denen kann nämlich der Akzent oftmals wandern.

Übung 1: Nimm dir einen x-beliebigen Satz aus diesem Post, trenne mehrsilbige Wörter mit Bindestrich (-) und unterstreiche alle Stammsilben. Fortgeschrittene setzen ein Asterisk (*) hinter jede akzentuierte Konstituente. Beispiel: Nimm dir ei-nen x-be-lie-bi-gen Satz und un-ter-strei-che al-le Stammsilben!

Alternation von Hebungen und Senkungen (Metrik)

Im Unterschied zu prosodischen läuft in metrischen Texten die Abfolge von betonten (Hebungen) und unbetonten Silben (Senkungen) ganz geregelt ab. Im Sinne der Alternationsregel dürfen hier nämlich, abgesehen von Zäsuren und Kadenzen, keine zwei Hebungen direkt aufeinanderfolgen; es muß mindestens eine, und können maximal zwei Senkungen zwischen jeder Hebung stehen.

Befinden sich prosodisch betrachtet drei unbetonte Silben hintereinander, so nimmt die mittlere der unbetonten Silben die Aufgabe einer Hebung wahr. Ebenso übernimmt eine von zwei direkt benachbarten betonten Silben die Funktion einer Senkung, wenn sie ein einsilbiges Wort ist oder wenn sie Stammsilbe eines mehrsilbigen Wortes ist, aber nicht den Hauptakzent trägt (sondern einen Nebenakzent). Dieser Fall liegt u.a. bei dreisilbigen Komposita vor, deren erste Base einsilbig ist (Bauform: A[AB]-Kompositum). In einem metrischen Vers würde die zweite Silbe des Wortes „Tür’klin*gel“ demzufolge zu einer Senkung.

Es läßt sich also aus der Alternationsregel ableiten, dass es drei metrische Grundelemente gibt: 1. obligatorische Hebungen (Stammsilben mehrsilbiger Wörter, die den Hauptakzent des Wortes tragen und deshalb komme-was-wolle betont sind, sowie Silben in Kadenzposition), 2. fakultative Hebungen (einsilbige Wörter und akzentlose Nebensilben, wenn sie vor und hinter sich je mindestens einen akzentlosen Nachbarn haben) und 3. Senkungen (einsilbige Wörter und akzentlose Nebensilben, die vor oder nach sich eine akzentuierte Silbe haben, sowie Stammsilben mehrsilbiger Wörter, die nicht den Hauptakzent tragen und vorn oder hinten an obligatorische Hebungen grenzen).

Übung 2: Suche dir ein klassisches Gedicht deiner Wahl (moderne sind selten metrisch), trenne die Silben mehrsilbiger Wörter durch Bindestrich (-) voneinander ab und markiere alle obligatorischen Hebungen durch Akzent (‚) und alle fakultativen durch Asterisk (*). Fortgeschrittene setzen hinter jede Senkung, die eigentlich Stammsilbe eines mehrsilbigen Wortes ist, aber aufgrund ihrer Nachbarschaft zur Senkung wird, einen Unterstrich (_). Beispiel: Fül‘-lest wie‘-der Busch* und Tal* | still* mit Ne‘-bel-glanz‘ | lö‘-sest end‘-lich auch* ein-mal‘2 | mei‘-ne See‘-le ganz*.

Isometrie vs. Heterometrie

Aus der Kenntnis der prosodischen Wortbetonung und den Regeln der Alternation ergibt sich das Prinzip, nach dem Silben in einem metrischen Vers (oder zum Zwecke des Verfassens metrischer Verse) betont oder unbetont sein können oder müssen. Dies resultiert in fünf logischen Grundmustern (Füßen), in denen Hebungen (X) und Senkungen (x) metrisch kombiniert werden können: 1. Trochäus (Xx Xx = Ver‘-se schmie‘-den), 2. Iambus oder Jambus (xX xX = Ge-dicht‘ er-kannt‘), 3. Daktylus (Xxx Xxx = Dak‘-ty-lus Hän‘-de-kuß), 4. Anapäst (xxX xxX = An-na-päst‘ Pa-ra-dies‘) und 5. Amphibrachis (xXx xXx = Ge-dich‘-te ge-dich‘-tet).3

In einem metrischen Vers kann jedes dieser Grundmuster nun mit nahezu jedem anderen beliebig oft kombiniert werden. Am einfachsten ist es, denselben Fuß immer wieder hintereinander zu setzen: „Die dichten Dichter dichten Dichtungen und lichtes Licht erleuchtet Lichtungen.“ Aufpassen muß, wer einen Anapäst an einen Trochäus oder Amphibrachis hängt (xXx xxX), ebenso wer einen Daktylus einem Iambus oder Amphibrachis vorausgehen läßt (Xxx xXx). Die jeweils mittlere der drei aufeinanderfolgenden, unbetonten Silben tendiert durch ihre akzentlosen Nachbarn, zu einer Hebung zu werden und suggeriert dann den Eindruck eines rein zweizeitigen Metrums.

Für gewöhnlich trifft man in der Praxis rein zweizeitig (jeder zweite Schlag ist betont = Imabus/Trochäus) oder rein dreizeitig (jeder dritte Schlag ist betont = Daktylus/Anapäst/Amphibrachis) rhythmisierte Verse an, wobei jeder Vers einer Strophe die gleiche Zahl an Hebungen hat. Man spricht bei diesem Bauprinzip von Isometrie. Isometrie ist aber nicht die einzige Möglichkeit metrischen Versbaus. Durch die Kombination zwei- und dreizeitiger Füße innerhalb desselben Verses und unterschiedliche Anzahl der Hebungen in den Versen untereinander lassen sich Mischmetren etablieren, die sehr eigene, reizvolle Effekte mitbringen können. Man spricht in diesem Falle von Heterometrie.

Bei Goethes „An den Mond“ dürfte noch relativ klar sein, dass es sich um reine, abwechselnd vier- und dreihebige Trochäen mit starker Kadenz4 handelt. Bei Goethes „Erlkönig“ wird es schon schwieriger. Zwar finden sich hier durchgehend vier Hebungen pro Vers und ausschließlich starke Kadenzen, zwischendurch hoppelt es jedoch gewaltig, da an unterschiedlichen Stellen immer wieder dreizeitige Füße eingeschoben werden. Wirklich heterometrische Verse begegneten mir aber erst in den Lais der spätmittelalterlichen Spruchdichter.

„Ich wil, ich kan, ich muz gewern.
ich binz der lebende leitestern,
des nieman sol noch mag enbern.
min mut gut frut tut.
ich binz die stimme, do der alte leo lut
die sinen kint uf von des alten todes flut.
Ich binz die glut,
da der alte fenix inne sich erjungen wolte.
ich binz des edelen tiuren pelikanes blut
und han da allez wol behut.“5

Ein heterometrisches Metrum ist durchkomponiert, unvorhersehbar und beständig überraschend. Die Zeilen einer heterostrophischen Strophe6 können über den Endreim oder den Versbau (Rhythmus, Zahl der Hebungen) miteinander in Beziehung stehen, variieren aber beständig ihr metrisches Muster.7

Übung 3: Finde ein isometrisches Gedicht und bestimme sein Metrum! Fortgeschrittene finden ein heterometrisches Gedicht und bestimmen sein Metrum. (Ja, es gibt sie!)

Übung macht den Meister

Natürlich möchte, wer ein Dichter sein will, nicht mehr mit Wörterbuch sitzen und mit den Fingern Silben zählen. Das mag am Anfang gehen, aber irgendwann will man den Rhythmus eigentlich im Blut haben. Und das kriegen mit genügend Übung sicher auch die Unmusikalischen unter uns hin. Denn wenn man den Lignuisten glauben darf, ist die richtige Wortbetonung etwas, das wir schon im Bauch unserer Mutter gelernt haben und damit eigentlich intuitiv wissen. Es brauch also nur ein bisschen Übung, um sich dieses intuitive Wissen ins Bewußtsein zu rufen.

Übung 4: Dabei hilft uns das Skandieren, das bewußte Betonen aller Hebungen beim lauten Lesen metrischer Verse. Du kannst dir dafür ein metrisches Gedicht deiner Wahl nehmen und wieder alle Hebungen unterstreichen. Fortgeschrittene klatschen im gleichen Rhythmus wie ein Metronom in die Hände und positionieren beim Skandieren auf jeden Schlag eine Hebung. Wenn Profis das machen, hört sich das ungefähr so an:

[audio:jdd-erlkoenig.mp3]
© Junge Dichter und Denker8

Übung 5: Nun willst du aber bestimmt auch endlich selbst metrische Verse schreiben. Das nötige Rüstzeug hast du ja jetzt. Denke dir also zuerst ein Muster für eine Strophe aus. Mach es am Anfang nicht so kompliziert, du kannst dich später immer noch steigern! Nun brauchst du ein beliebiges Thema und am besten zwei Schlagworte, die sowohl zum Thema, als auch zum Metrum passen! Bedenke, dass du mindestens eine, möglichst aber zwei obligatorische Hebungen pro Vers einbauen solltest, damit dein Metrum eindeutig und nicht zu frei interpretierbar wird. Los geht’s! Ich beginne mal mit einem fünfhebigen Jambus.

Wie junge Triebe aus den Samen keimen,
wolln wir heut unsre Phantasie erproben
und metrisch rhythmisierte Verse reimen,
die iambisch über unsre Seiten toben.

Übung 6: Aber beim Dichten ist es ja nicht immer so, dass uns zuerst ein Metrum einfällt. In den meisten Fällen werden uns zuerst Wörter, Phrasen oder Themen durch den Kopf gehen, die wir bedichten wollen. Dir sind spontan die Wörter „Nasenbär“ und „Gurkenglas“ in den Sinn gekommen. Kannst du darüber ein metrisches Gedicht schreiben? Fortgeschrittenen sind übrigens spontan die Wörter „Füllfederhalter“ und „Paradiesvogel“ für diese Übung eingefallen. 😉

Übung 7: Am Schluß stellt sich raus, die hat gelogen, die LeV! Aufeinanderfolgende Hebungen funktionieren nämlich doch! Finde ein metrisches Gedicht, das zeigt, wie’s geht. Fortgeschrittene schreiben selbst eines.

Lösungen & Fragen

Natürlich bin ich gespannt auf deine kreativen Lösungen zu den Übungen 1-7. Du kannst sie hier gerne einstellen, um sie zu besprechen. Aber auch wenn du Fragen zur Betonung, zur Bestimmung von Metren oder zur Theorie drum herum hast, kannst du sie hier stellen.

Bibliographie

  • Arndt, Erwin: Deutsche Verslehre. Ein Abriß, Berlin 199513
  • Beyschlag, Siegfried: Altdeutsche Verskunst in Grundzügen, Nürnberg 1969
  • Blank, Hugo: Kleine Verskunde. Einführung in den deutschen und romanischen Vers, Heidelberg 1990
  • Bockelmann, Eske: Propädeutik einer endlich gültigen Theorie von den deutschen Versen; Tübingen 1991 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 50)
  • Breuer, Dieter: Deutsche Metrik und Versgeschichte, München 19994 (UTB 745)
  • Fix, Hans [Hrsg.]: Quantitätsproblematik und Metrik. Greifswalder Symposion zur germanischen Grammatik, Amsterdamm 1995 (AbäG 42)
  • Gasparov, M.L.: A History of European Versification, Smith/Tarlinskaja [Übs.], Smith/Holford-Strevens [Hrsg.], Oxford 1996
  • Heusler, Andreas: Deutsche Versgeschichte, 3 Bde., Berlin 1925-29 (Grundriß der Germanischen Philologie 8), wieder Berlin 1956 & 1968
  • Hoffmann, Werner: Altdeutsche Metrik, Stuttgart 19812 (Sammlung Metzler M64)
  • Jakobson, Roman: Poesie der Grammatik und Grammatik der Poesie, in: Roman Jakobson, Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1921-1971, Holenstein/Schelbert [Hrsg.], Frankfut/M. 1979, p. 233-264
  • Küper, Christoph: Metrik, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd.2, Berlin/New York 2000, p. 591-595
  • Küper, Christoph: Sprache und Metrum. Semiotik und Linguistik des Verses, Tübingen 1988
  • Paul, Otto/Glier, Ingeborg: Deutsche Metrik, München 19839
  • Saran, Franz: Deutsche Verslehre, München 1907 (Handbuch des deutschen Unterrichts an höheren Schulen 3.3)
  • Sebeok, Thomas A. [Hrsg.]: Style in Laguage, Cambridge Mass. 19642
  • von See, Klaus: Germanische Verskunst, Stuttgart 1967 (Sammlung Metzler M67)
  • Wagenknecht, Christian: Deutsche Metrik. Eine historische Einführung, München 1933 (C.H. Beck Studium)

[Bibliographie von Prof. Dr. Christoph März †]

________

  1. In anderen Sprachen, z.B. dem Französischen oder Lateinischen, geht es bei der Metrik nicht um betonte und unbetonte Silben. Hier spielen andere Kriterien eine Rolle, wie die Gesamtzahl der Silben im Vers oder deren Länge.
  2. Das Wort „einmal“ wird eigentlich vorne betont, aber Goethe schwebte hier wohl soetwas wie „ein Mal“ vor, wobei das „ein“ als unbestimmter Artikel fungiert.
  3. Ich finde die griechischen Bezeichnungen den Aspekten der deutschen Metrik nicht immer angemessen und versuche sie deshalb zu vermeiden. Auch beugt das der Fehlannahme vor, ein Vers müsse immer isometrisch sein.
  4. Kadenzen, also Versschlüsse, heißen bei mir stark oder schwach, weil ich als Frau im 21. Jhd. wirklich nicht mehr weiß, was das mit Männlein und Weiblein zu tun haben soll. Fachleute sprechen übrigens von oxytonischen (X), paroxytonischen (Xx) und proparoxytonischen (Xxx) Kadenzen.
  5. Heinrich von Frauenlob, Marienleich, Verse 12.10-19, zitiert nach Barbara Newman, „Frauenlob’s Song of Songs“, Pennstate University Press, 2007
  6. Ich nenne Abschnitte metrischer Verse nur dann Strophe, wenn sich größere Einheiten aus Endreim-Versbau-Kombinationen als identisches Muster erschöpfend wiederholen. (s. dazu „Wieviele Strophen hat ein Sonett?„)
  7. paraphrasiert aus Newman 2007 (s. 5.)
  8. Das hier mit freundlicher Genehmigung angeführte Musikstück ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht ohne Genehmigung der Rechteinhaber weiterveröffentlicht werden. Im Ernst!

35 Kommentare zu “Deutsche Metrik – so funktioniert’s”

  1. LeV
    Mai 17th, 2008 23:02
    1

    Zwei Fragen aus dem Gedichteforum.

    1.) Was ist mit dem Kretikus? 2.) Wird Stammsilbe wirklich auf Stamm und Silbe betont?

    1.) Der Kretikus (XxX) ist problematisch, wenn er zweimal hintereinander erscheint. Dann treffen nämlich zwei Hebungen aufeinander, was den Dichter aufgrund der Alternationsbestrebungen deutscher Verse vor größere Herausforderungen stellen dürfte. Aber im Grunde genommen sind diese Versfüße für unsere Sprache überhaupt irrelevant. Das versteht, wer erkannt hat, dass ein trochäisch und ein iambisch betontes Wort in ein und demselben Vers stehen können, ohne dass es holpert.

    2.) In der prosodischen, also der natürlichen Wortbetonung, wird „Stammsilbe“ tatsächlich auf „Stamm“ und „Sil-“ betont (XXx), wobei der erste Akzent Haupt- der zweite Nebenakzent ist. In einem metrischen Vers übernähme die Silbe mit dem Nebenakzent aufgrund der Alternation die Funktion einer Senkung, weshalb das Wort nur in dreizeitige Metren eingebunden werden kann (Xxx).

  2. Felixx
    Mai 21st, 2008 11:35
    2

    Ich finde, du solltest darüber ein populärwissenschaftliches Buch schreiben:
    „Über die Lust am Dichten“ oder so .. 😉

  3. LeV
    Mai 21st, 2008 12:48
    3

    Ach, ich habe doch mein populärwissenschaftliches Blog und ob man beim Dichten Lust empfindet, muß jeder selbst wissen. Ich habe es bisweilen oft als Qual empfunden, aber Lust und Qual liegen ja bekanntermaßen relativ eng beieinander.

  4. pringles
    Juli 22nd, 2008 15:46
    4

    Hallo Lev,

    ich denke man kann sehr wohl beim Dichten Lust empfinden und keine qualen, insofern die Betonungen einzelner Wörter und dessen Abfolge im sinnvollen Wortlaut einem ins Blut übergehen. dazu gehört Übung, welche du mit Sicherheit selbst auch besitzt.
    Zumindest denke ich, das im späteren schreiben einem die Betonungen nicht mehr erstrangig sind, denn irgendwann automatisiert man die Art seiner Betonungen, zumindest bei mir ist es so.
    Meine eigentliche Frage an dich.
    Kennst du oder verwendest du eine Art des Schreibens, die sich gleitend veranschaulicht? Sprich, du überlegst dir ein Grundthema, setzt an zu schreiben und schreibst in einem durch und dennoch wird alles nahezu gut? natürlich gibt es auch dann noch Abänderungen innerhalb des Textes vermutlich, diese sind aber oftmals sehr gering und beinhalten den logischen, wie auch grammatikalischen Aspekt, diese Art zu schreiben kann sehr viel Spaß machen, man muß sich nur auf sie einlassen denke ich.

    wie lange braucht ein durchschnittlicher Schreiber zum erstellen eines Gedichtes deiner Meinung nach und müssen für ein sehr gutes Gedicht immer Tage des Erstellens, durchdenkens, umschreibens und neuerfindens vergehen?
    Ich hoffe meine Frage klingt dir nicht zu fremd, ich frage aus reinem eigenen Interesse und weil ich gerne einmal hören wollte was du darüber denkst.
    glg pringles

  5. LeV
    Juli 22nd, 2008 18:37
    5

    Ich denke, wie lange ein Autor für ein Gedicht braucht, ist nicht nur individuell unterschiedlich, sondern auch von Text zu Text. Ich habe Gedichte innerhalb von wenigen Stunden geschrieben, andere brauchten mehrere Monate bis zu einem Jahr. Es kommt sehr darauf an, wie weit der Gegenstand des Gedichtes sich im Geiste bereits manifestiert hat und wie sehr bestimmte „Erzeugungstechniken“ auf ihre Wirkung hin abgetastet wurden. Wenn alles soweit klar ist, kann es manchmal sehr schnell gehen.

    Aber meine Erfahrung sagt: Ein Gedicht, das durch die Analyse seinen „Zauber“ verliert (und nicht etwa mehrt), hatte offenbar nicht genug Tiefgang, um andauernd „zauberhaft“ zu sein. Spätestens nach der Analyse wird es langweilig. Ganz egal wie lange daran also geschrieben wurde, es war offenbar noch nicht ausgereift.

  6. pringles
    Juli 23rd, 2008 13:04
    6

    Hallo, danke für deine Antwort.

    Wie schreibt man ein Jahr lang an einem Gedicht? Ich glaube ich wäre dazu nicht im Stande.
    Allerdings hätte man als Schreiber danach sicher den nötigen Abstand erreicht, insofern man sich nicht sogar gänzlichst davon entfernt hat, oder es einem sogar selber fremd wird, bzw. das geschriebene eine Eigenständigkeit entwickelt, die sich sogar dem Dichter selbst verschliesst.

    Dein Punkt mit der Analyse bringt mich zum Nachdenken.
    Bis jetzt war es bei mir so, das ich in meinen Gedichten sehr viel mehr tiefe sehe als andere und ich versuche diese auch offen zu legen und andere mit Schlüsselmomenten zum weiteren Nachdenken zu bewegen, aber oftmals erkennen andere diese nicht und gehen nicht weiter auf sie ein, oder sie kommentieren gar nicht erst was ich schreibe.
    Entweder kommt hier dein Argument zum tragen und die Leser denken von vornherein das sich meine Zeilen zum näheren Betrachten nicht lohnen, oder aber es kommt ein Argument zum tragen das mir andere schreiber schon mal per privater Nachricht zukommen lassen haben und zwar das ich zu kompliziert schreibe und ein auseinander pflücken meiner Worte mehrere Wochen dauern würde und sie deswegen keine Lust darauf haben.
    Meine Worte sind in meinen Augen sehr frei interpretierbar, ich habe viele metaebenen in meinen Werken welche es zu entdecken gibt und alles ist durchdacht, so bin ich zumindest der Meinung.
    Deren Argument das man zu lange zum entschlüsseln bräuchte bei manchen meiner Gedichte, an denen ich am längsten gesessen habe, ist für mich sehr verletzend.
    Muß es gleich auch schlecht sein, das man sich wochenlang um die Aufschlüsselung eines Gedichtes bemühen müsste? Ich dachte bisher der Knobelspaß an einem Gedicht ist das wichtigste am interpretieren und kritisieren, neben dem selber Verfassen eines Gedichtes versteht sich.
    Wie siehst du das?
    glg pringles

  7. LeV
    August 7th, 2008 11:07
    7

    Ein Gedicht zu schreiben, hängt ja nicht nur am Akt des Aufschreibens selbst fest. Da passieren im Vorfeld ja unglaublich viele Sachen, man versucht Formen, Verse, überlegt sich Szenerien und ein „Bühnenbild“. Bis soetwas soweit herangereift ist, dass man etwas gedichtartiges aufschreibt, kann schon mal seine Zeit vergehen.

    Auf der anderen Seite ist es natürlich naiv anzunehmen, jeder Leser würde da gleichsam mitgehen und einen nicht irgendwie für bekoppt halten. Natürlich versteht nur ein Bruchteil deiner Leser deinen Text und findet ihn dann auch noch gut. Aber hey, wenn du einen Großkreis an Schwärmern als Bestätigung brauchst, mußt du entweder eine Boyband gründen oder du schreibt Gedichte wie Erich Fried.

    Ich für meinen Teil finde es überhaupt nicht problematisch, wenn von 1000 Lesern, vielleicht zwei meinen Text verstehen, während 998 sich nur wundernd den Kopf schütteln. Wenn einer von den zweien dann meinen Text gut findet, dann weiß ich, dass ich jemanden gefunden habe, der auf meiner Wellenlänge tickt. Ist doch großartig! Wenn meine Texte jedem gefallen würden, müßte ich mich wundern und mich ernsthaft fragen, ob ich tatsächlich so besonders bin, wie ich immer gedacht habe. Dass ich für alle andere vielleicht ein schlechter Dichter bin, ist mir nämlich egal, solange ich davon nicht überzeugt bin. 😉

  8. pringles
    August 8th, 2008 14:23
    8

    he lev 🙂
    vielen dank für diese antwort
    du hast recht, wenn jeder das gleiche schreiben würde, wo wäre dann noch die originalität und wer wäre dann noch individuell und es kommt auch nicht darauf an wenn man erreicht, sondern wie das ergebnis ist…erreichen will man andere natürlich auch und wenn das geschieht ist es ein nettes beibrot 🙂
    vielen dank
    glg pringles

  9. Klemens
    Januar 30th, 2009 16:22
    9

    Ahoi LeV,

    auch ich bin über Deinen sehr klar formulierten Beitrag zur detuschen Metrik gestolpert. Darin gibt es eine Passage, zu der ich in der Literatur Fundstellen suche:

    „Im Sinne der Alternationsregel dürfen hier nämlich, abgesehen von Zäsuren und Kadenzen, keine zwei Hebungen direkt aufeinanderfolgen; es muß mindestens eine, und können maximal zwei Senkungen zwischen jeder Hebung stehen“

    Weißt Du noch, wo überall Du diese Erkenntnis in der Literatur gefunden hast.

    Viele Grüße

    Klemens

  10. LeV
    Januar 30th, 2009 16:38
    10

    Hallo Klemens, ich habe deine Frage mal aus dem Gästebuch hierher transferiert, wo ich sie beantworten kann und will. Die von dir zitierte Passage ist keine aus einem Buch abgeschriebene Regel, sondern fußt auf der Beobachtung der Alternation als regelmäßiger Wechsel von betonten und unbetonten Silben, die den Vers rhythmisch wirken läßt. Treffen jedoch zwei betonte Silben aufeinander und handelt es sich nicht um eine Nahtstelle, Zäsur, ein Versende, etc. erzielt das die Wirkung des „Holperns“. (Zumindest ist mir kein Beispiel bekannt, in dem es nicht so wäre.) Das metrische Muster wird dann durchbrochen, wenn auch nicht unweigerlich infrage gestellt.

    Für den Laien, dem es darum geht, selbst glatte Verse zu schmieden, formuliere ich daraus selbst die Regel: Vermeide aufeinanderfolgende Hebungen. Mir ging es mit diesem Artikel darum, hier ein praktisches Hilfsmittel an die Hand zu geben, weniger den Gelehrtendiskurs zu diesem Thema zu versammeln. Allerdings findet man Aussagen über Alternation in Zusammenhand mit Metrik durchaus auch in wissenschaftlichen Abhandlungen: Google Suche: Metrik Alternation. Woher ich den Begriff nun genau habe, das weiß ich leider nicht mehr.

    lg, LeV.

    ps.: Ich kenne das Poetron. Kannst du etwas zum Metricalizer erzählen? Ich habe ja immer davon geträumt, ein Poetron zu bauen, das metrische reimende Verse ausspuckt und meine, es wäre möglich, soetwas zu programmieren.

  11. Klemens
    Januar 30th, 2009 22:10
    11

    Ahoi LeV,

    vielen Dank für Deine Antwort. Das Interessante ist, dass die „Regeln“, die Du definierst, in den allermeisten Fällen zutreffen, ich aber noch in keiner Metrik die Regeln formuliert sah. Wir selbst benutzen beide Regeln auch für den „metricalizer“ (einem Programm zur automatischen metrischen Analyse), den man sich mittlerweile in einer Beta-Version auch im Netz ansehen kann.

    http://www.poetron-zone.de/metricalizer/generator.php

    Diese Netz-Version kann derzeit nur metrisch regelmäßige Verse / Strophen analysieren, offline sind wir schon einen Schritt weiter und können auch schon ganz gut unregelmäßige Gedichte analysieren. Am Ende, das ist auch unsere Idee, wird ein Programm stehen, dass in der Lage ist, selbständig metrisch geformte Gedichte zu schreiben. Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg. Unmöglich ist es aber nicht. In den nächsten Tagen wir ein Aufsatz dazu im „Jahrbuch für Computerphilologie“ erscheinen, in dem wir zunächst Methode und Technik des metricalizers erläutern:

    http://www.computerphilologie.de/

    Viele Grüße

    Klemens

  12. LeV
    Februar 1st, 2009 13:34
    12

    Das ist ja spannend. Ich hatte immer irgendwie das Gefühl, dass die Metriken mir praktisch nicht weiterhelfen. Sie hängen sich an griechischen Begriffen auf, die im Angesicht deutscher Verse mehr Probleme aufwerfen, als sie erklären können. Ich habe z.B. schon sehr früh angefangen, einfach zwischen Zwei- und Dreizeitigkeit zu unterscheiden, also der Frage, ob sich zwischen zwei Hebungen eher eine oder zwei Senkungen befinden. Ein Auftakt läßt sich auch besser als Auftakt verstehen, denn als iambischer Versanfang. Es gibt viele Parallelen zur Musik, aber auch Grenzen, in der ein sprachlicher Rhythmus ihr nachsteht. Beispiel: Doppelte Auftakte, soetwas funktioniert in der Musik einwandfrei. Hat man soetwas in einem Vers ohne melodische Anbindung vor sich, bedarf es oftmals gutem Willen, einen doppelten Auftakt (x x) zu erkennen und nicht etwa ein X x. Ich hatte auch mal einen Vergleich bei einem Text von Bas Bötcher gemacht (das ist ein Slampoet), wie sein nicht metrischer Text betonungstechnisch from scratch funktioniert und wie er dann im Sprechgesang rhythmisch taktiert umgesetzt wurde. Dazwischen lagen Welten, na klar, weil musikalischer Rhythmus viel differenzierter funktionieren kann. In der Sprache gibt es eben nur Betonung und nicht Betonung. Die regelmäßigen Muster, die damit zu bauen sind, sind überschaubar und alles, was nicht mustert, ist eben Prosa. Trotzdem kann Prosa prima in einen regelmäßigen musikalischen Rhythmus umgesetzt werden. Ich schlußfolgere daraus: Metrischer Rhythmus und musikalischer Rhythmus (zumindest in Mitteleuropa) funktionieren sehr verschieden und mit griechischen Längen und Kürzen kommt man da nicht weiter.

  13. Klemens
    Februar 2nd, 2009 13:14
    13

    im Prinzip muss man zwischen „Metrik“ und „Prosodie“ / „Satzakzent“ unterscheiden. Der metricalizer analysiert zunächst die Prosodie. Wir verstehen darunter die Betonungsbedingungen, die Wörter eingehen können. Das Wort „Garten“ wird z.B. immer auf die erste Silbe betont, egal, ob in einem Gedicht oder in Prosa. Ein Wort wie „und“ kann prosodisch betrachtet jedoch betont oder unbetont sein. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass Metriker sich nicht mit der Frage beschäftigen, wie Prosodie funktioniert, sondern immer davon ausgehen, dass man diese Regeln einfach beherrscht. Wir verwenden ca. 40 Regeln für die prosodische Analyse. Im Anschluss an die prosodische Analyse wenden wir die beiden Regeln der Euphonie an. Das sind eben die beiden Regeln, dass keine zwei betonten Silben nebeneinander liegen dürfen und keine drei unbetonten Silben in einem Vers nebeneinander stehen. Dadurch füllen sich einige Stellen, die über die Prosodie noch nicht bestimmbar waren. Erst dann analysieren wir das Ergebnis und prüfen, welche Metrik sich daraus ergeben könnte. Der Teufel steckt jedoch im Detail, da im Gedicht die Regeln der Prosodie verletzt werden können. So kann z.B. ein Wort wie „unachtsam“ im Gedicht auf die Silbe „acht“ betont werden. Metrik, das ist sehr interessant, erlaubt Verletzungen der Prosodie, keinem ist es bislang jedoch gelungen, eine Theorie zu formulieren, wie viel Verletzung erlaubt ist, damit ein Gedicht noch metrisch ist. Das Buch von Ch. Küper, das Du in Deiner Literatur führst, ist – glaube ich nichts anderes, als der Versuch, sich einer solchen Theorie einmal vorsichtig zu nähern.

    Auf den Rhythmus-Begriff verzichten wir derzeit noch vollkommen, da er von jedem irgendwie anders gebraucht wird. Mein Arbeitsverständnis des Wortes ist sowas wie „Interpretationsspielraum der Rezitation zwischen Prosodie, Metrik und Taktik“, wobei Taktik das musikalische Prinzip meint, dass Verse eines Textes gleich lang sein sollten/können. Mein Standardbeispiel ist hier:

    Es war einmal ein Hase
    mit einer roten Nase
    und einem roten Ohr
    Das kommt ganz selten vor

    Die andern wunderten sich sehr,
    wo kommt denn dieser Hase her.
    Er hat im Gras gesessen
    und frischen Klee gefressen …

    Wenn man diesen Text in einem 4/4-Takt durchklatscht, stellt man fest, dass auf das Wort „Hase“ zwei Klatscher fallen – und nicht, wie metrisch und prosodisch korrekt, ein Klatscher. Du verweist ja selbst auf Heusler und kennst wahrscheinlich demnach diese Theorie, die eigentlich völlig inkompatibel mit Hebungen und Senkungen ist, da der Akzent in der Takttheorie zeitlich ist, der Akzent nach Opitz jedoch gewichtend.

    Was den doppelten Auftakt anbelangt, so ist das eine theoretisch für mich noch unbeantwortete Frage. Es gibt zwar Gründe, wieso und wann man von zwei unbetonten Silben auszugehen hat (z.B. dann, wenn das Metrum in einem Text die Vierhebigkeit der Verse vorgibt, die aber mit freien Senkungen (einer oder zwei) gefüllt sein können – und Xx aus dem Vers einen 5-Heber machen würde. In vielen anderen Fällen habe ich nur ein klares Gefühl für die Richtigkeit einer Annahme, jedoch keine Theorie, die dieses Gefühl bestätigen könnte.

    Metrik-Theorie ist ein Molloch, ich freue mich über jeden, der gerne darüber diskutiert 🙂

  14. LeV
    Februar 4th, 2009 02:05
    14

    Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass Metriker sich nicht mit der Frage beschäftigen, wie Prosodie funktioniert

    Dieser Mißstand ist mir auch aufgefallen, weswegen ich immer damit anfange, die Wortbetonung zu erklären. Im Prosodischen kann ein Wörtchen wie ‚und‘ betont oder unbetont sein, einfach weil es in dem Sinne keine Stammsilbe hat (schließlich kann man ‚und‘ nicht flektieren o. Derivate bilden). Ich vermeine dennoch, dass jeder Mensch die Prosodie mit der Muttermilch aufgesogen hat, dass nur die Übersetzung von intuitiver Wortbetonung in Metrik irgendwie nicht gelingt.

    Wir verwenden ca. 40 Regeln für die prosodische Analyse.

    Wow, und ich dachte, ich käme mit dreien aus… Werdet ihr die in eurem Computerphilologie-Artikel besprechen oder wird es nur um die technische Umsetzung, Coding, etc. gehen? Geht eure Analyse über die Ebene der Wortbetonung hinaus und erkennt auch Betonungen auf Phrasen-/Satzebene, z.B. zum Zwecke der Emphase oder Beteutungsvariation? Über letzteres habe ich mir bspw. noch nie systematisch Gedanken gemacht, weil ich das für große Magie halte, was da mit der Sprache passiert und bezweifel, das man das irgendwie systematisch fassen kann.

    Regeln der Euphonie. Das sind eben die beiden Regeln, dass keine zwei betonten Silben nebeneinander liegen dürfen und keine drei unbetonten Silben in einem Vers nebeneinander stehen.

    Also imgrunde genommen das, was ich aus dem Phänomen der Alternation abgeleitet und aus mangelnder terminologischer Kenntnis behelfsmäßig als ‚Alternationsregel‘ bezeichne. Dann muß ich dich bitten, mir Tipps zur Literatur über diese Euphonieregeln zu geben. Ich dachte immer, ich wäre die Einzige, die so darüber denkt. 🙂

    Der Teufel steckt jedoch im Detail, da im Gedicht die Regeln der Prosodie verletzt werden können. So kann z.B. ein Wort wie “unachtsam” im Gedicht auf die Silbe “acht” betont werden.

    Ja, ich habe solche Ausreißer zum ersten mal an Demonstrativa bemerkt. Man kann z.B. ‚dieser‘, ‚diese‘, ‚dieses‘ wunderbar als zwei Senkungen in dreizeitige Metren einbinden, obwohl das von der Prosodie her nicht funktionieren dürfte. Daran hab ich mich schon ganz wundgescheuert, weil ich nicht begreife, warum es funktioniert.

    Metrik, das ist sehr interessant, erlaubt Verletzungen der Prosodie, keinem ist es bislang jedoch gelungen, eine Theorie zu formulieren, wie viel Verletzung erlaubt ist, damit ein Gedicht noch metrisch ist.

    Ich könnte mir vorstellen, dass das individuell verschieden ist und sogar von der Tagesverfassung abhängen könnte. Ich bin manchmal sehr sensibel für metrische/prosodische Störungen, manchmal bemerke ich sie gar nicht und wieder ein anderes mal, denke ich, dass die Störung den Vers aufwertet (s. Goethes „Erlkönig“). Ich habe auch bemerkt, dass Menschen, an deren metrischer Kompetenz ich nicht zweifle, bestimmte metrische Begebenheiten, die ich für eindeutig halte, anders wahrnehmen als ich. Ich rette mich über dieses Problem damit hinweg, dass ich davon Spreche, dass ein Vers mit ausreichend vielen obligatorischen Hebungen (Stammsilben mehrsilbiger Wörter) an den ‚richtigen‘ Verspositionen bestückt sein muß, damit sein Metrum eindeutig ‚etabliert‘ ist. Denn es kann vorkommen, dass ein Vers, dessen erste Hälfte komplett aus einsilbigen Wörtern besteht, zur Stolperfalle in einem sonst fließenden Metrum wird.

    Rhythmus […] Taktik

    Ja, die Worte sind der Musik entlehnt oder werden zumindest mit ihr Assoziiert. Da ich auch Musiker bin, habe ich ein weitreiches Verständnis für deren Bedeutung und Funktion innerhalb von Musik. Mit ihrer Anwendung auf sprachliche Phänomene fühle auch ich mich nicht so richtig wohl. Wenn Dozenten einem die Takt-Theorie der Metrik erklären wollen, beginnen sie Viertel- und Achtelnoten über den Vers-Silben an die Tafel zu malen und ihr mangelndes Verständnis für die Bedeutung musikalischer Zeichen zum Kritikpunkt an der Takt-Theorie machen. An der Takt-Theorie scheint mir aber viel Wahres zu sein, auch wenn der Begriff ‚Takt‘ in diesem Zusammenhang vielleicht nicht gerade günstig gewählt ist. Es geht hier um die Möglichkeiten der Einteilung von Sprechzeit in bestimmte periodische Abschnitte durch Silbenbetonung. Der ‚Takt‘ ist nicht die einzige Möglichkeit in einer solchen Folge Regelmäßigkeit zu imaginieren. Eher scheinen mir Konzepte wie ‚Mensura‘ und ‚Perfectio‘ (zwei der Musik/Mensuralnotation des 14. Jh. entlehnte Begriffe) mal auf ihre Tauglichkeit hin geprüft werden zu müssen, bzw. Modelle affrikanischer Musik-Rhythmik.

    wobei Taktik das musikalische Prinzip meint, dass Verse eines Textes gleich lang sein sollten/können.

    Ich glaube nicht, dass das mit Taktik gemeint ist, zumal man sehr bequem einen metrischen Text schreiben kann, ohne dass alle Verse gleich lang sind (Den frühling überwinden), was Heusler sicher bewußt war. Heusler schrieb: „Die geregelten Zeitspannen von Iktus zu Iktus sind die Takte.“ Ich glaube, er wählt dieses Wort, weil er aufgrund von Unkenntnis außereuropäischer oder zeitlich vorangegangener Modelle musikalischen Rhythmusses schlicht kein besseres wußte.

    Wenn man diesen Text in einem 4/4-Takt durchklatscht, stellt man fest, dass auf das Wort “Hase” zwei Klatscher fallen – und nicht, wie metrisch und prosodisch korrekt, ein Klatscher.

    Genau und deshalb ist es Unsinn bei einer metrischen Analyse von einem preußischen Marschrhythmus auszugehen. Es gibt so viel mehr Möglichkeiten der Taktierung oder wie man die Zeitspanne von Iktus zu Iktus nun nennen mag. Die Takt-Theorie hinkt, aber sie liefert auch wertvolle Erkenntnisse, die anderen Theorien abgehen.

    Du verweist ja selbst auf Heusler und kennst wahrscheinlich demnach diese Theorie, die eigentlich völlig inkompatibel mit Hebungen und Senkungen ist, da der Akzent in der Takttheorie zeitlich ist, der Akzent nach Opitz jedoch gewichtend.

    Ich kenne die Theorie und habe, wie oben erklärt, meine Probleme mit ihr, halte aber die von dir gelieferte Erklärung für deren Inkompatibilität auch nicht für korrekt. Wer sagt dir, dass nicht auch sprachliche Akzente eine zeitliche und musikalische eine gewichtende Dimension haben. Ohne einen zeitlichen Verlauf wäre Metrik unmöglich, ebenso wohnt der Idee von Takt ein Verständnis für Gewichtung inne. Dort liegt der Hund für m.E. nicht begraben.

    Metrik-Theorie ist ein Molloch, ich freue mich über jeden, der gerne darüber diskutiert

    Ja, das geht mir genauso. Ich bin begeistert, dass mich jemand gefunden hat, der nicht anfängt zu gähnen, wenn ich von Metrik anfange. Ich finde dieses Thema äußerst spannend, gerade weil ich die Beobachtung gemacht habe, dass die gängigen Theorien mir mein „klares Gefühl für die Richtigkeit einer Annahme“ oftmals nicht erklären können und ich darüber weiter nachdenken muß.

  15. Klemens
    Februar 6th, 2009 14:50
    15

    Ahoi LeV,

    ich schicke Dir die Tage einmal per E-Mail den „Regelsatz“ des metricalizers zu. Das Papier ist allerdings weit davon entfernt, fertig zu sein. Für die „Computerphilologie“ haben wir nur einige Regeln erklärt und dieses Papier speist sich zum Großteil aus den sehr unausgegorenen Kommentaren, die ich zu den einzelnen Regeln im Code vermerkt habe.

    Vielleicht kannst Du ja einmal deine Ideen zur „Taktik“ hier konkretisieren, das würde mich interessieren. Ich habe z. B. nie verstanden, welchen Takt Heusler auf einen Text legt und warum und ob diese Entscheidung theoretisch reproduzierbar ist. Mich interessiert das besonders vor dem Hintegrund, ob es möglich sein könnte, über die Takt-Theorie Regeln zu entwerfen, die bei der künstlichen Sprachausgabe von Gedichten helfen könnten.

  16. LeV
    Februar 6th, 2009 17:53
    16

    Oh, das finde ich super, dass du mir das Paper zuschicken möchtest. Du findest meine Adresse unten im linken Seiten-Menü. Meine Ideen zur Taktik mal zu konkretisieren, ist ein verdammt guter Plan. Bisher ist das bei mir noch alles solch eine lose Vorstellung zur Aufteilung von Silben in Zeit, bei der die einzige feste Größe vielleicht die Periode von Hebung zu Hebung darstellt. So bekommt man zwar einen deklamatorisch-skandierten Rhythmus, ob das dann aber als ausdrucksvolles Rezitieren von Versen durchgeht, ist eine ganz andere Frage.

  17. Jérémy
    März 9th, 2010 01:48
    17

    Hallo ! Ich bin Franzose und Student in Germanistik. Ich soll eine Analyse vom Antikriegsgedicht von Andreas GRYPHIUS, Thränen des Vaterlandes, machen!!! Könnte mir jemand helfen, die Hebungen und Sekungen sowie die Kadenz zu finden. Es wäre schön.

  18. LeV
    April 23rd, 2010 09:58
    18

    Hi Jérémy, wenn du lernen willst, wie man soetwas selbst und textunabhängig anstellt, helfe ich dir gern und hilft ja schon der obige Text, denke ich. Aber wenn du lieber eine vorgekaute Lösung präsentiert haben möchtest, bemüh doch mal die Google Suche. Der Text ist bekannt und es gibt zahlreiche Analysen davon im Netz.

  19. Jérémy
    April 23rd, 2010 11:46
    19

    LeV : Vielen Dank für deinen Hilfsvorschlag ! Aber der Professor an meiner Universität hat gesagt, „alles, was auf Internet zu finden ist“ sei sozusagen irgendeiner Quatsch. Er hat mich verbessert, indem er das Gegenteil sagte: für ihn ist ‚Thränen des Vaterlandes – Anno 1636‘ von GRYPHIUS kein Antikriegsgedicht, sondern ein echter Kriegsgedicht. So dieser Professor sei dieses Gedicht (und allen voran die Endpointe) eine Warnung vor den Katholikern (siehe Anspielung auf den Prager Frieden von 1635), die die geistliche Macht zu erorbern versuchten (gegen die Protestanten, natürlich).

  20. LeV
    April 26th, 2010 10:09
    20

    Anstatt dass dir der Professor sagt: „Überprüfen Sie doch selbst, ob Sie das im Internet Geschriebene für sinnvoll halten oder nicht!“ Nee, Internet? Alles Quatsch! Sag deinem Professor doch mal, dass er seine Studenten gern dabei unterstützen darf, ein wenig Medienkompetenz zu entwickeln und sich selbst im übrigen auch.

    Wie dem auch sei, die Frage, ob es sich um ein Kriegs- oder AntikriegsGedicht handelt, ist eine der Interpretation und nicht der strukturellen Analyse. Paßt also auch überhaupt nicht in diesen Faden.

  21. Anqu
    September 4th, 2010 11:31
    21

    Hallo, dass ist echt eine gute Seite, aber bin leider nicht weiter gekommen.
    muss für die Schule ein Gedicht bearbeiten. Georg Rudolf Weckherlin „Die Lieb ist Leben und Tod“. Kannst du mir vielleicht verraten welchen Versmaß das Gedicht hat?
    Leibe Grüße Anqu

  22. Klemens
    September 4th, 2010 11:58
    22

    Anqu, sag Deinem Lehrer / Deiner Lehrerin, dass diese Aufgabe zu schwer ist. Normalerweise würde ich sagen, finde es selbst heraus, aber in diesem Fall helfe ich Dir gerne.

    Das Gedicht ist ein jambisches Sonett. Die Schwierigkeit liegt nun darin, dass Weckerlin massiv gegen den Wortaktenz arbeitet:

    Hier z. B.:

    Ja ü ber den Tod selbst ist mein trost lo ses Le ben
    – + – + – + – + – + – + –
    0 0 0 2 1 0.5 0 0.5 1 1 0 0 0

    Überall, wo keine 0 unter der Silbe steht, baut Weckerlin Passagen ein, in denen er gegen den Wortakzent metrisiert.

    Ein Wort wie „Tod“ auf eine Senkung zu legen ist zwar möglich, aber ohne massive Kenntnis von Metrik kommt man da nicht hin. Im gleichen Vers auch noch „trostloses“ -+- zu metrisieren, macht den Vers quasi unerkannbar.

    Sag Deiner Lehrerin / Deinem Lehrer, er/sie soll Dir mal erklären, wieso das Gedicht jambisch ist. Da wirst Du maximal einen roten Kopf als Antwort erhalten – oder Ausflüchte. Man kann das schon erklären, aber dafür braucht man ungefähr 100 Seiten Theorie und 20 Seiten, die diese Theorie auf das Beispiel anwenden. Für eine Hausaufgabe vielleicht ein wenig viel.

  23. LeV
    September 18th, 2010 13:15
    23

    Hi Anqu, das ist ein interessanter Text, den kannte ich noch gar nicht. Klemens hat recht damit, dass man einen durchgehenden, periodischen Rhythmus hier nicht wirklich diagnostizieren kann. Die Aperiodik als solche ist aber m.E. periodisch, denn jede ungerade Verszeile (1,3,5,etc.) ist tatsächlich jambischer Sechsheber und nur jede gerade Verszeile „stolpert“ gegen die Wortakzente.

    Dies ist zumindest ein metrischer Befund, den man auf sein interpretatorischesn Potential hin mal abklopfen sollte. Also, was hat es zu bedeuten, dass der Dichter das so gemacht hat? Kann man das irgendwie aus dem Inhalt heraus erklären?

  24. Klemens
    Mai 14th, 2011 21:14
    24

    Nach ziemlich viel Mühe und Arbeit ist der Metricalizer² nun online:

    http://www.metricalizer.de

    Einfach mal ausprobieren und eure Eindrücke ins Gänstebuch der Seite schreiben!

    Klemens

  25. LeV
    Mai 16th, 2011 11:15
    25

    Hey, großartig, Klemens. Geothe hat mir gerade dieses Gedicht generiert:

    bedient jetzt warst sie weiß s hast
    geraubt dumb bringst dus heilet
    befällt wir sichs gesucht verhaßt
    verdränget blühend teilet

    Verstand ich steigt sichs Au wem es
    verliehen e wir zaudernd
    verkürze ob sie durch Ceres
    geprägt schreibt leisten schaudernd

    Klingt noch ein bisschen dada, aber das stört die moderne Dichtung ja nicht. Wird Ceres tatsächlich auf der 2. Silbe betont? Ach, vielleicht sollte ich doch ein Zweitstudium in Computerlinguistik hinten dranhängen…

  26. Klemens
    Mai 16th, 2011 11:24
    26

    GEOTHE ist lustig, oder 🙂 Wir werden ihm das dada noch ein wenig abgewöhnen müssen, aber ich denke, er hat das Zeug zum Dichter! „Ceres“ ist gefixed, danke. Wenn ich die Regeln neu hochlade, dann wird es richtig betont.

  27. LeV
    Mai 17th, 2011 10:16
    27

    Ja, ist total klasse. Aber wie wollt ihr ihm das Dadaeske abgewöhnen? Ich stelle es mir noch schwieriger vor, einem Computer Grammatik und Semantik beizubringen, als Metrik, die ja noch relativ überschaubar ist. Daran beißen sich ja auch schon zahlreiche Forscher die Zähne aus. Was ich mir als semantisches Modell noch überlegt hätte, wäre, für jedes Wort (vielleicht erst einmal nur Nomen und Verben) Wortfelder in einer Datenbank zu speichern, die es in einem semantischen Kontext repräsentieren – also z.B. Baum (Wald, Holz, Laub, Nadeln, Blätter, grün, wachsen, Rinde, alt). Dann könnte ein Rechner vielleicht eine Art Assoziationsabgleich über gemeinsame Wortfeld-Wörter machen. Aber besonders effektiv kommt mir das nicht vor. Zumal gerade bei Gedichten, wo ja uneigentliche Sprache (Metaphern, Symbole, etc.) so eine große Rolle spielt, der Assoziationsraum über komischste Ähnlichkeiten von Wörtern erweitert werden kann. Habt ihr denn schon einen Ansatz?

  28. Klemens
    Mai 17th, 2011 10:47
    28

    In der Computerphilologie gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man in der NLG (Natural Language Generation) vorgehen kann. Diese haben wir soweit ausgelotet, dass ich ganz guter Dinge bin. Ein absolutes Novum hingegen ist die Beherrschung der Prosodie, die Grundlage für eine saubere metrische Analyse ist. Das kann niemand außer uns und insofern haben wir das dickste Problem bereits gelöst. Der semantsiche Kontext, den Du ansprichst, verucht man über Kollokationen abzubilden, aber Du hast sehr recht mit deiner Idee, dass man das nicht zu gewichtig nehmen sollte, denn GEOTHE soll ja kreative Zusammenhänge generieren können. Viel wichtiger ist die grammatische Ordnung der Texte. Hierfür kann man sich der Part-of-speech-Technologie bedienen. Lemmatisierungsalgorithmen gibt es auch schon, die erkennen können, in welcher grammatischen Flexion ein Wort verwendet wird. Die Idee ist es, ein Testkorpus mit Gedichten zu analysieren und dem M² beizubingen, vornehmlich diese Grammtik zu verwenden. So könnte man dann wie „Rilke“ dichten lassen, wenn das Testkorpus aus Rilke-Gedichten besteht.

    Viele Grüße
    Klemens

  29. LeV
    Mai 18th, 2011 21:04
    29

    Oh, na dann nehmt als Textcorpus bitte nicht Fontane! Es gibt schon genug nichtsnutzige Iamben und Trochäen von dem. Chch, nee im Ernst, dass Prosodie bisher das ungelöste Problem war, hätte ich nicht vermutet. Zumindest Betonung auf Wortebene kommt mir doch im Deutschen noch relativ berechenbar vor. Auf Phrasen- oder Satzebene stelle ich mir das schon schwieriger vor, zumal ich auch Sprachpausen bei Worttrennung und Intonation noch von keinem „Vorlese“-Computer sinnvoll umgesetzt gehört habe. Aber das ist ein anderes Thema. Ich gratuliere euch dann natürlich doppelt zum Durchbruch!

  30. Klemens
    Juli 13th, 2011 16:29
    30

    Nach Metricalizer² und GEOTHE haben wir nun heute ECHTREIM freigeschaltet: Einfach mal am Tisch festhalten und dann ein Reimwort eingeben.
    http://echtreim.metricalizer.de

  31. LeV
    Juli 14th, 2011 13:03
    31

    Nein, wie geil ist das denn bitte!? Ein elektronisches Reimwörterbuch. Ihr werdet meinen Traum von einem Programm, das metrische, reimende, sinnvolle Gedichte verfaßt, doch noch Wirklichkeit werden lassen. Vorbei die Zeiten haarsträubend dillettantischer Festtagsreimereien! Aber aufpassen müßt ihr bspw., wenn ihr „verpassen“ auf „dermaßen“ reimt, denn da gibt’s ja unterschiedliche Akzentpositionen. Aber mensch, sogar Assonanzen und aufgedröselt nach Silbenzahl. Toll! Ich bin begeistert.
    Ich hab übrigens deinen Link mal wie vorgesehen in den ersten Kommentar gepackt und den zweiten gelöscht.

  32. Klemens
    Juli 14th, 2011 15:36
    32

    Nett, oder? Es gibt in der Tat noch den einen oder anderen Fehler. Fehlschreibungen wie „dermassen“ verwirren die Silbensegmentierung und die Prosodieerkennung, die beide ohnehin auch noch selbst Fehler produzieren, wenn die Wörter richtig geschrieben sind. Da sind wir dran! Dafür ist die Datenmenge jetzt schon immens und die „Doppelreime“ haben schon den einen oder anderen Rapper echt glücklich gemacht.

  33. LeV
    Juli 15th, 2011 17:46
    33

    Andreas monierte neulich auch, dass ihr „Lurch“ auf „church“ reimt (da gibt es ein Lied von Bodo Wartke zu dem Thema). Wollt ihr bewußt eye rimes einbingen oder ist das ein Fehler? Denn auf phonetischer Ebene reimt das ja nicht und dem Urpsrung nach ist der Reim ein klangliches Phänomen und kein graphemisches. Rapper macht das jedenfalls nicht glücklich, es sei denn, es sind Schriftrapper.

  34. Klemens
    Juli 15th, 2011 18:42
    34

    Soche „Augenreime“ sind unbeabsichtigt, aber es sind natürlich auch Reime. Nur wollen wir diese irgendwann in einer eigenen Gruppe unterbringen. Jetzt-Stand ist, dass es sich um einen „Fehler“ handelt da wir in der Wortliste auch Fremdwörter haben, bei denen ECHTREIM nicht trainiert ist, die Lautung zu erkennen. Hier werden wir nachlegen müssen, algorithmisch natürlich :).

  35. LeV
    Dezember 19th, 2011 16:31
    35

    @Klemens: Ich hab gerade zwei sehr spannende Quellen am Start, die beide meine „Alternationsregel“ thematisieren: 1.) Aniruddh D. Patel: Music, language, and the brain, Oxford Univ. Press, Oxford [u.a.], 2008, esp. Kap 3 „Rhythm“, dort S. 140 2.) Rosalía Rodríguez-Vázquez: The rhythm of speech, verse and vocal music. A new theory, Lang, 2010. Insbesondere 1. spricht immer wieder von der Tendenz von Sprache zur Alternation von starken und schwachen Elementen und dass das ein Punkt sei, in dem (metrischer) Sprachrhythmus musikalischem Rhythmus sehr ähnlich sei. Überhaupt scheint der eigentlich interessante Knackpunkt die Nähe oder Ferne von musikalischem und sprachlichem Rhythmus zu sein.

    Ich denke, ich werde dazu demnächst noch einen separaten Blogartikel schreiben. Auf jeden Fall wird das aber Teil meiner Magisterarbeit werden, die spätestens am 25.4.12 fertig sein muß. Falls du so lange nicht warten willst, kannst du ja selbst mal in die beiden Quellen schauen.

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