Archiv für April 2005

Claude Debussy ~ 24 Préludes

Samstag, 30. April 2005

Dies ist die zweite der beiden Reden, die ich für meine Zwischenprüfung im Fach Musikwissenschaft im April 2005 vorbereitete. Sie beinhaltet eine Biographie Debussys, eine Werkeinführung in die 24 Préludes und die Analyse Präludiums „Danseuses des Delphes“. Alle drei Teile sind knapp und sollten lediglich die Grundlage für ein sich entwickelndes Prüfungsgespräch zum Thema bilden.

Claude Debussy (1862 – 1918)

Claude Achille Debussy wurde im August 1862 im Pariser Vorort Saint-Germain-en-Laye als Sohn einer kleinbürgerlichen Familie geboren. Weder Vater, noch Mutter hatten musikalische Prägung, doch 1870 erhielt Debussy ersten Klavierunterricht von seiner Tante in Cannes. 1871 übernahm Antoinette Mauté die pianistische Ausbildung des Knaben, so dass er 1872 die Aufnahmeprüfung am Konservatorium schaffte.

In den Klassen von Marmontel (Klavier) und Lavignac (Solfège) machte er, trotzdem er der akademischen Institution gegenüber stets abgeneigt war, zunächst gute Fortschritte. Doch Misserfolge ließen ihn schon 1878 die pianistische Laufbahn anstelle eines aufgeben, um Komposition zu studieren. Dies tat er ab 1880 bei Guiraud und als Gsthörer bei César Franck. Für die Kantate „L’enfant prodigue“ erhielt er 1884 den Rom-Preis.

Die folgenden Jahre verbrachte er gemäß den Pflichten des Preisträgers überwiegend in der Villa Medici in Rom. Dort las er Shakespeare und Poe und lernte unter anderem Franz Liszt kennen, mit dem er Wagner und die alten Meister, Lassus und Palestrina studierte.

Die auf den Romaufenthalt folgenden Jahre nennt Lesure in seiner 1992er Monographie „les années symbolistes“ und in der Tat – zurück in Paris wurde die Gruppe der Symbolisten zu einem wichtigen Bezugspunkt für den jungen Komponisten. In den Pariser Cafés (z.B. dem berühmten Chat Noir) lernte er Jean Moréas, den Verfasser des „Mannifeste du Symbolisme“ (1882), Erik Satie, Paul Valéry, André Gide und andere Symbolisten kennen. Mit ihnen verband ihn nicht nur seine Begeisterung für alles Sphärische, sondern auch die Abkehr von den Prinzipien der normativen Tradition der Akadémie française.

Die 1887-89 komponierten „Cinq poémes de Baudelaire“, die von dieser literarischen Orientierung zeugen, brachten ihm nach 1880 die Annerkennung Stephan Mallarmés ein, der Einfluß auf die Poetik des Komponisten gewann und später die Textgrundlage für das „Prélude à l’après midi d’un faune“ lieferte. Ende der 1880er Jahre waren Debussys Vorstellungen weitgehend entwickelt. Er nahm regelmäßig an den Dienstag-Abend-Zusammenkünften im Hause Mallarmé teil und die Ideale des Mallarmé-Kreises, sowie die Ästhetik Poes wurden zum Orientierungspunkt Debussys.

Die Entstehung und Uraufführung der Oper „Pelléas et Mélisande“ bedeuteten einen Wendepunkt in seinem Leben und brachten ihm über den Kreis der Symbolisten hinaus Erfolg und Anerkennung ein. In „Pelléas“ hatte Debussys Poetik eine Form gefunden, die das Programm des literarischen Symbolismus auf musikalischer Ebene einlöste.

Zu einem spezifischen Klavierstil fand Debussy 1905 mit der Entstehung der „Isle joyeuse“ und der „Estampes“. 1910 und 1913 führen die zwei Bücher der „Préludes“ ihn zu voller Reife. Das 1911 entstandene Oratorium „Le Martyre de Saint Sébastian“ nach einem Text von Gabrielle d’Annunzio erntete scharfe Kritik seitens der katholischen Kirche und bezeugt einmal mehr Debussys Abkehr von den Konventionen der trivial-bürgerlichen Gesellschaft.

1912/13 lernte Debussy während der Zusammenarbeit mit den Ballets russes den Komponisten Igor Stravinsky kennen – eine fruchtbare Verbindung, die eine „Weichenstellung für die Musik des 20. Jahrhunderts“ bedeute, so Thomas Kabisch im MGG.

1915 ist das letzte produktive Jahr für den Komponisten. Mit „En blanc et noir“ und den „Douze Études“ legt er noch einmal Glanzstücke für das Klavier vor. Während der Fernbeschießung der Stadt im Frühjahr 1918 stirbt Debussy an den Folgen eines Mastdarmkarzinoms.

24 Préludes

Schon vor der Entstehung der Klavierpräludien hat sich Debussy der Form des Präludiums gewidmet. In der „Suite bergamasque“ und der Suite „Pour le piano“ verwendet er es in historisch motivierter Funktion als Einleitungs- und Eröffnungsstück, während er in dem die „Children’s Corner“ einleitenden „Dr. Gradus ad Parnassum“ seine Schablonenhaftigkeit persifliert.

In den „24 Préludes“ gibt er dem Präludium eine neue Wendung und konzipiert es als autonomes Charakterstück, in dem er seine Eindrücke einer literarischen Ästhetik auf musikalischer Ebene verarbeitet. In der Tat greifen die nachgestellten Titel zumeist auf lyrische oder epische Textvorlagen zurück, dürfen jedoch nicht (dagegen sprach sich der Komponist entschieden aus) programmatisch gedeutet werden.

Lange wurde die impressionistische Formlosigkeit der Musik Debussys verurteilt, doch formlos sind die Präludien gewiss nicht, solange wir Form im Sinne Adornos verstehen, als „Inbegriff der Momente insgesamt, durch welche ein Kunstwerk als ein in sich Sinnvolles sich organisiert“.

Form funktioniert bei Debussy nicht im klassischen Sinne, sondern nach dem Prinzip der Reihung, d.h. sie konstituiert sich während des gesamten musikalischen Prozesses durch die Aspekte von Wiederholung, Variation und Kontrast und ist für jedes einzelne Stück individuell. Die formelle Arbeit beläuft sich dabei nicht nur auf die Bereiche der Melodie, der Rhythmik und der Harmonik, sondern auch auf Dynamik und Figuration.

In seinen Klavier-Präludien wendet sich Debussy entschieden von einer Dur-Moll-Funktionsharmonik ab. Jeder Ton und jedes Intervall ist gleichberechtigt und dient gleichsam der Färbung des Stückes. Dieses Konzept findet in der Verwendung der grundtonlosen Ganztonleiter und pentatonischer Skalen (z.B. in „Voiles“, I.2) seinen Ausdruck. Einzug finden auch Kirchentöne (z.B. „La cathédrales engloutie“ I.10), Chromaik, Enharmonik und Mediantverwandtschaften. Es kommt zu Akkordschichtungen und die Parallelverschiebung von Akkorden und Intervallen wird zum zentralen Element.

Für die Organisation von Zeit wird das Verhältnis von Bewegung und Stagnation interessant, wie es bspw. in „Ce qu’a vu le vent d’ouest“ (I.2) ausgereizt wird. Die metrische Starre klassischer Rhythmen wird durch Anwendung von Synkopen (z.B. „General Lavine“, II.6?), Polyolen und rhythmischen Verschiebungen durchbrochen.

Ein Grund für die Andersartigkeit der Stücke ist aber vor allem die Organisation all dieser Elemente auf verschiedenen Ebenen. So klingen neben ostinaten Bewegungsfiguren (z.B. „Les tièrces alternées“, II.11) Orgelpunkte und melodische Linien heben sich deutlich von auf- und abwärts bewegenden Klangkaskaden ab. In „La porte del vino“ (II.?) wird dieses Prinzip bis zur Bitonalität ausgereizt.

Wie der Formprozess der Reihung durch Wiederholung und Variation genau funktioniert, möchte ich – sofern sie einverstanden sind – nun am Analysebeispiel „Danseuses des Delphes“ (I.1.) verdeutlichen.

Danseuses des Delphes

In den ersten zwei Takten wird auf drei Ebenen melodisches, rhythmisches und harmonisches Material vorgestellt. Zwischen einer Aufwärtsbewegung paralleler Quart-Sext-Akkorde und einer Abwärtsbewegung paralleler Oktaven findet sich ein chromatisches Motiv, welches die zentrale rhythmische Floskel aus punktierter Viertel- plus Achtelnote bringt.

In den darauf folgenden Takten wandert das chromatische Motiv in die Bassfigur, der Diskant nimmt die rhythmische Floskel auf, die dreimal zwischen g und a wechselt. Das h welches bei der vierten Wiederholung folgt, ist ein spannungsreiches Ereignis. Doch die absteigende Achtelkaskade bringt das Stück wieder zur Ruhe.

Diese ersten fünf Takte werden nun wiederholt, doch spaltet eine synkopische Verschiebung die aufwärts steigenden von den abwärts steigenden Elementen ab. Die Synkope und die Ausweitung zur Oktave bleiben dabei zentrales Variationsmoment.

In T.11 beginnt ein neuer Formteil. Zwar bleiben die Synkopen und auch die rhythmische Floskel mit anschließender Achtelkaskade erhalten, doch tritt neues Material hinzu. Das absteigende pentatonische Motiv, die aufsteigenden Dreiklangsparallelen und der Orgelton im Bass liefern einen neuen Höreindruck.

In einer Sequenz wird das Neue wiederholt und in der anschließenden Sequenzierung des chromatischen Motivs der Anfangstakte in T.15 wird die Sequenz selbst zum formbildenden Element erhoben.

Eine neue harmonische Spielerei schließt sich an, die den Kontrast zweier Varianttonarten bringt. So folgen in den Takten 16-20 drei Takte c-Moll auf zwei Takte C-Dur.

Nach der aufsteigenden Figur, die noch einmal den harmonischen Vorrat des gesamten Stückes aufführt, wirkt die Wiederaufnahme des chromatischen Motivs, der anfänglichen Harmonik und des Quartsprungs im Bass wie eine deutliche Reprise. Auf B-Dur klingt das Stück leise aus.

Guillaume de Machaut ~ Messe de Nostre Dame

Samstag, 30. April 2005

Dies ist die erste der beiden Reden, die ich für meine Zwischenprüfung im Fach Musikwissenschaft im April 2005 vorbereitete. Sie beinhaltet eine Biographie Guillaumes, eine Werkeinführung in die Messe und die Analyse des letzten Satzes „Ite missa est“. Alle drei Teile sind knapp und sollten lediglich die Grundlage für ein sich entwickelndes Prüfungsgespräch zum Thema bilden.

Guillaume de Machaut (~1300 – 1377)

Das erste Zeugnis, welches wir von der Existenz Guillaumes haben, ist eine päpstliche Bulle aus dem Jahre 1330, in der ihm, dem Gesuch seines Dienstherren, Jean de Luxemboug entsprechend, ein Kanonikat an der Kathedrale von Verdun in Aussicht gestellt wird. Ähnliche Dokumente finden sich aus den Jahren 1332 und 33 die Städte Arras und Reims betreffend. Die Edikte berichten, dass zu Guillaumes Verantwortungsbereichen im Hofstaat des Königs, die Stellen des „clerc, amounier, secrétaire und notaire gehören“. In einer weiteren Schriftrolle von 1335 heißt es, Guillaume diene dem König schon seit 12 Jahren, was uns auf das Jahr 1323 zurückführt.

Um seine Aufgaben zu bewältigen, musste Machaut schon zu dieser Zeit eine außergewöhnlich hohe Bildung mitbringen, die nur innerhalb einer kirchlichen Einrichtung zu erhalten war – in welcher, bleibt unklar.

Ein Dokument aus dem 15. Jh. zählt Guillaume unter den Dichtern der Champagne auf, weshalb heute Machaut oder Reims als Geburtsstadt angenommen werden. Eine frühe Beziehung zu Reims belegt bereits die Motette „Bone Pastor“. Zugleich legt der hohe kompositorische Standart im Stile Philippe de Vitrys die Vermutung nahe, dass Guillaume Zeit in Paris verbracht hat. Der Titel des Magister, der ein abgeschlossenes Studium an der Universität bedeuten würde, ist jedoch äußerst schwach belegt und nie in den Selbstaussagen zu finden.

Dieser Bildungsweg lässt vermuten, dass Guillaume um 1300 geboren ist. Er könnte aber auch jünger oder sogar älter sein. Wie auch immer diese frühe Lebensphase ausgesehen haben mag, sie änderte sich, als Guillaume in den Dienst des Königs trat. Denn dieser pflegte (selbst für einen mittelalterlichen König) viel zu Reisen und in seinem Gefolge pendelte Guillaume zwischen Frankreich, Luxemburg und Böhmen. Er gelangte sogar bis nach Deutschland, Österreich und Litauen. 1323/24 führten ihn diplomatische Reisen an den französischen Königshof nach Paris, wo es zu einem Treffen mit Philippe de Vitry gekommen sein könnte. Die Dichtungen dieser Zeit dokumentieren die Rolle des Dichters am Hof und konzentrieren sich, am Ideal der amour courtoise festhaltend, auf die Darstellung des höfischen Lebens.

In den 1340er Jahren war Johann von Luxemburg von zunehmender Blindheit geschlagen. Ungefähr zu dieser Zeit finden sich erste Zeugnisse von Guillaumes Aufenthalt in Reims, wo er im Jahre 1337 das Kanonikat übernommen hatte. Sein Amt als Kanonikus war mit liturgischen Pflichten verbunden, vor allem mit der Feier des Offiziums. Seine Stellung bot ihm eine materielle Basis für die literarische und musikalische Produktion, so dass in dieser Zeit zunehmend umfangreichere Dits entstanden, die noch immer Bezug auf den Hochadel nahmen.

1346 stirbt Johann von Luxemburg Legenden zufolge sehr glorreich bei der Schlacht von Crécy, in die er blind geritten sein soll. Zur Bezugsfigur wird seine Tochter Bonne, die als Auftraggeberin mit der Handschrift C in Verbindung gebracht wird. In diesem und weiteren Manuskripten, die sich erstaunlicherweise allein dem Werk Guillaumes widmen, sind die wichtigsten Zeugnisse für das musikalische und literarische Schaffen aufgeführt, das „Livre dou Voir Dit“ und „La Louage des Dames“. Um 1372, dem Jahr, in dem Guillaumes Bruder stirbt, entsteht der „Prologue“, ein Vorwort, das den Dichter und Komponisten sein Gesamtwerk reflektieren lässt und neben den Dits wichtige Einblicke in sein Selbstverständnis liefert.

1377 stirbt Guillaume in Reims.

Messe de Nostre Dame

Die Messe de Nostre Dame wird heute aufgrund der Quellenlage (sie erscheint erst im 1370er Manuskript Vg) und stilistischer Begebenheiten auf die 1360er Jahre datiert. Sie fällt damit in die Reimser Phase. Die Annahme, dass es sich um eine Messe zur Krönung Karls V im April 1364 in der Kathedrale von Reims handelt, gilt heute als weitgehend widerlegt. Zwischen dem Tod Johannes II und der Krönung Karls wären weniger als 6 Wochen für den Auftrag und die Komposition geblieben, was angesichts der Reife des Werkes nicht realistisch erscheint. Anne Walters-Robertson legte 2002 ihre Untersuchungen vor, die die These stützen, es handle sich um eine Marienmesse, die im Gedenken der Brüder Machaut jeden Samstag in der Roella der Kathedrale gesungen wurde.

Die Messe ist innerhalb des Oeuvres Guillaumes singulär und bleibt es bis über das Ende des 14. Jh. hinaus auch. Das Erstaunliche daran ist, dass er sechs Ordinarientexte wählt (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus-Benedictus, Agnus Dei und Ite, missa est) und diese zu einem einzigen kompositorischen Gesamtzyklus verbindet. Ob diese innovative Idee tatsächlich von Guillaume stammt, ist heute schwer zu sagen. Quellen könnten verloren gegangen sein und die Sicht auf die Dinge fälschen. Fakt ist aber, dass er wohl einer der Ersten war, der sich an ein solches Projekt wagte.

Für die Vertonung bedient sich Guillaume zweier zeitgemäßer Kompositions-Techniken – des Simultanstils für die wortreichen Sätze (Gloria + Credo) und des Stils der isorhythmischen Motette für die wortärmeren Sätze (Kyrie, Sanctus, Agnus + Ite missa). Jedem der Stücke liegt ein gregorianischer Choral zugrunde, der im Tenor ausgeführt wird. In den ersten drei Stücken steht dieser im dorischen, in den letzten dreien im lydischen Modus. Das Amen des Credos bildet eine Art harmonische Überleitung zwischen diesen zwei Modi. So deuten initialis und finalis (d) des Chorals auf das Dorische, der Rezitationston (c) jedoch auf das Lydische hin.

Das Credo-Amen ist darüber hinaus auch das am stärksten systematisierte Stück des gesamten Zyklus‘. Tenor und Contratenor tauschen in chiastischem Wechsel die rhythmischen Formeln (taleae) und in pan-isorhythmischer Strenge folgen die Oberstimmen diesem komplexen Prinzip. Insgesamt werden nur 8 verschiedene rhythmische Figuren verwandt. Die anderen isorhythmischen Sätze sind bei weitem nicht so streng. Zwar erklingen in den Oberstimmen an Hoquetus-/Synkopen-Passagen immer wieder isorhythmische Formeln, jedoch kommt es nicht nur Ausbildung einer vollständigen Isorhythmie, wie im Amen.

Für die Sätze im simultanen Stil ist wichtig zu bemerken, dass sie durch den Einsatz zweistimmiger, untextierter Gelenkstücke (Passagen, die auf den Einsatz von Instrumenten hindeuten) Teiligkeiten ausbilden. Otto Gombosi wies in den 1940ern eine Strophigkeit des Glorias nach, wobei sich jede Strophe aus einem ouvert (beliebiger Kadenz) und zwei clos (Kadenz auf finalis) zusammensetzt. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Credo der Messe Nostre Dame und dem der so genannten Messe von Tournai konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Zwar nutzen beide Stücke ähnliche melodische Wendungen und machen beide Gebrauch von Gelenkstücke zur Gliederung, jedoch scheint es sich dabei um gewöhnliche Gesten der zeitgenössischen Musik zu handeln, was die Sache wenig beweiskräftig macht.

Das Prinzip der Isorhythmie möchte ich – mit ihrem Einverständnis – nun am Analysebeispiel des Satzes „Ite Missa est“ erklären.

Ite missa est

Die 21-tönige Choralmelodie im lydischen Modus, die color genannt wird und im Tenor liegt, teilt sich in zwei Abschnitte mit jeweils 10 Tönen, die gleichartig rhythmisiert sind (so genannte taleae). Nach der Abfolge der ersten 20 color-Töne erklingt die finalis.

Diesem Bauprinzip schließt sich der Contratenor an, der eine freie Melodie aus zwei Mal 16 Tönen talea plus finalis wählt. Er verläuft zum Tenor phasengleich, d.h er ist zur gleichen Zeit mit seiner ersten talea fertig, wie der Tenor. Die beiden Unterstimmen bilden das harmonische Fundament, welches am Anfang jeder talea in derselben harmonischen Folge (F-g-a-(C)-F) verläuft.

Die Oberstimmen sind ein wenig freier gestaltet. In den ersten vier Takten verfolgen sie jeweils ein freies rhythmisches Modell. Die darauf folgenden vier sind jedoch isorhythmisch. Auch sie verlaufen phasengleich.

Damit kommt in jeder Phase zu einer Art Spiegelung zwischen den ersten vier Takten der Unterstimmen und den letzten vier Takten der Oberstimmen.