Generation Praktikum

Bei einem Poetry Slam im Bastard*1 hatte ich mal einen richtig guten Text zu diesem Thema gehört – billige Arbeitskräfte zum gepflegten Ausbeuten. (Wer den zufällig kennt oder weiß, wie man dran kommt, der kann ihn mir ja mal schicken.) Gestern hat mich xipulli aber auf eine Seite hingewiesen, die ich allen Leidensgenossen nicht vorenthalten möchte.

Die Fairwork e.V. vergibt inzwischen Qualitätssiegel für Arbeitgeber, die bezahlte und faire Praktika anbieten. Außerdem klären sie über Rechte von Praktikanten auf, liefern Erfahrungsberichte und sonstige interessante Details zum Thema, z.B. dass eine neue HIS-Studie herausgefunden hat, dass Praktika den Einstieg in den Arbeitsalltag überhaupt nicht erleichtern, wie uns das immer so schon vorargumentiert wird, damit wir uns auch ja ordentlich ausbeuten lassen.

Wenn ich mir die Graphen unseres Wirtschaftswachstums bei gleichzeitig sinkenden Löhnen*2 so anschaue, kann mir wirklich keiner mehr weis machen, unsere Wirtschaft wäre so arm dran, dass sie uns nicht mehr dafür bezahlen kann, dass wir uns für sie abrackern. Wer arbeitet, soll auch bezahlt werden!
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1. jeden Donnerstag ab 22:00 Uhr im Basdard Club (Prater) Berlin, Kastanienallee 7-9, 10435 Berlin
2. Pressebroschüre zum Bruttoinlandsprodukt 2006 (PDF) des Statistischen Bundesamts, besonders bemerkenswert Seite 6 (Wirtschaftswachstum 2006 um 2,5% zum Vorjahr gestiegen) und Seite 13 (Lohnkosten 2006 um -1,1% zum Vorjahr gesunken, 2005 ebenfalls um -1,1% zum Vorjahr gesunken, etc.) und außerdem Artikel bei SpOn

4 Kommentare zu “Generation Praktikum”

  1. icke
    Juli 6th, 2007 01:43
    1

    Meinst du den?

    http://www.goethe.de/ges/soz/dos/arb/gpr/de1973735.htm

  2. LeV
    Juli 6th, 2007 13:08
    2

    Ja, großartig, genau den meinte ich. Von Mark-Uwe Kling ist er also. Ich hätte nicht gedacht, dass er im Netz zu finden ist, denn als ich ihn damals im Bastard hörte, hatte er trotz meines frenetischen Beifalls nicht gewonnen. Dass er nun doch noch zu Ruhm und Ehre gekommen ist, freut mich. Warum allerdings auf den Seiten des Goethe-Instituts veröffentlicht, die selbst ihre Praktikanten nicht bezahlen, wundert mich.

  3. pringles
    August 16th, 2007 21:44
    3

    huhu lev, liebe grüße
    ich bin eher zufällig auf deinen blog gestoßen, er gefällt mir gut

    ich wundere mich auch das der gute mann nicht gewonnen hat, der text ist wirklich gut, wer war in seinem leben nicht schon einmal praktikant und hat sich ausbeuten lassen? ganz klar macht man soetwas freiwillig um einen einblick in eine berufsrichtung zu kriegen…wahrscheinlich waren die jurie mitglieder auch nur beleidigt, denn nichts geht über einen praktikanten, er macht alles, er kann alles und er gibt sein bestes
    wahrscheinlich hatten sie angst, das ihre praktikanten mithören und auf dumme gedanken kommen und sie irgendwann wieder selbst ihre hintern in bewegung setzen müssten, doch vorher müssten sie lernen was ein besen ist und wie man eine kaffeemaschine bedient…das wäre pures exestentielles chaos und würde wahrscheinlich zum weltende führen…das wäre wie mit den dinaosaueriern damals…ich glaub auch nicht das damals ein meteorit sie ausgelöscht hat, durch den artikel habe ich eine komplett neue weltansicht gewonnnen ^^
    wahrscheinlich hatten die damals auch schon praktikanten und die haben das aufrechte gehen gelernt und sind einfach fortgelaufen

    ein weiterführender gedanke wäre auch die problematik des lehrlings
    wozu etwas lernen und 250 euro im monat kassieren, wenn man mittlerweile mehr geld als hartz IV empfänger bekommt? (das übersteigt selbst die meißten rentenauszahlungen, von denen die rentner nicht einmal auszubildende einstellen könnten, höchstens praktikanten, die nicht weiter nachfragen, da sie ja nur so tun als ob und auch nur einen beruflichen einblick bekommen möchten, obwohl ihnen ein sicherer arbeitsplatz versprochen wurde)
    und da muss man nicht mal etwas tun, als lästigerweise so tun, als ob man arbeit suchen würde und praktikas absolviert, die einem eine zukunft versprechen von der man immer schon geträumt hat ^^
    wer träumt nicht davon das träume wahr werden, manchmal hat man glück, manchmal träumt man weiter und manchmal stirbt man sogar weil man einem traum gefolgt ist der sich als alptraum entpuppte

    oder man endet auf der straße, wo man keine praktikas mehr absolviert, keine ausbildung geniesst, keine arbeit hat, keine verpflichtungen, außer für sich selbst und seinen hund…der vielleicht praktikant ist? schliesslich kann er apportieren…weiß man’s?

    lottogewinner müsste man sein

    (sorry für diese gedankengänge, aber als ich den artikel las wollte ich einfach mal versuchen mitzureden)
    glg pringles

  4. LeV
    August 17th, 2007 18:48
    4

    Also mal ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass es einem als Hartz IV Empfänger wesentlich besser ergeht – im Gegenteil. Es gibt so viele Vorschriften, Repressalien, Einschränkungen der persönlichen Freiheit, etc., dass es m.E. schon gegen Artikel 1 verstößt. Und da sage noch einer, wir leben in einem Sozialstaat!

    Vollbeschäftigung ist bei unserem derzeitigen technologischen Fortschritt ein Ammenmärchen. Von denen da oben will das aber keiner sehen. Und natürlich nimmt der geldgeile Arbeitgeber lieber Praktikanten oder Ein-Euro-Jobber, anstatt qualifizierte Fachkräfte einzustellen, die er entsprechend bezahlen müßte. Vater Staat toleriert das nicht nur, er macht es durch seine verstaubte Arbeitspolitik überhaupt erst möglich.

    Und gehorsam quatscht der dumme Bürger nach: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Ganz großes Kino! Ich empfehle an dieser Stelle die Lektüre von „Das Recht auf Faulheit“ von Paul Lafargue.

    ps.: Bei einem Poetry-Slam ist die Jury übrigens das Publikum.

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