Sprachvirtuosen, quo vadunt?

Sprache ist mir ein faszinierendes Ding, dessen Betrachtung mich seit jeher erstaunt. Als ich das erste Mal von einem Sprachkunstwerk so begeistert war, dass ich glaubte, über seiner Komplexität verrückt werden zu müssen, nahm ich mir vor, die tiefsten Gründe der Sprache zu ertauchen und ihren Gebrauch als Dichter subtil zu kultivieren.

Inzwischen bin ich aus diesem Grunde auch Mitglied in einigen online Lyrik-Foren geworden. Wer aber angesichts der nicht geringen Userzahlen glaubt, ich hätte dort viele Gleichgesinnte getroffen, der irrt. Unter jenen, die sich dort Dichter und ihre Texte Gedichte nennen, gibt es nur ganz wenige, die Poesie in erster Linie mit dem Wort “Sprachkunstwerk” verbinden. Für die Mehrheit ist Sprache angesichts emotionaler Selbstoffenbarung zu Therapiezwecken unwichtig geworden. Die geistige Planung und handwerkliche Arbeit am Sprachwerk ist verpönt, denn Authentisches könne nur spontan entstehen, darauf käme es an. Wo allein die Forderung nach Sprachvirtuosität aggressive Reaktionen hervorruft, ist man von sachbezogenen Diskussionen über Sprache und Poetik weit entfernt.

Für jemanden wie mich ist das ein weitestgehend unbefriedigendes Ergebnis. Wo finde ich sie, die begeisterten Sprach-Cracks, um mit ihnen zu fachsimpeln, wenn nicht unter den Dichtern? Maha, seinerseits Sprachwissenschaftler, eröffnet mir in seinem Blog mit einer kurzen Liste linguistischer Blogs neue Horizonte, die es zu erforschen gilt. Vielen Dank dafür.

16 Kommentare zu “Sprachvirtuosen, quo vadunt?”

  1. JazzeinalterbekannterArt
    März 15th, 2006 16:26
    1

    Sprachvirtuosität ist der Gipfel der Poetik, ebenso wie Improvisation die Kunst von Miles Davis ausgemacht hat. Um diese Kunst, die womöglich eine Blüte ist, die nur einen Tag im Jahr blüht, zu finden bedarf es auch vieler Fehlschläge, die im Anfänglichen Rausch des “Dichters” als Kunst gesehen werden. Am Anfang ist es meines erachtens wichtiger vertraut mit Wörtern zu werden (woraus sich Sprachvirtuosität entwickelt) und den Versuch zu wagen Gedanken in Poesie zu fassen. Aber Sprachvirtuosität, an der ich interessiert bin, entwickelt sich erst durch harte Arbeit. Und durch noch härtere zu einem eigenen Stil.
    Gruß

  2. Martina Merks-Krahforst
    Januar 10th, 2008 13:34
    2

    Guten Morgen !

    edit: Kommentar wegen Werbeinhalten von der Administration entfernt.

    Viel Inspiration wünscht

    Martina Merks-Krahforst – ETAINA-Verlag

  3. LeV
    Januar 13th, 2008 12:42
    3

    Werte Martina Merks-Krahforst, mein Blog versteht sich nicht als Werbeplattform für Hobbydichter und möchte deshalb auch in seinen Kommentaren nicht derart beworben werden. Ich gehe davon aus, dass meine Leser, sofern sie an solchen Angeboten interessiert sind, sich selbstständig informieren können und entferne deshalb ihren zwar umfangreichen, aber trotzdem themenfremden Kommentar.

  4. fatcat
    Juni 20th, 2008 03:24
    4

    Quo vadunt?

    Ich vermute, dass das seltene Talent, verbunden mit dem seltenen Perfektionswillen, eine insgesamt zu seltene Kombination darstellt, um sich in großformatigen Foren würdig vertreten lassen zu können. Schon das Mehrheitsstreben einer demophilen Gesellschaft spricht dagegen, frech ausgedrückt.
    Aus diesem Grunde kann man sich sicher sein, dass in einer Diktatur die ‚wahren Virtuosen‘ viel einfacher dingfest gemacht, diskutiert und gepriesen werden könnten, weil dort ohnehin ein Trieb zur Einzelautorität herrscht. Nach künstlerisch-qualitativen Kriterien will ich die beiden Systeme hier nicht untersuchen, darum geht es nicht – ich will lediglich den Gedanken einflechten, dass die von dir, LeV, beschriebene Unzufriedenheit eine nicht unbedingt zu verdammende Notwendigkeit, aufgrund der Begleiterscheinungen des sozialen Trends ist (hier gemeint sowohl in kleinen Dimensionen: „Mode“, als auch in größeren: „politische Lage“, als auch in allgemeinen: „der status quo dieses Ausschnitts der Menschheit“).
    Das Forum gibt, stellt dar, überzeichnet, verdeckt, nur was es kann: die Benutzeridentitäten, die sind.

    Daher nehme ich, trotz ebenso unbefriedigender Erfahrungen im Forumsbetrieb, das alles möglichst locker, denn ich lebe nur jetzt, und es gibt Momente, die für andere entschädigen – vor dieser Erkenntnis muss leider manchmal erst der Rauch des Zorns verfliegen, zugegeben.

    Hier meldete sich in gewohnter „Spätlese“-Manier gerne zu Wort:

    fatcat

    Optimistischen Gruß!

  5. LeV
    Juni 23rd, 2008 11:13
    5

    Zugegebenermaßen, es ist ja über zwei Jahre her, dass ich diese Worte äußern mußte. Ich habe in meinem Stammforum damals eine Menge mitgenommen. Aber irgendwann verebbte das und alles wurde starr und gleichförmig; nicht weil sich das Forum verändert hätte, sondern weil ich mich verändert hatte. Das Forum bot mir also keinen Närboden für eine Weiterentwicklung mehr. Und letztlich ist so ein Online-Forum auch irgendwie ein Abbild unserer Gesellschaft. Wie oft trifft man auf der Straße Menschen, mit denen man Pferde stehlen gehen würde!?

  6. fatcat
    August 4th, 2008 15:25
    6

    Oh yeah. „Gibt es diese Menschen überhaupt noch?“ fragte Alice den Zauberer. (fiktives Zitat)

    Meine Einstellung zu Foren hat sich generell auch geändert. Ich habe keinerlei Erwartung mehr, dass regelmäßig etwas Besonderes und Tolles geschieht. Sollte sich jedoch etwas Nennenswertes ereignen, bin ich in Bereitschaft daran mitzuwirken (solange es kein Geld kostet).

    Auf der Straße finde ich ebenfalls viel Lärm um Nichts, neben den gelangweilten Lustwandlern vor allem beschäftigte Typen ohne Ende, Angestellte und Ausrichter, die viel anstellen und wenig ausrichten. Weder Pferde noch Diebe.

    Ah, siehst du, das ist der Überblues gegen den Überdruss.

    Gruß,

    fatcat

  7. LeV
    August 7th, 2008 11:13
    7

    Ach, blusig muß man deswegen doch nicht werden. Wer wird denn sein Herz an solche Nichtigkeiten hängen. Sagen wir mal so: Es war schön, solange es gedauert hat und jetzt Good-Bye ohne Gram. So ist das Leben. Wir verändern uns und was sich nicht mit uns verändert und uns jeden Tag zum Neu Kennenlernen motiviert, das entfremdet sich uns. Ist doch schön, wenn man das erkennt und sich von der Illusion einvernehmlich trennen kann, anstatt ihr ein Leben lang hinterherzurennen.

  8. fatcat
    August 12th, 2008 03:54
    8

    Der Blues (besser: Groll) ergreift mich auch eher bei der Wahrnehmung einer subtilen Gelähmtheit bei den meisten Menschen in diesem Gesellschaftsgebilde. Aus meinem detaillierten Freud- und Leidwesen ziehe ich die Lehren recht schnell (wenigstens die theoretischen) – ein Forum hier, eine Gesprächsrunde da, ein Wettbewerb, ein Verlag dort, im Einzelnen betrübt das nicht; ich frage mich nur, was einen eigentlich motivieren sollte, für diese im Großen und Ganzen unkreative, von materiellen Werten geleitete und unvorstellbar langsame Mitmenschheit auch nur ein Wort aufzuschreiben. Und ob die sich einst soweit bessert, dass dann eine Mehrheit von Virtuosen, Träumern und Kindern ein lohnendes Biotop vorfindet. Das wäre meine fundamentale Illusion, der ich keinen Kompromiss anzutun bereit bin, mithin darf gelacht werden. Will aber hier nicht weiter abschweifen: Du hattest schon Recht, was einzelne Erfahrungen angeht.

    PS: Ich merke, dass ich mich in deinem blog öfter und freimütiger zu meiner irgendwie überflüssigen Menschenwahrnehmung äußere, als sonst irgendwo, frage mich, wieso. Vermutlich ist es der dunkle Hintergrund deiner Homepage oder du vertrittst für mich, was mit den Texten zusammen hängt, ein hoch stehendes Interesse. Versuche bald wieder themengebunden zu kommentieren, wie man’s erwarten würde.

  9. LeV
    August 12th, 2008 17:34
    9

    Ach, eine rundum aktive, motivierte Menschheit – das ist doch ein hohes Ideal und gleichsam langweiliges Ziel. Es gab immer wenige Menschen, die Dinge in der Welt bewegt haben und viele, die „Ja“ und „Amen“ sagten. Der Mensch ist ein Herdentier, besonders in Deutschland. Aber ich finde das gar nicht so schlimm, denn das war ja immer so. Man muß man eben selbst dafür kämpfen, dass man die Welt um sich zu einem lebenswerten Ort macht.

    Ganz ehrlich, im Paradies würde ich auch nicht leben wollen, denn dort gibt es ja nichts mehr, für das es sich zu kämpfen lohnt. Und wozu sollte man dann morgens noch aufstehen…?

    Also, nicht den Kopf hängen lassen und glauben, es wäre alles viel schlechter als früher. Wir haben doch schon eine Menge erreicht, die Menschheit bleibt in Bewegung und wir leben in spannenden Zeiten. Was kann man eigentlich noch mehr wollen?

    ps.: Ach so, sorry, wegen des dunklen Backgrounds. Ist eigentlich nicht meine Art und auch nicht vorteilhaft für die Lektüre am Rechner. Aber dieses Design war das einzige, das meinen sonstigen Ansprüchen halbwegs gerecht werden konnte.

  10. fatcat
    August 13th, 2008 16:32
    10

    Richtig, es ging um Illusionen…
    OK, von einer Schafherde kann man nicht viel verlangen, sie führt sich eben nicht selbst ans Ziel… Wer darauf wartet, dass so etwas geschieht, verschläft sein Leben.

    Es handelt sich aber in unserer zivilisierten Welt nicht nur um passive Schafe. Es gibt viel zu lernen über diese merkwürdige Form der Aktivität, die lieber den zweiten vor dem ersten Schritt tut und so zu einem andauernden Stolpern gerät. Damit meine ich auch – Rückschwenk aufs Thema – literarische Neulinge, die noch kein Buch von innen gesehen haben, sich aber unbedingt demonstrativ eben dort registrieren und auf dreiste Weise behaupten sich zu „beteiligen“, wo Virtuose einen alternativen Betätigungsort abseits der Kulturproduktion ihres Landes finden könnten.

    Oder den monetär versorgten Liedtexter: keine Ahnung von gutem Ausdruck, aber sich in einem Gedichteforum die völlig unverdiente Bestätigung abholen wollen. Schon der Denkansatz vieler Forums-Mitglieder ist daneben, nur kann man hierüber leichter ins Fabulieren kommen als bei realen Treffen, da man ja keinen kennt. Doch gerade wenn sich die Beteiligten nicht kennen, sollten die grundsätzlichen Interessen identisch sein und nicht auch noch grundverschieden.

    Virtuose und unreifer Reimschmeißer (meist zugleich Anti-Ästhet) passen nicht zusammen, und es ist auch nicht nötig diesen Konflikt offen auszutragen (in einem Forum), denn eine Kommunikation zwischen den beiden ist sehr ineffektiv bis unmöglich, soweit ich das bis jetzt beobachtet habe. Zum Glück gibt es auch noch Zwischenmenschen, sie sind für das Bestehen einer künstlerischen Plattform ziemlich wichtig.

    Abschließend meine ich, man sollte einen Blick für diese diversen Auswüchse haben, um wenigstens für sich selbst den Weg zu den Wurzeln, dem, was wichtig ist, verfolgen zu können.

    PS: Der Background und das bestimmende Rot gehen ästhetisch in Ordnung (und ich kann am Monitor alles lesen/erkennen), nur sie verführen eben manchmal zum Untergründigen. Was ja nicht schlimm ist.

    bye

  11. LeV
    September 23rd, 2008 14:49
    11

    Na ja, das ist halt eine echte Aufgabe im Leben, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden und ich meine jetzt nicht primär, konform zu gehen, sondern eine Gesellschaft zu finden, auf die man sich einlassen, in der man sich wohlfühlen kann. Manchen gelingt das nie und es ist auch die Frage, ob es dejenigen, denen es gelingt dadurch gelingt, dass sie jeden ausgrenzen, der nicht in ihr Bild paßt. Das ist ja immer ein beiderseitiges Problem. Du denkst dir, du bist ein Virtuose und der Pfuscher soll sich mal verziehen. Aber genau das denkt sich dein Gegenüber auch. Wer hat Recht?

    Ich habe inzwischen akzeptiert, dass ich zur sogenannten Bildungselite gehöre. Aber ich verwehre mich gegen den Vorwurf, dass diese Elitenbildung aufgrund einer aktiven Ausgrenzung geschieht. Sie entwickelt sich, vielleicht weil einige Menschen die Kohle und die Synapsen haben, um sich bilden zu können und andere nicht. Das Konzept, das für mich bisher am besten funktioniert hat, war überall nach den Menschen zu suchen, die auf meiner Welle schwimmen, da es überall genau gleich wahrscheinlich ist, auf einen echt sympathischen Menschen zu treffen. Es ist überall ebenso warhscheinlich, dass man den Großteil der Menschen, die einem so begegnen, echt für die Füße findet. Aber daran muß man sich ja nicht festbeißen.

    Letztlich kann ich niemanden dafür verurteilen, dass er Anerkennung und Akzeptanz sucht, auch nicht den „Pfuscher“. Das ist nämlich ein ureigenes menschliches Bedürfnis, das ich selbst auch habe. Mir hat Gott nur sosehr ins Hirn gewichst, dass mich irgendwes Anerkennung nicht befriedigt, sondern erst die Anerkennung eines Menschen, dem ich selbst Anerkennung entgegenbringen kann. Das ist eben so.

    Und da mir Foren dahingehend zu nervenaufreibend sind und ich ständig das Gefühl habe, mich rechtfertigen zu müssen (was ich nicht angenehm finde), habe ich mir lieber hier meinen Elfenbeinturm geschaffen. Jeder, der sich für mich interessiert, kann mich besuchen kommen, sich mit mir austauschen und beide Seiten können profitieren. Aber niemand ist gezwungen, das zu tun. Das find ich fair.

  12. fatcat
    Oktober 4th, 2008 21:40
    12

    Mir scheint es nun so, als ob ich mein Leben lang in der von dir beschriebenen Problematik festhänge: einen Platz zu finden, zu besetzen, zu beanspruchen … anderen angehören oder über andere verfügen … und auch, Anerkennung umsonst bekommen zu wollen, ist mir zum Leidwesen vertraut …

    Inzwischen habe ich auch manche Konsequenz gezogen, ähnlich wie du. Ich würde jedoch nicht schreiben, dass mir Gott ein gewisses Putschmittel eingeflößt hat. Bisher habe ich mich eher für einen „Zwischenmenschen“ gehalten, Provokation und Selbstrechtfertigung vermeiden wollen, aber mein starker Hang in Richtung „Theorie“ (so ungefähr, der Ausdruck ist natürlich schwierig) hat sich unerlaubt dann doch heftig durchgesetzt. Ich schreibe nur noch in Jubelmonaten mal etwas in den allgemeinen Foren, aber in einer anderen Sprache. Ich verlege mich wieder vorrangig aufs Lesen und Vergleichen, wie ich es von klein an getan hab. Wenn Fachgespräche, dann doch eher mit Profis. Obwohl ich im letzten Detail nicht mit denen mithalten kann, bringt das wahrscheinlich allen mehr.

    Eine eigene Homepage geht mir auch schon seit einiger Zeit durch den Kopf, aber dafür sind die Ideen noch nicht reif.

    Ich bin gern hier auf deiner Seite: ein Ort sowohl zum Verweilen als auch zum Vonlosziehen, es gibt viele Anregungen, die es wert sind sich davon anregen zu lassen. Schön, dass es sie gibt!
    (Ich wiederhole mich, das passiert öfter …)

    On voit: Il y a toujours des choses
    intéressantes à raconter!

    Bye, schönes Restwochende!

    fatcat

  13. LeV
    Oktober 5th, 2008 12:48
    13

    Ich meine mit „Gott hat mir ins Hirn gewichst“ auch nicht, dass mir der Herr ein Putschmittel verschafft hätte. Ich bin nicht gläubig und mache mich hier eigentlich nur lustig über den Schicksalsgedanken. Mir ist irgendwann irgendetwas zugestoßen, dass mich hat nachdenken lassen, eine Grenzerfahrung oder ein Häufchen DNS, die den Bau einer Datenautobahn in meinem Gehirn veranlaßt hat. Ich bin wie ich bin und das ist eine Mischung aus Naturgegebenem und Erlerntem. Ich widerspreche deutlich, wenn jemand behauptet, was ich bin, sei Schicksal. Ich hab doch ein Hirn zum denken und zwei Hände, um das Leben anzupacken. Da sitze ich doch nicht rum und warte darauf, dass mich endlich mal die Muse küßt, wenn du verstehst, was ich meine.

  14. fatcat
    Oktober 9th, 2008 13:45
    14

    Ich bitte um Entschuldigung, wollte dir doch gar keinen Glauben unterstellen!

    (Das war auch als kleiner Scherz gedacht.)

    Vernunftgemäß bin ich vollig deiner Meinung, und erkenne, warum dich diese Art der Rechtfertigung absolut nervt. Ich will aber nicht ganz verheimlichen, dass ich gelegentlich eine Art Schicksalsglauben, oder ein mystisches Gefühl diesen Inhalts, verspüre. Dies soll meiner Argumentation und meinem Leben keine Richtung geben, aber ich glaube, der Einfluss dieser seltenen Momente auf mich ist ungewollt doch recht groß.

    Deshalb stimme ich in so einer Diskussion bei einigen Punkten beiden Seiten zu.

    Prinzipiell liegen meine Sympathien aber eher bei dem, der ein gesundes Selbstbewusstsein an den Tag legt und sich mutig betätigt, als bei einem jener Gläubigen, bei denen man den Unterschied zwischen (Schicksals-)Gläubigkeit und etwas anderem (Mutlosigkeit, Ängste, Minderwertigkeitsgefühle … und der ganze Katalog), nicht mehr erkennt.

    Selbstbewusstsein sollte aber auch von recht fortgeschrittener und laufend weiter betriebener Selbsterkenntnis gestützt sein, sonst ist es nicht gesund.

    Soviel dazu. Es war zwar nicht nötig, dich an der Stelle zu rechtfertigen, aber ich fand es interessant darüber zu reden. Übrigens wusste ich eigentlich schon, wie du zu dem Thema stehst, da ich viele Forenbeiträge von dir gelesen habe, in denen das schon wunderbar rüberkam. Hast mich damals schon überzeugt 🙂

    Greets!

  15. LeV
    Oktober 9th, 2008 15:02
    15

    😉 Ja, ich habe diese Überzeugung ja tatsächlich auch nicht erst seit gestern und versuche das eigentlich auch in meinen Gedichten immer mit anklingen zu lassen, dass der Mensch nicht machtlos ist, es sei denn, er glaubt nicht an seine Macht und entzieht sich der Verantwortung, es wenigstens mal zu probieren. Natürlich sind wir in eine Welt geworfen, die wir nicht bestimmen und die sich in vielem nicht von uns bestimmen läßt. Aber ich stelle mir Gesellschaft immer wie so ein Netz aus Knoten vor, die alle irgendwie aneinanderhängen und wenn man als einer dieser Knoten mal ein bisschen heftiger sich bewegt, dann stößt man die Nachbarknoten an und die wackeln dann auch und stoßen ihre Nachbarn an, etc. Ich denke also, dass man es sehr wohl schaffen kann, als Einzelner das Netz in Bewegung zu bringen. Auch wenn ich natürlich nicht leugne, dass einen auch mal der Schwung eines andere Knotens aus der Bahn wirft. Es ist eben ein chaotisches System. Aber aktionslos an das Schicksal zu glauben, finde ich (unabhängig von einer Wahrheitsdebatte) einfach zu bequem.

  16. fatcat
    Oktober 17th, 2008 22:24
    16

    Hmhm … fortgeschrittene Metapherose, wie selten heutzutage!

    Dagegen setze ich fiktiven theoretischen (Vitamin B wie) Ballast, vielleicht nicht übler als der reale:

    Ich sehe mein planendes Bewusstsein als Legislative seiner Selbst. Es benötigt der Struktur und kann sie selbst besorgen.

    Über gesellschaftliche Netze mache ich mir eher negative Gedanken, siehe umtriebig werkelnde Spinnen und gelähmte Fliegen. Haben sie eine Chance abzuwägen? Wohl kaum, darum ist es mir außerhalb des Netzes, als Beobachter, am angenehmsten. Würden sie dahin gucken, sähen sie eben mich. Dann könnten sie womöglich besser entscheiden, was ihnen recht ist und was nicht.

    Meine Lebensphilosophie braucht unbedingt noch ein paar Paragraphen, die es mir ermöglichen würden, weniger abwertend auf diese mehr oder weniger natürlichen Menschenwerke, Geflechte und Verflochtene, zu schauen. Ich habe mich oberflächlich damit beschäftigt, aber es ist ein Magen verstimmendes Thema (ich meine die Zivilisationsgeschichte). Und satt wird da auch keiner.

    In Schwung bringe ich selten wen, und wenn, so lasse ich ihn mit seiner Schwingung nun lieber allein, anstatt mich tiefer in seine individuelle Sphäre zu mischen.

    -> Ich begreife ein Individuum (u. a. mich) von einer Schutzsphäre von einigem Durchmesser umgeben (Beweis: jeder hat eine Vorstellung vom Schimmer seiner Sphäre a.k.a. ‚Lieblingsfarbe‘), solange, bis sie jemand unignorierbar durchschreitet und tatsächliche Auseinandersetzung fordert. Eine Überprüfung seiner Gründe und Rechte folgt natürlich sofort.

    *

    Was ich eigentlich sagen will, ist, dass jede Geste, Wort und Tat, zuerst bis vor die Instanz der inneren Legislative eines anderen Individuums gelangen muss, bevor etwas Reales, Langfristiges in ihm in Gang gebracht wird. An dieser Stelle setze ich mein Verständnis von der Kunst an, wie sie mir wichtig ist, eher im Sinne von der zu Papier gebrachten Botschaft. Sie kann mehrmals aufgefunden und begutachtet werden, sie kann den Moment treffen, an dem jemandes Schutzbarrieren nicht so robust stehen. Sie kann mit höherer Wahrscheinlichkeit etwas bewirken. Eben wie Werbung.

    Außerdem ermöglicht so verstandene Kunst, dass der Addressat nicht ständig Angriffe auf seine innere Festung abzuwehren hat. Ich kann es ihm hinlegen, und er kann es sich anschauen, wenn er will oder auch nicht, wenn er das nicht will, er muss nur überlegen, ob er das denn will – und schon damit ist etwas geschehen.

    Dass ich die Tat weiter hinten anstelle, hängt mit der erwähnten Bequemlichkeit zusammen, die ja, ‚verbreitet‘ ist das falsche Wort, ich würde sagen: ‚allerorten‘ … Aber das soll keine Ausrede werden. Es wird sowieso alles irgendwann getan von mehr als genug Leuten. Eile war mir erst fremd, dann zuwider.

    Bei aller Eingenommenheit von mir und meinen Worten, gewahre ich die Schwierigkeit alles dessen, und der Außenseiter-Bonus wird auch nicht mehr vergeben, wäre meine Kunst auch vortrefflich. Darum ist mir die Aussicht auf ‚Erfolg‘ (wessen?) nicht mehr als einen Versuch pro Individuum und Angelegenheit wert. Für den Moment. Man muss nichts überstürzen. Außerdem ist Missionieren erbärmlich, das habe ich noch nicht erwähnt, also, man kann es sich kaum vorstellen.

    Schwaches Glimmen kann über die Dauer bei sich bietender Gelegenheit (Vernetzung brennbarer Stoffe) den ganzen Wald roden.

    Welch lose zusammenhängende Spinnerei von mir hier… Ich gebe zu:

    Mein Luftschloss ist zwar auf lange Dauer gebaut,
    aber mit Stein kann man da oben wie ehedem nicht arbeiten …
    😉
    nichts Handfestes also.

    *PS: Nicht alles ist Ernst, was schwülstet …

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