Polygamie? Also das geht nun wirklich zu weit!!1!
Queer.de verleiht Julia Seeliger, die am vergangenen Wochenende überraschend in den Grünen-Parteirat gewählt wurde, den Homo-Orden. Ein Artikel berichtet freudig darüber. Seelig wolle die Ehe abschaffen oder vielmehr wolle sie eine Gleichberechtigung aller Lebensweisen, auch unkonventioneller wie homosexueller oder polygamer Partnerschaft, die man durch eine Abschaffung der Ehe ebenso effizient erreichen würde. Für mich, die ich seit Jahren für sexuelle und geistige Befreiung und Gleichberechtigung kämpfe, eigentlich eine prima Idee.
In den Kommentaren zum Artikel präsentiert sich die Queer-Community jedoch höchst konservativ und polyphob. „Gegen monogame Beziehungen zeitlich hintereinander im Leben ist nichts einzuwenden„, meint Gerd, aber sich gleich für polygame Beziehungen auszusprechen, das sei falsch. „Wir sind nicht im Islam, liebe Queer„, heißt es weiter und überhaupt: „Was haben die Inhalte von Frau Seeliger noch mit den Forderungen von homosexuellen Paaren zu schaffen?“
Nicht nur, dass hieraus eine deutliche Unkenntnis der Lebensweisen muslimischer Gläubiger spricht, nein, auch Unlogik, Egoismus, Intoleranz und Borniertheit, sind Begriffe, die mir sofort in den Sinn kommen. Es ist geradezu erschreckend, welch kleinkariertes Denken diese Argumentation offenbart.
Vor gar nicht allzu langer Zeit war es gesetzlich Verboten, dass sich der Mann zum Manne gesellt. Sexuelle Beziehungen unter Frauen waren in der Tat so tabu, dass sie nicht einmal thematisiert wurden. Es war und ist noch immer ein Kampf, für die Freiheit solch unkonventioneller Ideen von Partnerschaft einzutreten. Wie oft erfahren Homosexuelle noch die Gewalt und Aggression jener, die sie für abnormal, widernatürlich, ekelhaft halten, die andere Lebensweisen schlicht nicht akzeptieren können, weil sie anders sind?
Und nun kommen diejenigen, die so lange wegen ihres „Andersseins“ unterdrückt wurden und werden selbst zu Unterdrückern „Andersseiender“? Polygame Beziehungen – undenkbar? Die Ehe abschaffen – undenkbar?
Da die Natur uns Menschen nun einmal mit nur zwei verschiedenen Geschlechtern geschaffen hat, ist eine reine Heterosexualität in einer polygamen Beziehung schon von der Logik her ausgeschlossen. Wer also behauptet, die Polygamie-Frage beträfte die Queer-Community nicht, hat schlichtweg nicht nachgedacht. Und da die Ehe nur ein signiertes Papier ist, das Menschen, die freiwillig einen Lebensvertrag eingehen, mit mehr Rechten ausstattet, wüßte ich nicht weshalb sie nicht entweder allen gleichermaßen gewährt oder eben als staatlich subventionierte Institution abgeschafft werden sollte. Das ist eine Frage der Gleichberechtigung und die sollte die Queer-Community nicht betreffen?
Ich bin enttäuscht und freue mich daher umso mehr darüber, dass queer.de den Orden für Frau Seeliger bereit gehalten hat und nicht für irgendeinen intoleranten Homo-Patrioten, der nicht einmal über den eigenen Tellerrand gucken kann.
Januar 9th, 2007 14:14
Den Begriff „Intoleranz“ könnte man auch mit Blick auf die Ehe sehen, wenn man sich diesen Beitrag hier durchliest: die Ehe abschaffen, um der Polygamie eine Chance zu lassen? Das hieße, das eine gegen das andere einzutauschen.
Ich habe nichts gegen Polygamie. Jeder soll doch so leben, wie er es für sich entscheiden mag, solang dabei keiner zu Schaden kommt – das gilt auch für die Ehe.
Daher plädiere ich eher für eine Legalisierung der Polygamie. Alles andere wäre – auch mit Blick auf unseren Kulturkreis – geradezu eine Verweigerungshaltung gegenüber diesem und seiner Entstehung/Geschichte.
Januar 9th, 2007 16:27
Mal abgesehen davon, dass Polyamourie und -gamie nicht illegal sind, ist deine Argumentation nachvollziehbar, wer auch immer du bist. Aber du vergißt, dass es bei der „Abschaffung der Ehe“ nicht darum geht, die Ehe zu verbieten/illegalisieren. Soll doch jeder eine Party in weiß feiern, wann und wie oft er mag. Es geht um die Kritik an der staatlichen (und gesellschaftlichen) Bevorzugung der Insitution Ehe.
Eigentlich ist ja die Ehe nicht mehr als ein Vertrag, den Menschen mehr oder weniger freiwillig über ihr Zusammenleben abschließen. Es besteht also schon mal eine Ungerechtigkeit, wenn nicht alle Menschen, die solche Verträge machen möchten, dieselben Verträge machen dürfen, bzw. danach die gleichen Rechte und Vorzüge solcher Verträge genießen (s. eingetragene Partnerschaft, etc.).
Aber dann gibt es auch genügend Menschen, die können sich über ihr Zusammenleben einigen, ohne dafür unbedingt irgendeinen Vertrag miteinander aushandeln zu müssen. Die geben sich quasi ein Ja-Wort, ohne amtlich bestempeltes Zeugnis, leben deswegen aber nicht minder zusammen. Warum sollen nicht auch die dieselben Rechte und Vorzüge genießen, wie alle anderen, die sich entschieden haben zusammenzuleben?
Wenn aber alle die gleichen Rechte hätten, dann wäre der Ehevertrag eine Kann-Sache. Kann man machen, wenn man das unbedingt braucht oder kann man lassen. Das Pärchen würde nicht mehr sagen: „Los komm, laß uns heiraten, dann ist das mit den Steuern alles einfacher, wir dürfen ein Kind adoptieren und ich kann dein Vormund sein, falls du mal ins Krankenhaus kommst und nicht mehr selbst entscheiden kannst.“ Denn das könnte dan grundlegend auch jedes andere Pärchen, Tripplett, Quadrupel, …
Was aber wäre von der „traditionellen“ Ehe noch übrig, wenn es so wäre, dass alle, die sich für ein Zusammenleben in welcher Weise auch immer entscheiden, die gleichen Rechte und Vorzüge genössen, mit oder ohne Vertrag? Sie verlöre ihre insitutionelle „Alleinherrschaft“ und wäre in dem Sinne abgeschafft. Die „Abschaffung der Ehe“ ist also eine Art logische, sich von selbst einstellende Folge der Gleichberechtigung aller Lebensweisen.
Juni 19th, 2007 12:48
Ach ja, schon seit einer Weile sind die „Monogamie ist keine Lösung“ T-Shirts fertig, die Julia auf ihrer Seite anbietet: Zeitrafferin
Mein Bruder hat neulich schon das „Modell Steineschmeißer“ zur Schau getragen. Sehr ansehnlich.
Oktober 14th, 2007 13:12
den beitrag finde ich sehr interessant, ich bin selber schwul und würde mir wünschen das man toleranz nicht immer als ausrede nehmen würde, sich zu rechtfertigen und jemanden hinten herum zu sagen das man ihn im eigentlichen nicht leiden kann, denn genau das ist es was unsere gesellschaft ausmacht.
wir werden zwar toleriert, aber respektiert werden wir nicht, da käme die eheschliessung nach wunsch und nicht nach gesellschaftsrichtlinien gerade recht, die liebe steht bei einer eheschliessung eh im hinterzimmer, denn das ist die kleinste frage die sich zukünftige ehepaare stellen, die hauptfrage ist doch, was ist wenn ich nicht mehr bin und wer hat ein recht darauf darüber zu entscheiden das ich vielleicht nicht mehr bin, falls ich es nicht mehr selber entscheiden kann?
zudem fände ich es gut wenn homosexuelle eine eheschliessung eingehen dürften, von der lebenserwartung her sind heterosexuelle ohnehin nicht kompatibel.
wenn sie entscheidet, das er ihr vermögen auf den kopf hauen darf nachdem sie mit 70 verstirbt, hat er noch knappe 5 jahre um sein glück zu machen mit ihrem geld, aber meißt ist es ja genau anders herum, sie lebt länger also vermacht er ihr all seine reichtümer…lustig wirds erst dann wenn er schulden hatte.
einer monogamie, welche auf eigenem entscheiden und wahrer liebe ohne bindendes schriftstück zurückzuführen ist, stimme ich zu.
ein schriftstück wird anfangs aus freien stücken verfasst, aber im nachhinein wünscht man sich oft man hätte es nie unterschrieben, es engt die freie liebe, auch zum eigenen partner mehr als ein und macht viel kaputt was zuvor sehr heile war, wie oft hört man das paare 10 jahre glücklich zusammen waren und dann heiraten um sich 1 jahr danach wieder scheiden zu lassen? zu oft für meinen geschmack
und was da für weiterer schreibkram und wartezeiten auf einen zukommen ist ohnehin albern, welcher normale mensch tut sich sowas aus liebe an, das können doch nur menschen sein die von der liebe nichts verstehen
klar möchte man mit seinem partner ein leben leben und eine zukunft planen, aber das möchte jeder denke ich, bei den einen klappt es, bei den anderen nicht, egal ob man das nach 1 jahr oder nach 25 jahren ehe für sich heraus findet.
entweder man gibt die ehe für alle frei, egal welchen denkens und welcher sexuellen orientierung dieser jemand ist, oder aber man lässt sie zu und kann heiraten auf wunsch und nicht auf zwang, denn jedes schreiben beinhaltet kleingedrucktes, vertrag ist vertrag
ich fände es schön wenn ich meinen partner frei begleiten dürfte, mit ihm kinder adoptieren könnte, eine eheschliessung nach freiem empfinden schliessen könnte ohne das kleingedruckte zu lesen,was ohnehin keiner macht.
ich möchte ihn auf allen wegen begleiten, besonders auf seinem letzten, doch ich meine selbst da gibt es einschränkungen, das ist verletzend und von gleichberechtigung ist dort keine spur zu erhaschen, einem nicht ehelichen partner sind die hände gebunden wenn es darum geht einem menschen den man liebt zu lieben
mich verärgert soetwas
glg pringles
was ist das modell steineschmeißer? wer ohne sünde ist… etwas in der art?
Oktober 14th, 2007 14:45
Nun, zunächst einmal ist Respekt in meinen Augen keine Frage des Geschlechts, der Sexualität, der Herkunft, Hautfarbe oder was weiß ich sonst noch. Ich habe Respekt vor Menschen, die sich diesen durch ihr Verhalten, ihre Taten oder ihre Denke verdient haben. Ich finde, jeder sollte frei darüber bestimmten dürfen, was nach seinem Tode mit ihm geschieht, wer sein Vermögen bekommt oder wer die Vormundschaft erhält, wenn man selbst nicht mehr entscheiden kann. Das sollte unabhängig von der Ehe für jeden Menschen möglich sein. Ist es aber faktisch derzeit noch nicht und damit ist die Ehe ein gesellschaftliches Privileg. Im Sinne der Gleichberechtigung aller Lebensweisen sollte es solche Privilegien nicht geben, weder für homosexuelle Paare, noch heterosexuelle Paare, noch Trios, noch Quadrupel und in welchen Lebensweisen sich Menschen auch immer wohl fühlen. Die Konsequenz ist also entweder die komplette Abschaffung der Ehe oder ihre Akzeptanz als Vertrag zwischen welchen Vertragspartnern und mit welchen Inhalten auch immer. Meinethalben könnte man einen solchen Vertrag auch Ehe nennen, wenn man denn will. Aber ich finde die Idee, ihn einfach nicht Ehe zu nennen, durchaus anregend, weil der Begriff Ehe bei uns doch schon ganz schön festgefahrene Denkmuster assoziiert, von denen wir uns im 21. Jh. endlich befreien sollten.
März 20th, 2009 12:44
Ich will Dir zunächst nicht widersprechen, erst einmal nur fragen: Was denkst Du über das Argument, daß die Ehe gesellschaftlich deshalb privilegiert wird, weil sie für die Gesellschaft einen besonderen Wert hat? Daß jeder Mensch nach seiner eigenen Facon selig werden soll, kann nicht ernstlich bestritten werden. Wenn aber die Gesellschaft Vorteile gewährt, indem sie z.B. auf Steuereinnahmen verzichtet, wäre es dann nicht auch relevant für die Beurteilung, welchen Vorteil die Gesellschaft selbst daraus zieht? Eine gegengeschlechtliche und mit einem signifikanten Maß an Verbindlichkeit und gegenseitiger Fürsorgepflicht ausgestattete Partnerschaft ist immer noch der soziale Ort, an dem die Mehrheit der Kinder geboren wird. Ein Kind in die Welt zu setzen ist ein hohes Lebensrisiko, und noch immer ist, so interpretiere ich die Statistiken über eheliche und nichteheliche Geburten, die Mehrheit gerade der Frauen nur dann bereit, dieses Risiko einzugehen, wenn sie zumindest auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bauen können, nicht allein gelassen zu werden. Kann die emotionale Bindung zwischen den Teilhabern an einer Viererbeziehung diese Qualität erreichen? Ist es denkbar, in unserem Kulturkreis Sitten zu etablieren, wie sie in manchen afrikanischen Dorfgemeinschaften herrschen, daß nämlich alle geschlechtsreifen Dorfbewohner eine große Gemeinschaft bilden und die Kinder von allen gemeinsam aufgezogen werden? Ich habe da meine Zweifel, denn die europäischen Großstädte geben doch einen anderen Rahmen vor.
Nochmals: Ich bin in diesen Dingen weder Traditionalist, noch habe ich irgendein Problem mit homosexuellen oder polygamen Beziehungen. Ich frage nur: Hat das Kollektiv ein berechtigtes Interesse an seiner biologischen Reproduktion? Ist die Ehe eine rechtliche Institution, die diese de facto fördert? Ist es legitim, staatliche Vorteile für etwas zu gewähren, was (unabhängig von unbestrittenen individuellen Rechten und Bedürfnissen) im Interesse des Staates ist?
Das klingt suggestiv, aber ich möchte wirklich wissen, was Du dazu meinst.
April 14th, 2009 11:40
Hallo Sigmar, du hast mit deinen Suggestionen sicherlich nicht unrecht, jedoch betrachte ich solche Fragen aus mehreren Perspektiven. Wie steht die Welt momentan in Puncto Ehe und möchte ich, dass das für immer so bleibt? Den ersten Teil beschreibst du, mir geht es darum, den zweiten zu beleuchten. Dahingehend glaube ich sehr wohl, dass anderen Formen des Zusammenlebens als die traditionelle Mutter-Vater-Kind-Kernfamilie ebenso familiären Halt, Sicherheit und gegenseitige Fürsorge gewährleisten können. Die Verbindlichkeit ist in größeren Familiengemeinschaften sogar höher, da sich mehrere Partner für einen verantwortlich fühlen und kaum alle gleichzeitig feststellen werden, dass sie die Verbindung jetzt aufgeben wollen.
Es ist fair, dass der Staat das Projekt „Familie“ durch Steuersenkungen, etc. unterstützen möchte. Es ist aber unfair, dass er das nicht für jede Form von familiärer Gemeinschaft in gleichem Maße tut. Warum dürfen nur die traditionellen Monogamisten in einer Frau-Mann-Zweierbeziehung Verträge miteinander abschließen und warum erkennt der Staat nur diese (wenig flexiblen) Verträge als unterstützenswürdig in Bezug auf familiäre Sicherheiten an? (Zumal Ehen häufig trotzdem frühzeitig geschieden werden.) Das hat rein traditionelle Gründe – weil wir so sozialisiert wurden, weil es schon immer so war und wo kämen wir denn hin, wenn wir… Ja, wo?
Das Konzept der Mann-Frau-Ehe + Kind ist kein Naturgesetz, andere Kulturen, andere Tiere leben uns andere (und nicht per se schlechtere) Konzepte vor. Wir könnten, wenn wir wollten, auch mal andere Möglichkeiten abchecken und sehen, ob wir uns nicht vielleicht sogar wohler damit fühlen würden. Wir hängen aber zu sehr in unseren traditionellen Konzepten fest, was entweder dazu führt, dass wir aktiv nichts anderes probieren oder passiv all jene belächeln, die es anders probieren, anstatt sie zu unterstützen. Offenbar müssen wir uns erst von den alten Mustern loslösen, um neue Muster zulassen zu können und deshalb spreche ich mich hier für den dekonstruktivistischen Ansatz aus. Keine Ehe für alle, dann haben alle die gleichen Voraussetzungen, um sich und ihre Familienvorstellungen zu verwirklichen.
Liebe Grüße, LeV.