Gewissensbisse I
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Gewissensbisse I
Dumpf und dunkel von der Stadt herüber
dringt der zwölfte Glockenschlag zum Feld.“
Hin zum Bodennebel, tiefer, trüber,
hat ein Schatten einsam sich gesellt.
Je, ich ahn es doch, man sieht mich fliehen;
daß ich hier auf freiem Feld mich treib.
Könnte dichtrer Nebel mich umziehen,
wär‘ die Nacht doch dunkler – schwarz mein Leib!
An den Händen klebt noch feuchte Erde,
jeder wird die Schandtat an mir seh’n.
Glaubte mich alleine, doch die Herde
meiner Geister läßt mich nun nicht geh’n.
In der Einsamkeit klingt leises Pochen
her vom Herz der schattigen Gestalt.
Unter ihrem Fuße ruh’n die Knochen.
Einst ein Mensch – nun leblos, freudlos, kalt
XV | Jul. 2004
Zur Entstehung
Als ich im Juni 2004, wohlweislich ohne Geld, eine größere Buchhandlung betrat, entdeckte ich auf dem Ramschtisch einen dicken Hardcoverband mit Zeichnungen von Aubrey Beardsley. Der Künstler war mir schon als Illustrator der Salomé (Oscar Wilde) gut bekannt und geliebt. Als ich mich durch das Buch stöberte, stieß ich auf nebenstehendes Bild, das mich auf ganz wundersame Weise beeindruckte. Da ich ja kein Geld dabei hatte, konnte ich das Buch nicht kaufen, also ging ich nach hause, immer wieder diese Zeichnung in meinem Kopf hin und her wälzend. Das Gedicht war ausgearbeitet, bevor ich dazu kam, es aufzuschreiben. Erst Monate später kaufe ich dann auch das Buch.

Aubrey Beardsley ~ Remorse
Ursprünglich gab es einen zweiten Teil zu diesem Gedicht, den ich aber wieder zurückgezogen habe, weil er mir noch nicht ausgereift genug erschien. Die Idee dazu schellt aber immer noch in meinem Hinterkopf und der Wunsch, irgendwann mal wieder einen zweiten Teil zu schreiben, besteht nach wie vor.
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