Archiv für die Kategorie 'eigene'

Ich bereue nicht

Donnerstag, 10. Mai 2007

[audio:lev07.mp3]
Ich bereue nicht

für J.W.

Ich trachte, Liebste, nicht danach, den Grund zu kennen,
   daß Er mich wohl geformt nach ungewohntem Maß,
   daß Ungewolltes in mir keimte, mich zerfraß
und ich mich scheute, edle Liebe so zu nennen.

Ach, Liebste, meine Träume nährte mein Begehren,
   das deine zarte Hand in meiner ruhen sah,
   dein Kuß der Schnitter meiner blutgen Lippen war.
Welch grausam Schicksal konnte mir dies Glück verwehren!

   Und doch, daß mich nun Leid für Liebe straft und quält,
   daß mein Sonett nicht Liebe wider mich erzählt,
das reut mich nicht, an keinem Tag in meinem Leben –
   denn niemals hab so tief, so ehrlich ich gefühlt.

   Die Krone einer Liebe, die mich aufgewühlt,
würd, Liebste, ich für keines Dichters Lorbeer geben.

VII | Feb. 2004

Zur Entstehung

Ich gebe zu, ein großer Fan Oscar Wildes zu sein. Ich liebe ganz besonders seine Tragödie, Salomé, die er auf Französisch schrieb, damit Sarah Bernard die Hauptrolle übernähme und in dem es darum geht, dass eine junge Frau die Macht ihrer erotischen Ausstrahlung entdeckt. Wilde ist kein besonders guter Lyriker, aber ein Gedicht von ihm hat es mir trotzdem angetan, ΓΛΥΚΥΠΙΚΡΟΣ ΕΡΩΣ. Es ist eines der schönsten Liebesgedichte, die ich kenne, denn es geht darum, dass die Liebe als solche so großartig ist, dass sie jedes, aus ihre erwachsene Leid überstrahlt. Freilich tut sie das gerade in den Phasen des Leids nicht besonders offensichtlich und nur wenige Menschen sind in der Lage, sich soweit von ihrem Selbstmitleid zu lösen, dass sie zu solch einer Erkenntnis überhaupt kommen können. Wildes Gedicht trieb mir regelmäßig die Tränen in die Augen, sogar noch in Zeiten, in denen ich gar nicht mehr unglücklich verliebt war. Und wie unglücklich verliebt ich war…

Aber es hatte auch sein Gutes, denn ich bin durch diese unerwiderte Liebe zum Dichten gekommen. Ich wollte mich ausdrücken und ich wollte es auf die denkbar schönste und beständigste Art und Weise tun, durch ein Sprachkunstwerk. So fing alles an und deshalb wäre es total bescheuert, Dinge zu bereuen, die vielleicht dumm gelaufen sind, die mich aber zu dem gemacht haben, was ich bin, auf den Pfad geführt haben, auf dem ich gehe. Es lohnt einfach überhaupt nicht, sich zu wünschen, es wäre anders gelaufen, weil es gut so ist, wie es ist.
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Ich trat zur Nacht in einen Silberspiegel

Donnerstag, 10. Mai 2007

[audio:lev06.mp3]

Ich trat zur Nacht in einen Silberspiegel,
   der friedlich schlummernd neben mir sich fand.
   Der Mond gebettet lag zum Seidenband,
der Wind schwang leise rauschend seine Flügel.

Und sachte hob ich blinzelnd meine Lider,
   gewahrt die Schöne, deren dunkles Haar
   zu blauen Wellen hingegossen war.
Gelöst vom Schlaf die feinen, weißen Glieder.

So hielt sie meine Blicke wohl gefangen.
Da plötzlich überkam mich ein Verlangen.
Die Funken der Begierde übersprangen
und innig wogend glühten mir die Wangen…

   Es ist die Liebessehnsucht ein Genuß,
   die, mit Verlaub, ein jeder stillen muß.

VI | Jan. 2004

Zur Entstehung

Wer sich mit der klassischen Lyrik ein wenig auskennt, wird schnell feststellen, dass dieser Text sehr von „Willkommen & Abschied“ inspiriert ist, einem Gedicht von Goethe, in dem es um so eine Art One-Night-Stand geht. Das lyrische Ich kehrt dort zur Nacht bei einer ganz verliebten Dame ein, verläßt diese aber, ihre Liebe nächtens ausnutzend, bereits am nächsten Morgen. Um egoistische Lust geht es auch in diesem Text, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Marot hat auf Gedichteforen dazu mal eine schöne Interpretation 1 gliefert, an deren Schluß er verzweifelt feststellte, er könne sich für keine seiner drei Lösungen entscheiden. Ich war begeistert, dass er das schrieb, denn es ging mir hier ganz explizit um eine Mehrschichtigkeit, das Nebeneinanderstellen mehrerer Verstehensmöglichkeiten, die sich gegenseitig beeinflussen – eine Taktik, die für mein Dichten zunehmend wichtig werden sollte, mir aber bisweilen die Kritik hermetischer Emotionslosigkeit und nur wenige Fans einbringt. Aber was soll’s.

Der Spiegel ist ein faszinierendes Ding, weil er eine Art Urmetapher darstellt2. Man fühlt sich sofort an Ovids Narziß erinnert. Durch Anspielungen wird immer wieder auf die eine Seite seiner Parabel verwiesen, die Eitelkeit, aber es gibt einen zweiten, viel spannenderen Aspekt. Die Metamorphosen hießen nicht Metamorphosen, wenn es nicht in erster Linie um die individuellen Wandlungen ihrer Charaktere ginge und Narziß‘ Wandlung beginnt bei der Selbsterkenntnis. Dass sie bei der Eitelkeit aufhört, fand ich schon immer übertrieben moralisch, denn Selbsterkenntnis kann auch zu einem gesunden Maß an Selbstverständnis, Selbsteinschätzung, Selbstakzeptanz und schließlich Selbstliebe führen. Ein großer Teil des Leides zwischenmenschlicher Beziehung läßt sich für mich auf mangelnde Selbstliebe zurückführen – Eifersucht, Besitznahme, die Aggressivität der Selbstverteidigung, die aus einem überzogenen Schutzbedürfnis des fragilen Selbst erwächst. Es ist schwierig, andere Menschen zu lieben, wenn man sich selbst nicht liebt. Das Gebot, den Nachbar zu lieben, wie einen selbst, verstehe ich eher als Erkenntnis, denn als Vorgabe.

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  1. Der Verfasser ist Legastheniker, was zwar Auswirkungen auf seine Rechtschreibung, nicht aber auf den durchaus cleveren Gehalt seiner Worte hat.
  2. Ich widme mich diesem Thema sehr ausführlich im erstern Teil dieser Hausarbeit.

Dichter Worte

Donnerstag, 10. Mai 2007

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Dichter Worte

Verbringst du Zeit in dunklen Winternächten
mit Worten einen Wettkampf auszufechten,
verfällst du, hilflos dichtend, ihren Mächten.
      sie fahrn in deine Glieder,   immer wieder.

Man glaubte, dadurch könnt man Weisheit pachten,
auf Elfbeintürmen seinen Geist zu schlachten.
Poeten gab es, die den Tod sich brachten.
      Es bringt ein Wort dich nieder,   immer wieder.

Entführn dich schmeichelnd diese Ungerechten,
versuch nicht, ihnen kühn davon zu hechten!
Wart ab, wohin sie deine Feder brächten
      und Worte werden Lieder,   immer wieder.

V | Jan. 2004

Zur Entstehung

„Dichter Worte“ ist eigentlich nur eine Formübung, dass es durch seine Nummerierung dennoch Werkstatus bekommen hat, liegt nur daran, dass ich damals noch nicht wirklich reflektiert an das Thema Werkstatus herangegangen bin. Inzwischen bin ich viel selbstkritischer geworden. Sogar „An die Mate“ habe ich wieder den Werkstatus aberkannt, weil es ein Gelegenheitsgedicht ist, das nur Insider verstehen können.

Das ist mit „Dichter Worte“ doch noch ein bisschen anders. Der Inhalt ist seicht bis kitschig, habe ich schon lobende Kritik dafür bekommen. Eigentlich ging es mir darum, mich an einem Madrigal mit einversigem Ritornell zu üben. Nachdem ich mit „Ein altes Lied mein erstes Madrigal zustande gebracht hatte. Von beiden Texten geht nicht die typische Wirkung des Madrigals aus, obwohl beide durchaus als formell gelungen gelten. Im Gegensatz zu „Ein altes Lied“ bleibt „Dichter Worte“ aber regelrecht blaß.

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Ein altes Lied

Montag, 07. Mai 2007

[audio:lev04.mp3]
Ein altes Lied

Ihr Wünscheträumer, Genien gleich zu scheinen,
habt euch in eurem Turm von Elfgebeinen
gemütlich eingerichtet, will man meinen.
      Mit feinen Schleiern jeden Raum verhangen,
      aus Vorsicht müßt um jeden Schritt ihr bangen.

Ihr bellt an prunkbestückten Hundeleinen,
vereint in Popularitätsvereinen,
und könnt euch herzzerreißend selbst beweinen.
      In Hysterie und leerem Wahn gefangen,
      habt ihr im Leben selbst euch übergangen.

Daß in euch keine Götterfunken keimen,
vielleicht macht’s letztlich Sinn in Dichterheimen.
So kann ich hübsche Madrigale reimen,
      gemeine Lieder singen, unbefangen,
      wie andre Narren, die schon vor mir sangen.

IV | Jan. 2004

Zur Entstehung

Ich hatte mich aufgrund einer Seminararbeit mit Francesco Landini, einem italienischen Trecento-Komponisten, und seinem Madrigal „Musica son“ (Ich bin Frau Musica) beschäftigt. Ein Madrigal ist zu diesem Zeitpunkt nicht das, was man heute aus dem Barockzeitalter kennt, sondern eine eher literarisch emanzipierte Form im Endecasyllabus mit Ritornell – eine spannende und interessante Form, wie ich dachte, die, trotzdem sie Antiquiertes antizipiert, doch irgendwie das Repertoire der zeitgenössischen Formenlyrik angenehm erweitern könnte. Aber welchen Inhalt füllt man in ein solches Gefäß?

Francesco zog in seinem Madrigal über die Unfähigkeit der Laienmusiker her und stellte sich und die Form des Madrigals damit auf einen elitären Sockel. Auch wenn wir heute nicht mehr nachvollziehen können, worüber sich Francesco eigentlich beschwerte (die Liedform, über die er sich beklagt, ist nicht überliefert), fand ich die arrogante Überheblichkeit des Künstlers irgendwie nachvollziehbar, hatte ich mich über Laiendichter doch selbst schon genug aufgeregt. Es ging mir aber letztlich nicht darum, ein konkretes Schmähgedicht zu verfassen, sondern darum, eine Emotion festzuhalten, das Gefühl von Überlegenheit, welches in formvollendetem Schimpf sich manifestiert.

Ich wollte auch, wie Francesco, einen „poetologischen Text“ verfassen, also ein Gedicht, das quasi performativ sich selbst und sein Dichten reflektiert. So wie Frau Musica über den Verfall der Musik singt, freut sich mein lyrisches Ich, dass es aufgrund der Unfähigkeit anderer dazu befähigt ist, sich in einem Gedicht darüber aufzuregen. Das fand ich irgendwie witzig, weil es dem gesamten Text einen selbstironischen Touch verleiht. Denn so ganz ernst kann man solch Gejammer wohl selbst nicht nehmen.
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Lyssos

Montag, 07. Mai 2007

[audio:lev03.mp3]
Lyssos

für A.S.

Ich glaubte jenen, die mich Egoistin nannten.
   Zur bittern Marter zwang des Glaubens stille Qual,
die harten Worte derer, die mich besser kannten.
   Und Unsichtbares triumphiert im Jammertal.

Was kann ein Lahmer denn mit Tatendrang beginnen?
   Ich will nichts wissen von der Welt, die an mir nagt.
Die goldnen Hennen singen für die Königinnen –
   ein Wort ist nichts, vergessen schneller, was nicht plagt.

Ich will die Haare mir von meinem Kopfe reißen,
   daß ich für euch gelacht, wo jede Maske fällt,
wo falsche Scham und Spott selbst den Zynismus beißen.
   Euch geht es gut, was soll ich noch auf dieser Welt?

Selbst dich, geliebter Lyssos, kann ich nur noch hassen.
Ich kann mein Grab nicht tief genug herunterlassen!

III | Okt. 2003

Zur Entstehung

In der griechischen Mythologie ist Lyssa der personifizierte Wahnsinn. Ich weiß heute nicht mehr, warum ich mich damals dafür entschieden habe, aus Lyssa (feminin) einen Lyssos (maskulin) zu machen. Vielleicht war es meine feministische Emanzipation, nach der ich mich weigerte den Wahnsinn durch eine Frau verkörpert darzustellen. Vielleicht war es aber auch gerade deren Mangel, eine Kopfbarriere, die es mir nicht erlaubte, eine Frau in eine derartige „Charakterrolle“ zu stecken. Heute hätte ich mich für Lyssa entschieden…

Der Text thematisiert eine (psychologische) Katharsis, den verzweifelten emotionalen Ausbruch eines Menschen, der erkennt, dass er sich für eine falsche Vorstellung von Glück verstellt und sich dabei selbst verloren hat. Der Schlußvers ist dabei nicht so wörtlich gemeint, wie er bei vielen Lesern angekommen ist. Der Ausweg aus dem inneren Konflikt der Selbsterkenntnis ist nicht die Auslöschung des Selbst, sondern die Auslöschung des unerträglich gewordenen Teils des Selbst, sprich die eigene Verstellung, die Maske.

Ich empfinde Lyssos aber nicht nur aus diesem Grund heute als unzulänglich. Am meisten stört mich die Anspielung in Q2V3, weil sie vom Leser ein Spezialwissen erfordert, das über die Allgemeinbildung weit hinausgeht. An sich wären solche speziellen Anspielungen kein Problem, wenn sie als Zusatz für den versierten Leser konzipiert sind. Hier greift sie aber direkt in den logischen Zusammenhang des Textes ein und dafür ist sie zu speziell.

Ich kann von meinen Lesern nicht verlangen, dass sie Neidharts Lied „Sinc an guldin huon!“ (Singe, goldener Hahn!) gut genug kennen, um zu verstehen, warum in meinem Gedicht nun goldne Hennen singen. Ich kann nicht einmal verlangen, dass meine Leser dieses Lied oder dessen Verfasser überhaupt kennen. Trotzalledem scheint der verzweifelte Charakter des Textes noch immer gut genug rübergekommen zu sein, als dass er seinen eigenen kleinen Fankreis bekommen hat…

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poeta feminas invocat

Montag, 07. Mai 2007

[audio:lev02.mp3]
poeta feminas invocat – Die Anrufung der Frauen

Ihr edlen Frauen von erlesener Gestalt,
   von klarem Geist und reizvoll listigem Gemüt,
euch rufe ich mit innig brausender Gewalt,
   um euer Ohr, um eure Gunst bin ich bemüht.

Mich peitscht die Sehnsucht, mich, den Sklaven von Kyther.
   Im Reich der Venus, die mich einstmals reich beschenkt,
wer glaubt, daß dort die Einsamkeit sich kalt und schwer
   herab ins Herz des sterbenden Poeten senkt?!

Ach, fände sich eine, die klug wie Athene,
wenn eine es gäbe, so schön wie Helene,
   die zärtlich mich mit ihrem sanften Blick verwöhnt,
   helas, die wäre es, die mir das Leben krönt!

So hört mich an, die ihr mir Rettung bringen könnt –
ich harre eurer Antwort – sei sie mir vergönnt!

II | Jul. 2003

Zur Entstehung

Das Poeta-Feminas-Sonett entstand zu einer Zeit, in der die Idee an eine „Karriere“ als Online-Poetin noch in weiter Ferne lag. Ich hatte mich schon immer für Dichtung interessiert und heimlich selbst einige Versuche unternommen. Aber mit „Die Hoffnung des Narren“ gelang mir zum ersten Mal ein Werk, von dem ich glaubte, dass es diesen Namen auch verdient. Ich war stolz auf die gelungene Umsetzung meines Plans, dachte aber noch nicht an eine Veröffentlichung in dem Sinne.

Erst mit „poeta feminas invocat“ kam mir der Gedanke, für ein Publikum zu schreiben oder viel mehr kam dieser Gedanke und brachte mir die Idee zur Umsetzung. Ich schaltete das Gedicht tatsächlich innerhalb einer kleinen lesbischen Community als Anzeige, natürlich um zu sehen, ob nicht vielleicht doch die eine oder andere passende für mich dabei wäre, vor allem aber aus Neugier auf eine erste Leserresonanz. Es war ein Test und er hat auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht, Lust auf mehr Publikum und Lust auf mehr dichterische Verführung. Trotzdem sollte es noch mehr als ein halbes Jahr dauern, bis ich einen Ort für organisierte Veröffentlichungen meiner Texte fand.

Einige fragen sich vielleicht, weshalb ich einen lateinischen Titel gewählt habe. Die Antwort ist, ich weiß es selbst nicht mehr so genau. Ich befand mich während dieser Zeit am Anfang meines Lateinstudiums und fand es irgendwie witzig, dass „poeta“ eines der wenigen maskulinen Worte ist, das der femininen a-Deklination folgt. Diese Dissonanz zwischen Genus und Sexus fand ich interessant, gerade in Bezug auf den Ort der Erstveröffentlichung und den Umstand, dass im Text selbst das Geschlecht des lyr. Ichs nicht genannt wird. Dies ermöglichte mir auch meinen geschlechtlichen Narrenstatus, den ich anfänglich im Web genoß – die meisten Leser können einfach nicht umhin, im lyr. Ich immer den Autoren zu sehen und an Homosexualität denkt man vielleicht einfach nicht als erstes, solange es einen nicht selbst betrifft. Später fügte ich den deutschen Anhang an, weil der Umstand eines lateinischen Titels an sich keine künstlerische Aufgabe erfüllt und ich meine Leser nicht unnötig mit Fremdsprachen schikanieren wollte.

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Die Hoffnung des Narren

Montag, 07. Mai 2007

[audio:lev01.mp3]
Die Hoffnung des Narren

O Falsche, du, dir will ich nicht mehr länger dienen,
   läßt du mich herzlos unter eisgen Sonnen stehn.
   Denkst du, ich würde immer deine Schönheit sehn,
allein dich preisen, funktionieren wie Maschinen?

Ich will erlösen mich von diesen Sklavenbanden,
   die mich zu lange schon an eine Schlange ketten,
   will meinen Geist befreien, ihn vor dir erretten,
und morgen rettend weiterziehn in freie Landen.

   Willst endlich du den Lohn für meine Müh mir geben,
   so will ich rasch zu neuen Diensten mich erheben,
will meine Sonnen tausendfach erstrahlen lassen,
   dir Freudenquell, dir treuster aller Knechte sein.

Doch tust du’s nicht wird meine Liebe bald verblassen
   und blinder Haß erinnern an den einstgen Schein.

I | Jun. 2003

Zur Entstehung

Mit diesem Sonett debütierte ich im Februar 2004 bei gedichte.com und vor der Weltöffentlichkeit. Nie zuvor hatte ich jemandem meine Gedichte gezeigt oder überhaupt davon geredet, dass ich Gedichte schreiben würde. Dieses hier war das erste wirklich geplante Gedicht, das erste, an dem ich entworfen, verworfen und schweißtreibend gearbeitet hatte. Es war das erste meiner Gedichte, das mir am Ende ausgereift genug erschien, als dass ich es einer Öffentlichkeit präsentieren könnte, ja, wollte, ohne mich schämen zu müssen.

Als ich es schrieb, hatte ich schweren Liebeskummer und meiner Auserwählten viele Liebesbriefe zukommen lassen. Deren Sprache hatte Ausdruck meiner edelsten Gesinnung sein sollen, denn ich neigte damals stark zur Theatralik und hatte diese kränkelnde Liebe bereits zu einem Kunstwerk stilisiert. Sie wurde mein erstes, wirklich poetisches Produkt, aus dem ich viel Schöpfungskraft zog, natürlich zu ungunsten der Beziehung, die ich damals wirklich hatte. Die meisten meiner jüngeren Gedichte entstanden aus diesem Kontext und engere Freunde von mir können durchaus noch deutlich ablesen, bis wohin das lyr. Ich einer biographischen Realität entspricht und ab wann diese biographische Realität zum künstlerischen Ausdruck, sprich zur Fiktion, wird.

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An die Mate

Donnerstag, 12. Mai 2005

An die Mate

für H.F.

Mich scheute, Goldne, einst dein herbes Wesen,
das man in Hackerkreisen breit studierte,
und Ekel packte mich, ob aller Thesen,
als ich am Glase deinen Kuß goutierte.

Wie hast du mich seitdem an dich gebunden,
beharrlich dich in meines Kopfes Leere
gefressen, genommen mir die müden Stunden,
dass ich mich nun allein nach dir verzehre!

Umspühlst du sanft mir meine trocknen Mandeln,
beflügelt mich dein Naß zu weisem Rate.
Zwingt mich dein Fehlen, ohne dich zu wandeln,
so leid‘ ich Todesqualen, du geliebte Mate.

27./28.12.05 – Berlin, 22C3

Zur Entstehung

club-mateIn der Nacht vom 27. zum 28. Dezember 2005 saßen wir hinter den Kulissen des 22C3 im Kassenraum, tranken Club-Mate und redeten über Gott und die Welt. Und während wir so saßen und redeten, bemerkte Henriette, selbst Jurymitglied des CCC Gedichtwettbewerbs „Lyrical I“, der am nächsten Tag ausgewertet werden sollte, dass seltsamerweise kein beteiligter Dichter das coffeinhaltige und darob unter Nerds beliebte Erfrischungs-Getränk thematisiert hatte. Ihre Enttäuschung konnte ich gut verstehen. Noch in derselben, auf Sofa und Isomatte im Kassenraum verbrachten Nacht schrieb ich meinen Lobgesang „An die Mate“.

Club-Mate wirbt übrigens mit dem Spruch: „Man gewöhnt sich dran“, der wahrer nicht sein könnte. Auch ich hatte meinen allerersten Schluck im Sommer 2005 beim WTH damals auf die Wiese gespuckt. Inzwischen bin aber auch ich schon lange süchtig.

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