Archiv für die Kategorie 'Literatur'

Zur Autobiographie im Mittelalter

Donnerstag, 14. Juli 2011

In einer Woche wird meine letzte Abschlußklausur im Fach Ältere deutsche Sprache und Literatur (d.h. Altgermanistik/Mediaevistik) stattfinden. Eines der von mir eingereichten Themen ist die Autobiographie im Mittelalter. Ich habe mich früher schon mit der Autobiographie der frühen Neuzeit befaßt und hier im Blog bereits zu Johannes Butzbach und Helene Kottanner geschrieben. Nun versuche ich in Vorbereitung auf die Klausur einen zusammenfassenden Text zu schreiben, der Beispiele für Selbstzeugnisse (2. Teil) und den Stand der Forschung zur Autobiographie im Mittelalter (1. Teil) zusammenfaßt. Am Ende befindet sich eine kurze Bibliographie, die die von mir hierfür konsultierten Fachtexte aufführt. (mehr …)

Kriminalistische Kodikologie

Mittwoch, 20. April 2011

In der Welt der Geschlechterklischees heißt es ja, Frauen läsen gerne Krimis. Das trifft auf mich nicht zu, aber dennoch verspüre ich eine eigenartige Lust an kriminalistischen Tätigkeiten, z.B. dem Untersuchen und Beschreiben mittelalterlicher Handschriften. Bevor es Druckerpressen gab, wurden Bücher mit der Hand geschrieben und sie wurden auch mit der Hand bemalt, geklebt, bestempelt und gebunden. Jedes mittelalterliche Buch ist ein Unikat und hat (ungeachtet des Inhalts) eine Geschichte als archäologisches Objekt. Bei der Untersuchung einer Handschrift geht es darum, diese Geschichte zu erzählen. (mehr …)

Seminararbeit: Ehre und Identität in Hartmanns „Erec“ und Chrétiens „Erec et Enide“

Mittwoch, 22. September 2010

Ehre ist die zentrale Komponente adliger Identität in den Erec-Romanen von Hartmann von Aue und Chrétien de Troyes. An ihr richtet sich die höfische Gesellschaft in den Romanen aus, reguliert ihr Verhalten, strebt nach Frieden, Freundschaft und Gemeinschaft. Vor dem Hintergrund der Theorien zur Gewaltreglementierung feudaler Gesellschaften von Peter Czerwinski, werden diese Aspekte an konkreten Textpassagen der Erec-Romane herausgestellt und nachgewiesen. Die volle Version der Seminararbeit kann im PDF heruntergeladen werden. Im Artikel gibt es Gliederung und Einleitung. (mehr …)

Buchtipp: Lob der offenen Beziehung

Montag, 23. August 2010

Mein Freund Oliver Schott hat ein Buch geschrieben, „Lob der offenen Beziehung„. Er ist Philosoph und geht das Thema ganz philosophisch von der Vernunftebene an. Das Büchlein ist keine praktische Anleitung, wie man am besten eine offene Beziehung führt, sondern eine Erörterung der Vorteile, die die offene Beziehung als echte Alternative zur Monogamie bieten kann. (mehr …)

Im Mittelalter gab es kein Copyright

Freitag, 14. Mai 2010

Das Copyright ist eine Erfindung der Neuzeit. Die Rechte der Autoren kamen erst mit der Einführung des Buchdrucks und der Notwendigkeit organisierter Produktionsprozesse durch Verlage, Druckereien, etc. Das habe ich gerade wieder in Jan-Dirk Müllers „Aufführung – Autor – Werk“ gelesen, den ich im vorigen Post zusammengefaßt hatte. Der Text gehört quasi zur Grundausbildung eines jeden mediävistischen Literaturwissenschaftlers. Aber ich denke, er ist auch für die aktuelle Piratenbewegung und Copyright-Debatte von Interesse. Er spricht über unsere moderne Auffassung von Autorschaft und davon, dass diese nicht gesetzt, sondern eine von uns konstruierte ist.

Im Mittelalter gab es nämlich „DEN Autor“ nicht und es gab nicht „SEIN Werk“. Es gab viele Vortragende in einer mündlichen Kultur, in der Texte variabel waren und der jeweiligen Vortragssituation angepaßt wurden. Aufmerksamkeit und Lob galten dabei dem Vortragenden, der nicht zwangsweise mit dem Verfasser identisch sein mußte. Denn bedient hat man sich von überall her. Das Kopieren, Ändern und Verwenden von Texten, Formen und Melodien war Gang und Gäbe. Ein Werk dem Publikum auf vollendete Weise darzubringen, war die Kunst und nicht etwa, als erster auf eine Idee gekommen zu sein. „Der Verfasser eines Textes erwirbt an diesem Text kein Eigentum; er stellt etwas her, das anderen zum Gebrauch sich anbietet“, schreibt Müller. Die Vorstellung von einem „geistigen Eigentum“ wäre einem Minnesänger oder mittelalterlichem Zuhörer wohl ziemlich bescheuert vorgekommen.

Müller berichtet dies freilich nicht im Zusammenhang mit der Copyright-Debatte, sondern zeigt sich von einem wissenschaftlichen Disput um den Status einer zwischen mündlicher und schriftlicher Kultur stehenden Literatur inspiriert. Ebenso wie aber die mit dem Buchdruck um 1500 einhergehende Medienrevolution zu einer Neubewertung des Autorbegriffs geführt hat, wie Müller erläutert, scheint mir das bei der aktuellen Medienrevolution auch der Fall zu sein. Der Mythos vom Verfasser-Genie und seiner allumfassenden Gewalt über sein Werk beginnt mit der Einführung des Internets und anderer digitaler Kopien in dem Maße zu bröseln, wie er vor 500 Jahren mit der Erfindung des Buchdrucks erstarkte. Brauchen wir den Autor heute noch oder lebt unsere Kultur durch die Beteiligung und Kreativität aller an ihr teilnehmenden Personen?

In einer schriftlichen Kultur hatte die Kopie materiellen Wert und war entsprechend mit finanziellen Risiken verbunden. In der digitalen Kultur kostet eine Kopie ungefähr genausowenig wie in einer mündlichen. Insofern rücken wir der mündlichen Kultur des Mittelalters und ihrer aufgelockerten, offenen Auffassung von Autor und Werk wieder ein Stück weit näher. Genau an diesem Punkt geraten wir aber in gesellschaftlichen Konflikt. Da gibt es auf der einen Seite Menschen, die noch voll umfänglich an das „geistige Eigentum“ glauben und mental am Autor und seinem Werk festhängen. Da gibt es auf der anderen Seite die, die solche Vorstellungen für überkommen oder zumindest fragwürdig halten. Die einen haben Angst, ihren Status zu verlieren, die anderen fühlen sich unterdrückt und wollen sich emanzipieren.

Ich kann beide Seiten nachvollziehen. Ich bin selbst Autor (gewesen) und verband damit Eitelkeiten und Privilegien. Mir kommt das alles aber zunehmend albern vor und Texte wie der von Müller bestätigen mich darin. Vielleicht ist die Vorstellung von Autor und Werk vor dem Hintergrund der Entwicklung zu einer digitalen Kultur eine Sackgasse.

Précis: Aufführung – Autor – Werk

Montag, 03. Mai 2010

Précis sind kurze Zusammenfassungen der wichtigsten Thesen und Argumente wissenschaftlicher Fachaufsätze. Diesmal habe ich mir Jan-Dirk Müllers „Aufführung – Autor – Werk“ von 1999 durchgelesen, ein Text, der das Spannungsverhältnis mittelalterlicher Texte zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit thematisiert und für eine Neubewertung des Autorbegriffs eintritt, der unserer modernen Auffassung des Urhebers ziemlich entgegen steht. Dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Copyright-Debatte nicht unspannend.

Aufführung – Autor – Werk ~ Jan-Dirk Müller

Die literarische Kultur des europäischen Mittelalters sei primär von der Mündlichkeit geprägt gewesen, führt Müller ein, d.h. Geschichten wurden erzählt, Gedichte vorgesungen und ebenso hätten sich die Texte auch von Mund zu Mund verbreitet. Ab den 12./13. Jahrhundert hätte sich die Konzeption, also die Ideenfindung von Texten, zum Medium der Schrift hin verschoben, was natürlich zu einer Einflußnahme auf die noch immer mündliche Vortragspraxis geführt hätte und umgekehrt. Diese gegenseitige Einflußnahme wird als „das eigenwillige Spannungsverhältnis des mittelalterlichen Textes zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“ paraphrasiert. Die Erkenntnis davon habe zu einem Disput unter der versammelten Philologenschaft geführt, der wohl um 1999 herum in unsachlichen Argumenten zu stagnieren drohte. Müller jedenfalls nennt diesen Grund dafür, dass er seinen Aufsatz „Aufführung – Autor – Werk“ verfaßt hat.

Die Philologen auf der einen Seite der Debatte seien Anhänger der sogenannten Lachmannschen Methode (nach dem deutschen Mediävisten und Altphilologen Karl Lachmann). Unter den vielen Varianten, in denen mittelalterliche Texte oftmals der Nachwelt überliefert sind, würden sie den Urtext zu rekonstruieren versuchen, wobei sie von der modernen Annahme ausgehen, es gäbe die einen, ursprüngliche Textfassung und den einen ursprünglichen Autor, der die Autorität über diesen Urtext innehätte.

Da aber auch die schriftlich konzipierten Texte mündlich aufgeführt und entsprechend der Aufführungssituation, z.T. mit Publikumsinteraktion angepaßt worden wären, könne es, so behaupten Müller und die Philologen auf der anderen Seite (u.a. Bumke, Zumthor), keinen Urtext geben und dementsprechend auch keine am Autor ausgerichteten Rekonstruktionsbestrebungen.

Der Lachmannschen Methode stehe die Auffassung der „movence“ (Zumthor) des mittelalterlichen Textes gegenüber, bei der alle überlieferten Varianten gleichberechtigt nebeneinander stünden. Eine Art unkonkreter mündlicher Hypertext stehe über all diesen Varianten. Diese Auffassung sei zum neuen Leitbild der Editionspraxis geworden, was den Poststrukturalisten sehr entgegen gekommen sei. Denn diese lehnten den Autor- und den Werkbegriff als solche ab.

1. Aufführung

Dafür, dass mittelalterliche Texte aufgeführt worden seien, gibt es zwar nur indirekte Belege, bspw. Performanzsignale in den Texten, die den Rezeptionshintergrund einer geselligen Kommunikations aufzeigen. Dies müsse als Grundlage für das Verständnis mittelalterlicher Texte hypothetisch angenommen werden. Dabei sei jede konkrete Aufführung eine reglementierte Form mündlicher Kommunikation. Die Lizenz zur Veränderung von Texten orientiere sich an Texttypus und Gattung. Schriftlich Fixiertes sei dabei verbindlicher, also weniger anfällig für Variation in einer konkreten Aufführungssituation.

Man dürfe sich die schriftliche Überlieferung aber auch nicht als erstarrtes Zeugnis einer konkreten Aufführungssituation denken. Eher sei sie Transformation in ein anderes Medium, in dem sich Spuren von Kommunikationssituationen zeigen können. Dabei könne es sich sowohl um reale, als auch um fingierte Dialoge handeln. Mit zunehmender Verschriftlichung fallen mündliche Elemente, wie bspw. Performanzsignale, zunehmend weg. Dass der Spielraum von Varianz nicht beliebig ist, tangiere die Interpretation des Redeaktes insgesamt, helfe jedoch bei Detailfragen nicht weiter. Da der Redeakt einer konkreten Aufführung nicht gefaßt werden könne, muß die Mündlichkeit mittelalterlicher Texte als Prozess begriffen werden.

2. Autorschaft

Der mittelalterliche Text kenne etwa ab Ende des 12. Jahrhunderts Autorennamen. Dies funktioniere über Zuweisungen in Handschriften, die jedoch meist unsicher sind, da es zu Fehlzuweisungen komme. Dafür macht Müller das Verhältnis vom Vortragenden zum Autor verantwortlich; beide können bspw. durch den Gebrauch der ersten Person (ich, mein, …) miteinander verschmelzen. Die Anerkennung habe im Mittelalter dem Vortragenden gegolten. „Der Verfasser eines Textes erwirbt an diesem Text kein Eigentum; er stellt etwas her, das anderen zum Gebrauch sich anbietet“, schreibt Müller. Dem Vortragenden obliege es, den Text vollendet und brauchbar dem Publikum darzubringen, weshalb der Wert eines Textes nicht am Urheber festgemacht worden sei.

Originale oder ursprüngliche Texte seien weder herzustellen, noch vor anderen Quellen ausgezeichnet. Die urpsrungsmythische Konnotation von Autorschaft entfällt und entspräche nicht der mittelalterlichen Ästhetik. Der mittelalterliche Autorbegriff sei undeterminiert; nach dem Verfassen ist der Text dem Zugriff des Autors entzogen. Erst seit dem 13. Jahrhundert (Meistersinger) gibt es Versuche, den Zugriff des Autors auszudehnen. Aber erst mit der Erfindung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert geht die Einführung von Autorenrechten einher.

3. Text

Es gäbe eine Einsicht in die strukturelle Offenheit mittelalterlicher Texte, die nicht mit der Variabilität mündlicher Alltagsrede zu verwechseln sei. Mittelalterliche Texte sind nicht fest, jedoch ist der Grad an Verfestigung bei schriftlichen, mündlich vorgetragenen Texten größer. Je schriftlicher Texte werden, desto abstrakter werden sie vor einer konkreten Vortragssituation. Der Status „kultureller Text“ (J. Assmann) bedeute, ein Text sei nicht so wortwörtlich wie, aber sozialer als ein „heiliger“ Text.

Trotzallem überwiege der Anteil an Festigkeit auch in mittelalterlichen Texten den der Varianz. Es gibt etwas, das alle Varianten gemeinsam haben, weshalb man sie gruppieren kann. Man muß sich fragen, durch welche Parameter in mittelalterlichen Textvarianten Identität gestiftet wird. Was variant sei, trete sehr unterschiedlich in Erscheinung und man könne deshalb unterschiedliche Typen von Varianz herausarbeiten. Eine geeignete Beschreibungssprache, die Varianz nicht an etwas Fixem festmacht, fehle aber.

Müller kristallisiert nun drei Arten von Varianz heraus und macht Vorschläge zum Umgang damit. Da sei 1. Varianz, die zu Textverderbnis führe, d.h. kleine Fehler und Unaufmerksamkeiten der Schreiber und Kopisten. Diese dürfe man ausmerzen. Da seien 2. Texte, die gehaltlose Varianzen aufweisen, also irrelevante Abweichungen. 3. gäbe es bewußt vorgenommene Änderungen, verantwortete Eingriffe. Diese erfüllen die Kriterien für verschiedene Fassungen.

Müller spricht sich abschließend für die Edition von Textfassungen, ergo gegen die Edition von Urtexten aus.

Quelle: Aufführung – Autor – Werk. Zu einigen blinden Stellen gegenwärtiger Diskussion. In: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster, hg.v. N.F.Palmer u. H.-J.Schiewer, Tübingen 1999, S.149-166.

Jokers schreibt mir…

Freitag, 23. Januar 2009

… und vermutlich auch allen anderen Bloggern, die sich auf ihren Seiten irgendwie entfernt mit Lyrik und Literaturbetrieb befassen. Die machen nämlich mal wieder einen Gedichtewettbewerb für Hobbyautoren, wo’s Geld, Gegenstände und Veröffentlichungen in Anthologien zu gewinnen gilt. Wer will, kann vom 1. – 31. März Gedichte bei Jokers.de einreichen und dran teilhaben. Brech ich mir ja keinen ab, darauf mal hinzuweisen. Ich hab ja auch mal an sowas teilgenommen und meine Erfahrungen gesammelt, um sie in mein Blog zu schreiben. Für die seriösen Wettbewerbe bin ich leider ein zu unambitionierter Dichter und für alle anderen ein zu anspruchsvoller Leser. Deshalb spare ich mich hierbei lieber aus. Aber wen’s interessiert.

Elke Heidenreich: Lesen!

Freitag, 28. November 2008

Ich muß ja gestehen, kein Fern zu sehen. Ich habe nicht einmal ein entsprechendes Gerät, mit dem soetwas zu bewerkstelligen wäre. Ich finde Fernsehen doof, weil das Programm doof ist und wenn dann doch mal etwas Spannendes läuft, dann läuft es Samstag Nacht um 2:00 Uhr, wenn man sowieso gerade besseres vor hat, als vor der Glotze zu hängen.

Damit hatte offenbar auch Elke Heidenreich ein Problem. Es reichte ja nicht, dass man ihre Sendung, Lesen!, beim ZDF auf die unmöglichste Sendezeit verlegte, nein, die Büchertipps mußten weg und so vernachlässigt unser Zweites seine Bildungspflicht letztlich und hat die Sendung vor kurzem ganz abgesetzt. Traurig für’s ZDF – Glück für mich, denn so hat sich Frau Heidenreich nun für ein Medium entschieden, das auch ich konsumiere: the internezz

Ab heute werde ich sicherlich keine von Frau Heidenreichs Sendungen mehr verpassen, denn auf litCOLONY kann ich sie mir nun ansehen, wann ich will, so oft ich will und woimmer es Netzanbindung gibt. Und das ist gut so. Dies hat das Internet dem Fernsehen nämlich voraus: Es gibt ein Angebot fernab von Musikantenstadel & Co. und ich kann mir mein Programm höchst eigenverantwortlich selbst zusammenstellen. Ich wünsche der Sendung und Frau Heidenreich jedenfalls viele neue und alte Rezipienten.

# edit: Die Seite ist offenbar noch nicht auf den Ansturm von Fefe-Lesern vorbereitet und gerade down, seit sie von dort aus verlinkt wurde. Einfach kurz abwarten und Tee trinken, ist bestimmt bald wieder on…

Oder ich schreib es untereinander…

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Xipulli hat mich gerade auf einen Dialog eines Buchmesse-Korrespondenten des Spiegels im SpOn hingewiesen. Mal abgesehen davon, dass es sich das „Kafkas-Porno-Skandal-Blatt“, der Spiegel, eigentlich nicht mehr leisten kann, über die intellektuelle Abgedroschenheit von Autoren, Verlagen und Buchmesse und Mittelmäßigkeit des marktwirtschaftlich bestimmten Schrifttums abzulästern, findet sich in diesem Dialog ein Absatz, den ich wegen seiner Herrlichkeit hier einfach mal anführen muß:

HH: Der Hammer ist immer schon eine schlechte Metapher gewesen, außer im Heavy Metal, Sven! Weißt du schon, was du in deinem Blog schreiben willst?

Sven: Irgendwas Erbauendes. Was die Leute aufrichtet in schwerer Zeit. Was man da so erlebt auf der Buchmesse und so. In kurzen, knappen Sätzen. Die trotzdem schön sind.

Oder ich schreib
Es untereinander
Dann
Ist es ein
Gedicht.

Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,584072,00.html

Es scheint inzwischen also auch anderen als mir irgendwie schon aufgegangen zu sein, dass das derzeitige Verständnis des Wortes „Gedicht“ irgendwie hirnrissig sinnentleert ist und eigentlich nur noch an formal graphischen Aspekte eines Textes festzumachen ist. Danach wäre das Gedicht die einzige Textform, die sich auf Grund ihres schriftlichen Layouts auf dem papier definiert und nicht etwa wie andere Texte anhand ihrer sonstigen Sprachformalen, semantisch-perspektivischen oder funktionalen Aspekte.

Ich habe darüber ja immer den Kopf geschüttelt, weil es nicht mit meiner Idealvorstellung zusammenpassen will, das ein guter Dichter heutzutage wohl eher Grafikdesigner als Sprachakrobat sein muß und mich mit mir selbst darauf geeinigt, dass ich das, was ich so geschrieben habe, in einem gedruckten Buch wohl eher nicht mehr Gedicht nennen würde, weil dieses Wort beim Leser einfach völlig falsche Assoziationen von dem auslöst, was ihn erwartet.

Aber ja, gut, ich muß das jetzt nicht weiter breittreten. Hatte ich ja vor zwei Jahren schon im Artikel Das Auge erkennt den Vers und besonders produktiv ist es ja nun auch wieder nicht, sich daran festzubeißen. Also akzeptiere ich für mich und meine Sprachakrobatik einfach, dass der graphische Aspekt, der ja durchaus Bestandteil unserer Sprachkultur ist, einfach eine weitere Dimension für meinen Kreativpool ist. Damit – nicht mit der Reduktion darauf – kann ich leben.

I’m shocked, i tell, ya!

Donnerstag, 07. August 2008

Welch Erkenntnisreicher Donnerstag-Vormittag: Auch Geistesgrößen haben Sex! Ja, sie besitzen sogar Pornos, unglaublich, aber wahr. Auch Leute, die viel Zeit auf das Erdenken und Schreiben von Kurzgeschichten verwenden, die ein wenig nach Ficken auf LSD klingen, sind nicht befreit davon, ihrem Sexualtrieb zu fröhnen. Der Spiegel – auch genannt die Bildzeitung für Akademiker – hält das für einen Skandal.

Denn ein Forscher entdeckte Kafkas Pornosammlung, die dieser wohl im Haus seiner Eltern versteckt hielt und, nein, es handelt sich nicht um Blümchenszenen mit schwedischen Hippies. Kafka war ein knallhart versaut Perverser. In den Heftchen finden sich sodomistische und lesbische Szenen. Wer hätte das gedacht! Der arme Britische Kafka-Forscher wird nie wieder ruhig schlafen können. Nachdem Kafkas Kurzgeschichten doch so geistesruhig und märchenhaft sind, wurde ihm durch diesen Fund seine heile Welt zerstört. Legen wir eine Schweigeminute für die verstorbene Naivität ein, dass ein Autor, der kafkaeske Kurzgeschichten schreibt, nicht auch eine Vorliebe für Kafkaesken Porno hätte.

Nun, liebe Leser läßt sich angesichts dieser Gesellschaftlichen Scham und Empörung nur hoffen, dass ich entweder nie so ein angehimmelter Autor werde, wie Kafka. (Die braven Forscher würden mit Sicherheit an einem Herzinfarkt sterben, wenn sie meine Pornosammlung entdecken.) Oder wird hoffen einfach mal, dass die Menschheit in Sachen Sex endlich mal ein bisschen Entspannter wird.