Archiv für die Kategorie 'Netzkultur'

Im Mittelalter gab es kein Copyright

Freitag, 14. Mai 2010

Das Copyright ist eine Erfindung der Neuzeit. Die Rechte der Autoren kamen erst mit der Einführung des Buchdrucks und der Notwendigkeit organisierter Produktionsprozesse durch Verlage, Druckereien, etc. Das habe ich gerade wieder in Jan-Dirk Müllers „Aufführung – Autor – Werk“ gelesen, den ich im vorigen Post zusammengefaßt hatte. Der Text gehört quasi zur Grundausbildung eines jeden mediävistischen Literaturwissenschaftlers. Aber ich denke, er ist auch für die aktuelle Piratenbewegung und Copyright-Debatte von Interesse. Er spricht über unsere moderne Auffassung von Autorschaft und davon, dass diese nicht gesetzt, sondern eine von uns konstruierte ist.

Im Mittelalter gab es nämlich „DEN Autor“ nicht und es gab nicht „SEIN Werk“. Es gab viele Vortragende in einer mündlichen Kultur, in der Texte variabel waren und der jeweiligen Vortragssituation angepaßt wurden. Aufmerksamkeit und Lob galten dabei dem Vortragenden, der nicht zwangsweise mit dem Verfasser identisch sein mußte. Denn bedient hat man sich von überall her. Das Kopieren, Ändern und Verwenden von Texten, Formen und Melodien war Gang und Gäbe. Ein Werk dem Publikum auf vollendete Weise darzubringen, war die Kunst und nicht etwa, als erster auf eine Idee gekommen zu sein. „Der Verfasser eines Textes erwirbt an diesem Text kein Eigentum; er stellt etwas her, das anderen zum Gebrauch sich anbietet“, schreibt Müller. Die Vorstellung von einem „geistigen Eigentum“ wäre einem Minnesänger oder mittelalterlichem Zuhörer wohl ziemlich bescheuert vorgekommen.

Müller berichtet dies freilich nicht im Zusammenhang mit der Copyright-Debatte, sondern zeigt sich von einem wissenschaftlichen Disput um den Status einer zwischen mündlicher und schriftlicher Kultur stehenden Literatur inspiriert. Ebenso wie aber die mit dem Buchdruck um 1500 einhergehende Medienrevolution zu einer Neubewertung des Autorbegriffs geführt hat, wie Müller erläutert, scheint mir das bei der aktuellen Medienrevolution auch der Fall zu sein. Der Mythos vom Verfasser-Genie und seiner allumfassenden Gewalt über sein Werk beginnt mit der Einführung des Internets und anderer digitaler Kopien in dem Maße zu bröseln, wie er vor 500 Jahren mit der Erfindung des Buchdrucks erstarkte. Brauchen wir den Autor heute noch oder lebt unsere Kultur durch die Beteiligung und Kreativität aller an ihr teilnehmenden Personen?

In einer schriftlichen Kultur hatte die Kopie materiellen Wert und war entsprechend mit finanziellen Risiken verbunden. In der digitalen Kultur kostet eine Kopie ungefähr genausowenig wie in einer mündlichen. Insofern rücken wir der mündlichen Kultur des Mittelalters und ihrer aufgelockerten, offenen Auffassung von Autor und Werk wieder ein Stück weit näher. Genau an diesem Punkt geraten wir aber in gesellschaftlichen Konflikt. Da gibt es auf der einen Seite Menschen, die noch voll umfänglich an das „geistige Eigentum“ glauben und mental am Autor und seinem Werk festhängen. Da gibt es auf der anderen Seite die, die solche Vorstellungen für überkommen oder zumindest fragwürdig halten. Die einen haben Angst, ihren Status zu verlieren, die anderen fühlen sich unterdrückt und wollen sich emanzipieren.

Ich kann beide Seiten nachvollziehen. Ich bin selbst Autor (gewesen) und verband damit Eitelkeiten und Privilegien. Mir kommt das alles aber zunehmend albern vor und Texte wie der von Müller bestätigen mich darin. Vielleicht ist die Vorstellung von Autor und Werk vor dem Hintergrund der Entwicklung zu einer digitalen Kultur eine Sackgasse.

Kontrollprinzipien im Open-Source Bereich

Montag, 24. August 2009

„Verfassungsrichter beklagt Anonymität bei Wikipedia“, lautet der Titel eines Artikels im bei golem.de, den ich gerade gelesen habe. Darin wird Udo di Fabio, Richter am Zweiten Senat, zitiert, der befürchtet, dass durch die Anonymität der Autoren in der Online-Enzyklopädie, die öffentliche Meinung manipuliert werden könne. Es könnten sich bspw. anonyme Interessengruppen zusammentun und die Anarchie des Netzes für ihre Zwecke nutzen.

Ich habe ja in letzter Zeit immer viele Hoffnungen an die Kompetenz unserer BVerfG-Richter gehängt, aber irgendwie finde ich das gerade nicht besonders zuende gedacht von Di Fabio. Es ist erstens nicht so, dass nicht-anonyme Informationsanbieter weniger manipulativ auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken. Sogar die Blätter des sogenannten Qualitätsjournalismus berichten immer wieder einseitig oder mischen propagandistische Rhetorik in ihre Berichte. Sie versuchen zwar den Anschein Objektiver zu vermitteln, sind aber alles andere als neutral. Durch den Pluralismus verschiedenster Quellen im Internet kann man das sehr gut nachvollziehen, besser sogar, als ohne solche Vielfalt.

Andererseits bietet die Pluralität der Verfasser und Leser in der Wikipedia wiederum eine gute Kontrollmöglichkeit. Denn gibt es eine Gruppe, die sich zusammenschließt, um einen Wikipedia-Artikel zu manipulieren, gibt es eine andere, der das auffällt und die das hinterfragen wird. Es hat sich schon in einigen Diskussionen gezeigt, dass es hier immerwieder Auseinandersetzungen über die Neutralität von Artikeln gibt.

Natürlich kann es passieren, dass Artikel manipuliert oder sagen wir mal, durch die subjektive Meinung ihrer Verfasser gefärbt werden. Aber das passiert einer Print-Enzyklopädie ebenfalls, mir fällt da immer wieder der gravierende Unterschied in der Bewertung der Rolle Philippe de Vitrys zwischen der ersten und der zweiten Auflage der MGG ein. Insofern sollte sowieso jeder Recherchierende immer auf mehr als nur eine Quelle zurückgreifen. Das bringe ich sogar meinem neunjährigen Zöglich schon bei: „Du sollst nicht glauben, was geschrieben steht!“ (Ob nun on- oder offline.)

Dieses Prinzip der gegenseitigen Kontrolle durch Offenheit der Quellen würde m.E. auch im wissenschaftlichen und kreativen Bereich funktionieren. Viele Wissenschaftler scheuen sich z.B. davor, ihre Artikel im Internet öffentlich zur Verfügung zu stellen. Sie sagen, dann könnte ja jeder einfach rauskopieren und es als sein ausgeben.

Das kann man an sich auch, wenn ein Artikel nur im Print verfügbar ist und dann kann man es sogar noch viel besser kaschieren, da es nicht so ohne weiteres zu überprüfen ist, ob ein Gedanke aus einer alten, unbekannten Dissertation in der Bibliothek von Klein-Posemuckel stammt. Stünde diese Dissertation online, müßte man den Gedanken nur in eine Volltext-Suchmaschine eingeben und schwups träfe man sofort auf die Konkordanz. Dafür gibt es inzwischen sogar Software. Ähnlich habe ich es früher gehandhabt, um herauszufinden, ob irgendjemand meine als die seinen veröffentlicht hat. Zum Glück hatte ich im Internet immer den Beweise, dass ich diesen Text als erste veröffentlicht hatte und damit wohl der Verfasser sein muß.

Aber zurück zu Di Fabio, dem es ja um die Anonymität geht. Auch er schafft es, die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu manipulieren – ganz ohne Anonymität. Er tritt mit seinem Namen und seiner Autorität als Verfassungsrichter auf und tut seine Meinung kund. Sollte denn jetzt jeder glauben, dass wir ein Grundprinzip der Wikipedia aufgeben müssen, nur weil es sein könnte, dass jemand es für seine Zwecke nutzt? Ich denke nicht – und das ist der Geist der Aufklärung. Selbst denken und nicht darauf vertrauen was andere als „die Wahrheit“ postulieren, Argumente beschauen, Quellen überprüfen und nicht einfach hinnehmen. Das ist es, was wir unseren Kindern m.E. mitgeben und uns selbst aneignen sollten. Dann spielt die Anonymität der Wikipedia auch keine große Rolle mehr.

Jokers schreibt mir…

Freitag, 23. Januar 2009

… und vermutlich auch allen anderen Bloggern, die sich auf ihren Seiten irgendwie entfernt mit Lyrik und Literaturbetrieb befassen. Die machen nämlich mal wieder einen Gedichtewettbewerb für Hobbyautoren, wo’s Geld, Gegenstände und Veröffentlichungen in Anthologien zu gewinnen gilt. Wer will, kann vom 1. – 31. März Gedichte bei Jokers.de einreichen und dran teilhaben. Brech ich mir ja keinen ab, darauf mal hinzuweisen. Ich hab ja auch mal an sowas teilgenommen und meine Erfahrungen gesammelt, um sie in mein Blog zu schreiben. Für die seriösen Wettbewerbe bin ich leider ein zu unambitionierter Dichter und für alle anderen ein zu anspruchsvoller Leser. Deshalb spare ich mich hierbei lieber aus. Aber wen’s interessiert.

Elke Heidenreich: Lesen!

Freitag, 28. November 2008

Ich muß ja gestehen, kein Fern zu sehen. Ich habe nicht einmal ein entsprechendes Gerät, mit dem soetwas zu bewerkstelligen wäre. Ich finde Fernsehen doof, weil das Programm doof ist und wenn dann doch mal etwas Spannendes läuft, dann läuft es Samstag Nacht um 2:00 Uhr, wenn man sowieso gerade besseres vor hat, als vor der Glotze zu hängen.

Damit hatte offenbar auch Elke Heidenreich ein Problem. Es reichte ja nicht, dass man ihre Sendung, Lesen!, beim ZDF auf die unmöglichste Sendezeit verlegte, nein, die Büchertipps mußten weg und so vernachlässigt unser Zweites seine Bildungspflicht letztlich und hat die Sendung vor kurzem ganz abgesetzt. Traurig für’s ZDF – Glück für mich, denn so hat sich Frau Heidenreich nun für ein Medium entschieden, das auch ich konsumiere: the internezz

Ab heute werde ich sicherlich keine von Frau Heidenreichs Sendungen mehr verpassen, denn auf litCOLONY kann ich sie mir nun ansehen, wann ich will, so oft ich will und woimmer es Netzanbindung gibt. Und das ist gut so. Dies hat das Internet dem Fernsehen nämlich voraus: Es gibt ein Angebot fernab von Musikantenstadel & Co. und ich kann mir mein Programm höchst eigenverantwortlich selbst zusammenstellen. Ich wünsche der Sendung und Frau Heidenreich jedenfalls viele neue und alte Rezipienten.

# edit: Die Seite ist offenbar noch nicht auf den Ansturm von Fefe-Lesern vorbereitet und gerade down, seit sie von dort aus verlinkt wurde. Einfach kurz abwarten und Tee trinken, ist bestimmt bald wieder on…

Wo man in Massenricht gut essen geht…

Sonntag, 21. September 2008

Also es gab ja schon durchaus unschöne und widerliche Streitereien zwischen Wikipedianern, die man gar nicht lesen mochte. Aber dann von Zeit zu Zeit trifft man auf solch erfrischende wie die Diskussion über die Relevanz der Erwähnung von Wirtshäusern in Massenricht [1].

Massenricht (wer kennt es nicht!) ist, so belehrt uns die Wikipedia, ein Ortsteil der Stadt Hirschau im Landkreis Amberg-Sulzbach in der Oberpfalz in Bayern. Ein Rivisor hatte den Absatz über die Gastronomie des bayrischen Erdenfleckchens als irrelevant herausgestrichen und begründet, man würde solche Informationen schließlich auch nicht im Brockhaus finden. Darauf antwortet der Fürsprecher der Massenrichter Wirtshäuser:

Hm, so würd ich das nicht beurteilen. Ein Artikel über Massenricht würde im Brockhaus ohnehin nicht zum Stehen kommen. Gleichzeitig ist für eine Stadt wie München (die im Brockhaus gelistet ist) die Gründung eines Waldvereins kein herausragendes geschichtliches Ereignis. Für Massenricht wars das. Ebenso sind die Wirtshäuser für Massenricht eine durchaus sehr relevante Angelegenheit, weil sie wesentlich weitreichendere Bedeutung haben als Massenricht selbst. Alleinstellungsmerkmale für die Wirtshäuser in Massenricht waren sehr wohl genannt. z.B. habe ich beim Gasthaus Schiffl die Karpfen genannt, beim Rosenhof den Brand und den Tanzsaal und bei der Berghütte die Anziehungskraft für Wanderer. Die Kanzlei habe ich der Vollständigkeit halber erwähnt. Ich bin der Meinung, der revert sollte rückgängig gemacht werden.

Ist es nicht unglaublich liebenswürdig und zum Umfallen komisch, welch innige Verbundenheit mit dem Ortsteil Massenricht in dieser sauberen Argumentation zum Ausdruck kommt!? Ich fühlte mich an die kleinen Hobbits in „Der Herr der Ringe“ erinnert, habe Tränen gelacht und bin äußerst froh, dass die beiden Streithähne offenbar einen Konsens gefunden haben. Denn der Absatz über die Wirtshäuser steht nun berechtigterweise im Artikel. Sollte es mich jemals nach Massenricht verschlagen, dann weiß ich dank des heldenhaften Rettungseinsatzes dieses Liebhabers immerhin, wo ich essen gehen kann!

re:publica’08 – et ego

Donnerstag, 03. April 2008

Die re:publica ist eine dreitägige Bloggerkonferenz, eine Versammlung der digitalen Bohème, die in diesem Jahr zum zweiten Mal und unter dem Motto „Die Kritische Masse“ stattfindet. Man trifft sich, man tauscht sich aus, man bloggt – auch ich bin diesmal mittenmang. Mein Blogeintrag ist also quasi obligatorisch. Updates erfolgen live…

Tag 01

Der erste Tag der re:publica08 ist rum und nachdem das Ganze heute morgen etwas kühl angelaufen ist, tauten die Leute ab nachmittag langsam auf, um sich miteinander zu unterhalten. Alle um mich herum reden von Twitter, schon seit Tagen, so auch hier. Ich kannte das überhaupt nicht und nachdem man mir erklärte, was es damit auf sich hat, wußte ich auch warum. User kippen SMS-lange Ergüsse über ihre momentanen Belanglosigkeiten ins Netz – großartige Web-2.0-Anwendung! Gut, ich mir also auch einen Twitter-Account zugelegt; was tut man nicht alles für die Akzeptanz in der Welt der Fashion-Victims und Early-Adopter.

Aber es gab auch schon spannendere Themen, z.B. Jörg Richter, der in seinem DeepaMehta-Vortrag über alternative Desktopmodelle nachdachte und Kritik am Semantik-Web äußerte. Dass es Alternativen zu Fenstern, Ordnern und Desktops gibt, wußte ich ja schon wegen Genera, dem Betriebssystem der Lisp-Machines, von dem andreas mir öfter vorgeschwärmt hat. Zu bearbeitende Inhalte werden dort einfach über eine Commandline aufgerufen, während es bei DeepaMehta sogenannte Topic-Maps gibt, die selbstdefinierte Relationen zwischen Daten abbilden. Ganz überzeugen konnte mich das Konzept noch nicht, weil ich fürchte, mich als Zwangsneurotiker im Strukturierungswahn zu verlieren. Letztlich funktioniert meine Welt nämlich wie ein Eschermuster oder ein Apfelmännchen, bei dem alles mit allem irgendwie analog ist und sich diese Analogien quasi endlos fortspinnen, wenn ich nur langgenug drüber nachdenke. Es hätte mich nicht schlimmer treffen können, wenn ich als Kind in den LSD-Topf gefallen wäre.


Chaosradio: Tim Pritlove und Peter Glaser

Sehr interessant war auch Tims Livepodcast CRE 83, in dem er mit Peter Glaser über die Kritische Masse sprach. Ist die Blogosphäre eine kritische Masse? Kann sie etwas bewegen oder ist sie eine hermetische Welt, in der man sich nur gegenseitig liest? Für den in Erinnerungen schwelgenden Glaser war es nicht eben einfach, am Thema zu bleiben. Aber zugehört habe ich ihm trotzdem gerne. Ein Zitat, ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben. Sprache sei das Idealmodell von Demokratie, sinnierte Glaser, sie gehöre jedem, sei public domain und jeder könne sie gebrauchen, verändern und Neues daraus schöpfen. Recht hat der Mann und dahingehend verstehe ich auch den derzeitigen Sprachkonservativismus nicht so recht. Etwas schade fand ich, dass trotz Livestreaming von einer Bloggerkonferenz das Publikum außen vor war – geht es doch gerade den Bloggern darum, eine Gegenöffentlichkeit zu sein und medial zu intervenieren.

Tag 02

Von Tag zwei habe ich eigentlich nicht so viel mitbekommen. In Verenas Vortrag über emergente Intelligenz wurde über den Zusammenhang zwischen kritischer Masse und Emergenz aufgeklärt. Emergenz, so habe ich das verstanden, ist das Phänomen, das eine bestimmte Summe an Einzelindividuen Eigenschaften ausbildet, die das Individuum nicht besitzt. Nehmen wir ein Atom, das hat erst einmal keine Farbe, aber wenn sich viele Atome zu Molekülen zusammenschließen und diese Moleküle sich zu einem Ding zusammenschließen, dann kann das Ding eine Farbe haben. Eine emergente Intelligenz kann sich z.B. in einem Schwarm ergeben, z.B. bei Bienen, Ameisen oder, das ist ja Verenas Domäne, bei Robotern.

Nun wurde natürlich im Anschluß gleich diskutiert, ob emergente Intelligenz nicht auch in der digitalen Gesellschaft auftritt, was ja an sich kein ganz dummer Gedanke ist. Aber als dann die Wikipedia als Beispiel herangezogen wurde, fand ich das dann doch irgendwie an der Sache vorbeischwadroniert und ließ meinen Blick derweil über die äußerst interessante Deckeninstallation des blauen Salons gleiten. Dort waren spiegelartige Folien angebracht und das verzerrte Abbild des Publikums, das dort an der Decke klebte, bildete herrliche Muster.


Kalkscheune: Blauen Salon

Tag 03

Tag drei war, wie von mir erwartet, für mich der interessanteste. In Raum 3 gab es durchgehend Beiträge der „Hard Blogging Scientists“. Ohne davon vorher je gehört zu haben, habe ich mich da beim ersten Blick ins Pogramm der Veranstaltung hingezogen gefühlt. Ich selbst blogge öfter, mehr oder weniger wissenschaftlich, über theoretische Aspekte. Da fühlt man sich auf Dauer auch oftmals unsicher und sucht Kontakt zu anderen Menschen, die Ähnliches tun, um sich mit denen auszutauschen. In dieser Hinsicht konnte ich einige interessante Anregungen einsammeln, Adressen, Ansprechpartner, die ich mir demnächst mal genauer anschauen möchte, um zu sehen, ob es nicht Anküpfungspunkte gibt, gemeinsame Interessen, Ideen, etc. Es wurde z.B. über Plagiarismus gesprochen, ein Thema, mit dem ich als Dichter bereits reichlich Erfahrung gesammelt habe, so viel, dass ich mein Ego inzwischen im Zaum halten kann, sobald ich eines Plagiats angesichtig werde.


Hard Blogging Scientists

Für mich hat damit die re:publica gehalten, was ich mir von ihr versprochen habe – Kontakte knüpfen – während sie mir ja anfangs eher vorkam wie: Alle wichtigen Blogger sind da, deshalb bin ich auch da, weil ich sonst nicht wichtig bin. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Veranstaltung mehr Substanz bekommt, dass diesem konstruktiven Zusammenfinden von Interessengemeinschaften mehr Raum gegeben wird. Denn die Macher von Myspace, StudiVZ und Twitter sind bestimmt ganz tolle Hechte, aber die interessieren mich schon online nicht, auf Palaberrunden mit denen, kann ich auch in-the-real-world verzichten.

Suchanfrage vom 30.03.08

Sonntag, 30. März 2008

Bei Blicken in meine Blogstatistik sorgen die Suchanfragen, mit denen Leute auf meine Seite gefunden haben, immer für die meiste Erheiterung. Ab und an sind da aber auch interessante Fragen formuliert, zu denen ich mich einfach äußern muß. Wo, wenn nicht hier?

Die anonyme Suchanfrage des heutigen Tages lautet:

Wie findet man Kinderpornographie?

Liebe Leute, ich muß auch einmal etwas zum Thema Kinderpornographie sagen, weil es ja derzeit in aller Munde ist. Man findet sie nicht, indem man bei Google nach ihr sucht und das ist im Zeitalter von IP-Tracking, Zensur und staatlicher Überwachung auch eine ganz dumme Idee, das zu tun, weil dann demnächst das SEK vor eurer Tür steht und ihr gesellschaftlich nie, nie wieder Fuß fassen werdet, selbst wenn man bei euch nicht fündig wird. Wenn ihr deutlich Erwachsenen euch sexuell zu Menschen hingezogen fühlt, die das 16 Lebensjahr noch nicht überschritten haben, dann empfehle ich ganz dringend den Gang zu einer Beratungsstelle für Pädophilie. Es gibt dieser wenige, aber es gibt sie. Ich halte es für fragwürdig, Aspekte menschlicher Sexualität als krankhaft zu betiteln (vor 30 Jahren waren auch Schwule krank), aber sie muß ihre Grenzen haben, wo sie die Selbstbestimmung der Beteiligten einschränkt. Kinder sind nicht in der Lage, sich in dieser Frage frei zu entscheiden und ihr solltet deshalb Wege finden, mit eurem Begehren umzugehen, ohne die Jugend zu gefährden. Die seelischen Schäden, die ihr sonst u.U. zufügt, sind nie, nie wieder zu heilen. Laßt euch da helfen!

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Suchanfrage vom 27.03.08

Donnerstag, 27. März 2008

Bei Blicken in meine Blogstatistik sorgen die Suchanfragen, mit denen Leute auf meine Seite gefunden haben, immer für die meiste Erheiterung. Ab und an sind da aber auch interessante Fragen formuliert, zu denen ich mich einfach äußern muß. Wo, wenn nicht hier?

Die anonyme Suchanfrage des heutigen Tages lautet:

Darf man ein Gedicht kopieren, wenn man den Autor drunter schreibt? | Darf ich ein Gedicht ins Internet stellen?

Man muß hier unterscheiden zwischen dem Kopiervorgang selbst und der Weiterveröffentlichung des Kopierten im Internet. Kopieren darf man (macht man ja schon, wenn man eine Seite im Browser aufruft), Weiterveröffentlichen grundsätzlich nicht, auch nicht, wenn man den Autor angibt. Und zwar weil das Urhebergesetz besagt, dass man den Autor (zum Schutz vor Mißbrauch seines Werkes) um Erlaubnis bitten muß, damit dieser ggf. Bedingungen mit einem aushandeln kann.

Im Netz gibt es inzwischen viele Autoren, die unter bestimmten Lizenzen veröffentlichen, z.B. CreativeCommons. Diese Lizenzen geben die Bedingungen an, unter denen man kreative Werke weiterveröffentlichen darf. Dann muß man den Autor nur fragen, wenn man unter abweichenden Bedingungen veröffentlichen möchte. Anständige Verfasser- und Quellenangaben sind aber meist unabdingbar.

Wenn man nicht weiß, wer der Autor eines Gedichtes ist, verbietet sich also quasi schon die Weiterveröffentlichung, weil man weder über die Lizenzen Bescheid weiß, noch nachfragen kann. Wenn man sich unsicher ist, wer der Verfasser eines Gedichtes ist, hilft es in gewissen Fällen auch, einfach einen beliebigen Vers aus dem Gedicht in Gänsefüßchen in eine Suchmaschine einzugeben und in den Ergebnissen nach der ältesten Veröffentlichung Ausschau zu halten.

Erläuterung des Gesetzestextes

Auszug aus dem Urhebergesetz der BRD:

§1 Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.
§12 (1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.
§13 Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.
§14 Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
§51 Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.
§63 (1) 1Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 sowie der §§ 58 und 59 vervielfältigt wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben.

§1 – Das bedeutet, dass jedes irgendwo veröffentlichte Gedicht welches Verfassers auch immer, automatisch urheberrechtlich geschützt ist und der Verfasser sein Recht am Werk geltend machen kann, wenn er es verletzt sieht.
§12(1) – Nicht du bestimmst, dass es okay ist, wenn du ein fremdes Gedicht auf deine Seite stellst, sondern der Autor. Auch wenn der Text schon auf anderen Seiten steht, du mußt den Autor um Erlaubnis bitten, es auch auf deine Seite setzen zu dürfen.
§13 – Unter ein fremdes Gedicht darfst du nicht einfach deinen eigenen, keinen oder einen anderen Namen schreiben (Plagiat), sondern nur genau das, was der Autor mit dir verhandelt hat.
§14 – Wenn du mit einem fremden Gedicht oder Auszügen daraus Schabernack treibst, es z.B. veränderst oder in einen unpassenden Kontext einbettest, dann hat der Autor alles Recht der Welt, dich dafür zur Verantwortung zu ziehen.
§63 Außer dem Fall §51 (Zitat) trifft in der Situation „Gedicht ins Internet“ keiner der im Gesetzestext angeführten Ausnahmefälle zu, d.h. wenn du Teiles eines Gedichtes zitierst, dann bitte mit Angabe des Titels, des Verfassers und der Quelle, wobei ein Zitat natürlich im Umfang angemessen kurz sein muß. Du darfst nicht den gesamten Text ungefragt einstellen, auch nicht mit den geforderten Angaben, weil das den Umfang des Zitats übersteigen würde.

So, bevor du also einen fremden Text einfach auf deiner Seite einstellst, solltest du dir wirklich ganz sicher sein, dass der Verfasser damit einverstanden ist, bzw. du dich gesetzeskonform verhältst, sonst kann es u.U. nämlich ganz schön teuer werden, wenn eine anwaltliche Abmahnung ins Haus schneit.

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Technophobe Germanisten

Freitag, 18. Januar 2008

Die Zentrale Kartei Germanistischer Dissertationen ist ein Projekt, das seit 1957 besteht am Germanistischen Seminar der FU-Berlin existiert und vom Verband Deutscher Hochschulgermanisten ins Leben gerufen wurde. Registriert werden germanistische Dissertationsvorhaben mit Titeln, so dass man bei der Themenwahl prüfen kann, ob nicht ein- und dasselbe gerade von jemand anderem bearbeitet wird. Bisher verlief das Ganze relativ kompliziert: Man schickte sein Vorhaben ein und irgendwann erschien es dann in einer Liste im Druck. Aufgrund der Verzögerung durch Redaktion und Drucksetzung, war das wenig aktuell und so beschlossen die derzeitigen Betreuer des Projektes, Danneberg und Bangen, das ganze doch in einer zentralen Datenbank online fortzuführen – eigentlich eine prima Idee, die den Verwaltungsaufwand veringert und Aktualität garantiert.

Das sieht der Germanistenverband irgendwie anders:

Der Vorstand des Germanistenverbandes hat uns wissen lassen, dass eine Beteiligung des Verbandes an dem Projekt ausgeschlossen sei, weil dominant Skepsis gegenüber der Relation von Aufwand und Ertrag einer solchen Datenbank bestünde

heißt es in einer Stellungnahme der beiden Herausgeber, die angesichts dieser Entscheidung verständlicherweise pissed sind. Auch ich verstehe nicht, wie man als Akademiker zu einer solchen Aussage kommen kann. Das bisherige Druckverfahren erscheint mir weitaus aufwendiger, als das vorgeschlagene digitale. Wenn sich also nach Meinung des Germanistenverbandes der Aufwand für die gedruckte Liste bisher gelohnt hat, warum sollte der Ertrag, den das weniger aufwendige Verfahren liefert, dann nicht mehr in Relation zum Aufwand stehen? Für mich klingt das allzusehr nach Skrupeln vor einer Technik, die die Altvorderen der Germanistik nicht verstehen, anwenden und unterstützen wollen. Ja, es klingt nach konservativer Inkompetenz, um das mal zu explizieren.

Ich weiß nicht, wie aktuell diese Stellungnahme ist, denn sie erscheint ohne Datum und auf der offizielllen HP des Projektes steht von seiner Einstellung nichts. Die letzte gedruckte Liste ist wohl von 2002 und in der URL steht etwas von we04. Vielleicht bin ich also mit meinem Post zwei Jahre hinterher, aber ich habe die Stellungnahme gerade erst gelesen und mußte meinem Entsetzen hier mal aktuell Ausdruck verleihen. Ich hoffe, dass vielleicht doch noch Mittel und Wege gefunden werden, das Projekt digital fortzuführen. Für mich klingt das eigentlich nach einer prima Web 2.0. Anwendung und alles, was man dafür braucht, ist Platz auf einem Server, eine Datenbank, eine Domain und ein schickes CMS – also nichts, dass es nicht schon geben würde. Das Internet bietet gerade auch Akademikern so viele tolle Möglichkeiten (z.B. Raum für die freie Forschung). Es ist zum Haare ausreißen, dass dieses Potential (gerade im Bereich der Geisteswissenschaften) bisher nicht ausgenutzt wird.

Volldampf voraus!

Donnerstag, 20. Dezember 2007

(Artikel mit zwei Pics steampunkiger Computer, extra für Snorf!)

„Volldampf voraus!“, heißt das diesjährige Motto des Chaos Communications Congress, der vom 27. – 30.12.07 wieder im Berliner Congress Center (bcc) und nun zum 24. Male stattfinden wird. Er steht im Zeichen des Steampunk und die Nerds vom Berliner CCC sind schon fleißig am Basteln, um das Congresscenter in ein Unterseeboot ca. 20.000 Meilen unter dem Meer zu verwandeln. Das Jules-Vernes-Zitat (s. Motto) spielt aber nicht nur auf diesen Stil an, der davon ausgeht, dass sämtlich Maschinen, auch Rechenmaschinen, mit Dampf betrieben werden, sondern hat auch eine politische Dimension.


via blog.nola.com

Die Hackerbewegung hat in diesem Jahr einige Erfolge erzielt, von denen die zwei wichtigsten wohl das Verbot der Nadap-Wahlcomputer in NL (s. #150) und die Einladung eines Gutachters vom CCC ins Bundesverfassungsgericht (s. #170) sind. Dies sind aber nur kleine Schritte und wir dürfen an diesem Punkt nicht ausruhen, im Gegenteil, mit vollem Engagement müssen wir auch in Zukunft für unsere freiheitlich-demokratischen Ideale eintreten. Auch das meint: „Volldampf voraus!“

Natürlich gibt es auch in diesem Jahr wieder viele spannende Vorträge, spannend nicht nur für Nerds, sondern generell für sozial-politisch Interessierte. Der Fahrplan findet sich im offiziellen Events-Wiki zum 24C3, wo man sich auch als User anmelden und bei den Vorbereitungen mithelfen kann. Nach meiner Pleite beim Camp (ich hatte fast nichts von der coolen Veranstaltung mitgekriegt, weil ich 24/7 vorne am Eingang die Kassen beaufsichtigte), werde ich an diesem Congress nur als Teilnehmer teilnehmen und die Veranstaltung genießen. Eine angemessen steampunkige Verkleidung habe ich mir schon ausgedacht…


(via www.gizmodo.de)

update: Wer sich als Appetithäppchen schon mal angucken mag, was auf den letzten beiden Veranstaltungen so abgegangen ist, kann sich die offiziellen Dokumentations-Videos auf inoffizieller Seite ansehen. (Offiziell gibt’s die auf chaosradio.ccc.de, aber youtube läuft zumindest auf meinem eigenen Rechner ruckelfreier.)