Et in Arcadia ego

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Et in Arcadia ego

für M.B.

Für nächsten Sommer schmiedest du schon Pläne
   und hast den Kopf voll mit verrückten Dingen,
      erreichst heut alles, was dich gestern mühte

und lachst so herrlich, dass ich’s gern erwähne.
   Du könntest Stunden, Tage so verbringen
      und kostest jeden Winkel dieser Blüte

Wenn aber in der Nacht des Lebens Weiche,
der kleine Schlaf, dich wachend findet, dessen
Geschicke zehrend sich nach Innen fressen,
dann führ auch ich die unsichtbaren Streiche,

weil ich dich in der Einsamkeit erreiche.
Dein Atem schwer und deine Lippen pressen
und so entreiße ich dich dem Vergessen,
dass stets auch ich durch dein Arkadien schleiche.

XXVII | Nov. 2005

Zur Entstehung

Der lateinische Satz „et in Arcadia ego“1 (dt. auch ich [bin] in Arkadien) begegnete mir zum ersten Mal 2000 als Titel eines Bildbandes von Wilhelm von Gloeden. Damals sprach ich noch kein Latein, aber ich war beeindruckt vom Wortlaut und seiner Wirkung, also versuchte ich mehr darüber zu erfahren. Von Vergil über Poussin nach Schiller führte mich meine Reise und ich lernte etwas über die Vorstellung des griechischen Hirtenparadieses Arkadien, das der Renaissance ein Ideal war. In ihrem exakten Wortlaut taucht die Phrase zuerst in einem Barockgemälde von Barbieri auf, wo sie als Grabinschrift vorkommt, die von zwei Arkadischen Hirten entsetzt betrachtet wird, und so zu einem Memento-Mori-Motiv wird. Der Tod spricht: Arkadien mag idyllisch sein, aber auch ich gehe dort um. Schon lange lag mir diese Thematik im Hinterkopf und wartete darauf, in Worte gehüllt zu werden.


Guercino Barbieri – „Et in Arcadia ego“

Dann irgendwann las ich im Worttümpel das Gedicht „Gefolge“ von Matthias Borchelt, das sich als Sonett travers präsentierte, eine Idee, von der ich damals sehr angetan war. Aber der Text nutzte nicht die Wirkung seiner Form, der Inhalt hatte sich in ein entgegengesetztes Kleid gepreßt und ich fühlte einen Bruch zwischen Inhalt und Form. Zuerst die leichten Terzette, bei denen man sofort an die Verlaineschen „festes galantes“ denkt, dann die schweren Quartette. Ich stellte mir eine inhaltliche Hinwendung zum grave vor und da plötzlich kam mir die Idee, das ganze mit dem Arkadien-Motiv zu verbinden. Ich versprach Matthias also ein Gedicht in dieser Form und mit diesem Inhalt. Meine Arbeit dauerte dann exakt vom 04.09.2005 bis 03.11.2005, also fast zwei Monate, und war ziemlich mühselig, da ein Sonett travers doch ungewohnt ist. Den fertigen Text habe ich dann gleich meinem Meister gewidmet.


Nicolas Poussin – „The Shepherds of Arcadia“

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1. Ein sehr spannender Artikel zur Deutung und Entwicklung von „Et in Arcadia ego“ findet sich bei Udo Leuschner.

  • dieser Text wurde hier erstveröffentlicht
  • diskutiert wurde er u.a. auf gedichte.com

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