Oder ich schreib es untereinander…

Xipulli hat mich gerade auf einen Dialog eines Buchmesse-Korrespondenten des Spiegels im SpOn hingewiesen. Mal abgesehen davon, dass es sich das „Kafkas-Porno-Skandal-Blatt“, der Spiegel, eigentlich nicht mehr leisten kann, über die intellektuelle Abgedroschenheit von Autoren, Verlagen und Buchmesse und Mittelmäßigkeit des marktwirtschaftlich bestimmten Schrifttums abzulästern, findet sich in diesem Dialog ein Absatz, den ich wegen seiner Herrlichkeit hier einfach mal anführen muß:

HH: Der Hammer ist immer schon eine schlechte Metapher gewesen, außer im Heavy Metal, Sven! Weißt du schon, was du in deinem Blog schreiben willst?

Sven: Irgendwas Erbauendes. Was die Leute aufrichtet in schwerer Zeit. Was man da so erlebt auf der Buchmesse und so. In kurzen, knappen Sätzen. Die trotzdem schön sind.

Oder ich schreib
Es untereinander
Dann
Ist es ein
Gedicht.

Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,584072,00.html

Es scheint inzwischen also auch anderen als mir irgendwie schon aufgegangen zu sein, dass das derzeitige Verständnis des Wortes „Gedicht“ irgendwie hirnrissig sinnentleert ist und eigentlich nur noch an formal graphischen Aspekte eines Textes festzumachen ist. Danach wäre das Gedicht die einzige Textform, die sich auf Grund ihres schriftlichen Layouts auf dem papier definiert und nicht etwa wie andere Texte anhand ihrer sonstigen Sprachformalen, semantisch-perspektivischen oder funktionalen Aspekte.

Ich habe darüber ja immer den Kopf geschüttelt, weil es nicht mit meiner Idealvorstellung zusammenpassen will, das ein guter Dichter heutzutage wohl eher Grafikdesigner als Sprachakrobat sein muß und mich mit mir selbst darauf geeinigt, dass ich das, was ich so geschrieben habe, in einem gedruckten Buch wohl eher nicht mehr Gedicht nennen würde, weil dieses Wort beim Leser einfach völlig falsche Assoziationen von dem auslöst, was ihn erwartet.

Aber ja, gut, ich muß das jetzt nicht weiter breittreten. Hatte ich ja vor zwei Jahren schon im Artikel Das Auge erkennt den Vers und besonders produktiv ist es ja nun auch wieder nicht, sich daran festzubeißen. Also akzeptiere ich für mich und meine Sprachakrobatik einfach, dass der graphische Aspekt, der ja durchaus Bestandteil unserer Sprachkultur ist, einfach eine weitere Dimension für meinen Kreativpool ist. Damit – nicht mit der Reduktion darauf – kann ich leben.

4 Kommentare zu “Oder ich schreib es untereinander…”

  1. Mo Bai
    Dezember 14th, 2008 23:20
    1

    Am besten du verstehst dich dann auch nicht mehr als Bestandteil der Kultur. So etwas gibt es nämlich auch nicht mehr wirklich.
    Die Griechen sagten, Demokratie ist Pöbelherrschaft. Und so ähnlich ergeht es den Künsten.

    Ich bin dafür die gesamte Geisteswissenschaft einfach abzuschaffen und stattdessen Kochkunst an Unis zu unterrichten. Das mit der Schöngeistigkeit und das mit der Moral regelt der Markt ja ganz prima.

  2. LeV
    Dezember 15th, 2008 01:27
    2

    Ach, das ist Blödsinn und außerdem sind Demokratie (Volksherrschaft) und Ochlokratie (Pöbelherrschaft) auch bei den Griechen zwei verschiedene Herrschaftsmodelle. Würden wir die Geisteswissenschaften abschaffen, kennte bald niemand mehr diesen Unterschied.

  3. demon17
    Mai 11th, 2010 15:46
    3

    Was können die Griechen dafür. Die Abendländische Lyrik basierte doch Jahrhunderte auf ihrer Metrik, bzw, den Rudimenten, die sich übertragen ließen. Oh Hölderlin, was ist daraus geworden. Frei wie der Wind wollten sie sein und nun stehen wir vor dem Nichts; der absoluten Willkür des laissez faire. Nachdem die Lyrik aus den Buchregalen als Literaturgattung weitgehend verschwand, fand sie ein neues Medium im Internet. Es ist demokratische geworden und antielitär. Man muss sich in einem Forum anmelden können und den Zeilenumbruch beherrschen. Irgendwie kommt dieser Karaoke-Effekt zum tragen. Die Belustigung des Publikums über den untalentierten Anfänger übertrifft die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Poesie bei weitem – aber vielleicht hat in dieser hektischen lärmüberfluteten Zeit auch keiner mehr die Zeit für Hölderlin. Da gibt es Slam-Poetry und Hip Hop Rapper. Zumindest letztere brauchen noch einen Rhythmus. Vielleicht war die „klassische Poesie“ des Spätmittelalters und der Neuzeit bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts auch nur in Verbindung mit dem Bildungsbürgertum denkbar. Der Kanon dessen, was man einfach gelesen haben muss ist zerfallen und im Rauschen des Massenmediums Fernsehen untergegangen. Es gibt keine Erziehung zu Niveau und Qualität mehr. Es gibt nur noch die Ausrichtung an den Einschaltquoten, die Orientierung am kleinsten gemeinsamen Nenner, der eine verzerrte Trivialvorstellung des Medienkonsumenten hervorbringt, dem die Menschen immer mehr entsprechen werden, die sich dem aussetzen. Es gibt so viele Kanäle, aber auf keinem habe ich eine Sendung über Poesie gefunden …

  4. LeV
    Mai 23rd, 2010 16:56
    4

    Ach, du siehst das zu negativ demon17. Es geht doch bei den Metrikmodellen und formalen Analysen gar nicht um Präskription, sondern um Deskription. Nur weil man selbst dies oder jenes bevorzugt, heißt das nicht, dass anderes falsch oder verboten wäre. Es hindert dich ja niemand daran, dir die Lyrik rauszusuchen, die dir gefällt oder sie selbst zu schreiben, wenn du meinst, dass niemand das hinkriegt. Umberto Eco hat angefangen, deswegen Romane zu schreiben, weil ihm die Geschichten der anderen nicht gefallen haben. Ich wehre mich dagegen, dass irgendwem irgendetwas vorgeschrieben wird. Jeder kann sich selbst eben die Regeln auferlegen, die er ob seiner Ästhetik selbst für angemessen hält. Aber diese anderen aufzuerlegen, weil man unzufrieden mit deren Output ist, das ist Bevormundung.

Kommentar abgeben: