Archiv für die Kategorie 'Sprache'

[Magisterarbeit] Musica mensurabilis

Mittwoch, 11. Juli 2012

Ich hatte schon lange versprochen, nach der offiziellen Bewertung meine Magisterarbeit in meinem Blog online zu stellen und das möchte ich hiermit tun. Der vollständige Titel der Arbeit lautet „Music mensurabilis. Rhythmische Kodierung in der Musiknotation des Mittelalters“. Sie wurde am 25. April 2012 an der Freien Universität Berlin zur Erlangung des Magister-Grades im Fach Musikwissenschaft eingereicht, mit 1,3 bewertet und über einen Zeitraum von 5 Monaten mit LaTeX erstellt. Ich hatte die LaTeX-Formatvorlage „Vorlage_MA_LaTeX_garamond“ der Uni Regensburg aus dem Netz runtergeladen. Allerdings wirft die Seite momentan einen 404, weshalb ich sie erst einmal nicht hier verlinke. Es folgt eine kurze Einleitung und Zusammenfassung des Inhaltes sowie die Gliederung der Arbeit, Links auf die Digitalisate der drei betrachteten Handschriften sowie der Download-Link für die Arbeit selbst. Ich freue mich über eure Kritik und eure Fragen. (mehr …)

Peirce zu Gerechtigkeit und Wahrheit

Dienstag, 15. November 2011

Symbole sind besonders weit von der Wahrheit selbst entfernt. Sie sind abstrahiert. Weder weisen sie die bezeichneten Eigenschaften auf, wie es Ikons tun, noch garantieren sie uns die Wirklichkeit ihrer Objekte, wie es Indizes tun. Viele Sprichwörter bezeugen einen Sinn für diese Schwäche, wie „Worte beweisen nichts“ und dergleichen. Trotzdem haben sie eine große Macht, die den entarteten Zeichen [er meint Ikons und Indizes, die keine „echten“ Zeichen sind] ganz abgeht. Sie allein drücken Gesetze aus. Auch sind sie nicht auf diese theoretische Verwendung beschränkt. Sie dienen dazu, Vernünftigkeit und Recht zustande zu bringen. In einer Welt, welche diese Dinge gewohnheitsmäßig vernachlässigt und diese Wörter nur verspottet, gehören die Wörter „Gerechtigkeit“ und „Wahrheit“ trotzdem zu den allergrößten Mächten, die in dieser Welt vorkommen. Sie rufen Beschützer hervor und erfüllen sie mit Stärke. Das ist keine Rhetorik oder Metaphorik: es ist eine bedeutende und verläßliche Tatsache, die einem Logiker wohlansteht zu berücksichtigen.

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det/dit – dat/et

Mittwoch, 18. Mai 2011

Vor ungefähr vier Jahren hatte ich mich hier im Artikel det/dit – Oong uff! darüber gewundert, dass ich bei der Ausübung meines Berliner Dialektes konsequent zwischen det und dit unterscheide, wobei ich det für die Konjunktion „dass“ und dit für den Artikel „das“ verwende. Eine sprach-historische Erklärung für diesen Gebrauch hatte ich allerdings bisher nicht. (mehr …)

Blümchenwiese mit Python

Samstag, 07. Mai 2011

Ich lerne gerade Programmieren, und zwar nicht in HTML oder CSS, sondern in einer echten Programmiersprache, in Python! Zusammen mit einem kleinen Häufchen 10- bis 14-jähriger Bengels (das einzige Mädchen hat leider schon in der 2. Stunde aufgegeben) sitze ich derzeit jeden Donnerstag für anderthalb Stunden bei Lehmanns und lasse per Python-Befehl eine kleine Schildkröte über meinen Bildschirm wandern. Den Kurs hat die Fachbuchhandlung organisiert und als sie einen Lehrer suchte, hat Andreas, der schon immer den Wunsch verspürte, Kindern mal anständig programmieren beizubringen, sofort zugesagt. Weil ich kein Kind mehr bin, bin ich offiziell seine Assistentin und da ich selbst quasi bei Null anfange, gebe ich auch Tipps, wann es zu schnell geht oder irgendetwas unklar ist. (mehr …)

Rap News – Nachrichten mit Rhythmus und Reim

Montag, 01. November 2010

Heute habe ich mal wieder einen Beitrag zu einem der ganz urpsrünglichen Themen dieses Blogs: Dichtkunst. Spannenderweise ist sie diesmal um eine politische Dimension erweitert, also keine Kunst um der Kunst Willen. Ich bin erst spät zum Rap gekommen, weil ich ihn musikalisch meist als extrem monoton und die Texte als chauvinistische „Meiner-ist-größer“-Botschaften wahrgenommen habe (was wohl leider auf einen großen Teil der Szene immer noch zutrifft). Aber es gibt auch guten Rap, gut gereimten, gut rhythmisierten, gut figurierten und geformten Rap. Rap, der sprachlich und inhaltlich Spaß macht und zu dieser Sorte gehören die Rap News von TheJuiceMedia (Giordano Nanni & Hugo Farrant), die man dertage bei Youtube findet. Hier ein erster Eindruck: (mehr …)

Forum beobachten [phpBB3]

Samstag, 18. September 2010

Seit kurzem habe ich für meinen Chor ein phpBB-Forum für die interne Kommunikation installiert. Dabei gab es die Anforderung, dass alle Mitglieder automatisch eine E-Mail-Benachrichtigung erhalten sollen, wenn in Forum X ein neuer Beitrag gepostet wird.

Seit phpBB3 gibt es für alle User des Boards die Möglichkeit, freiwillig ganze Foren zu beobachten/abonnieren und automatisch eine E-Mail-Benachrichtigung zu erhalten, wenn ein neuer Beitrag gepostet wird. Dazu müssen die User aber aktiv auf einen Link klicken, was für weniger versierte Internetnutzer eine Herausforderung ist und zumal noch nicht sicherstellt, dass jeder User das dann tatsächlich auch tut. Bisher gibt es keine Möglichkeit für den Admin über das ACP (Admin Control Panel), User gezielt für das Abonnement eines bestimmten Forums einzuschreiben. Man kann dies aber direkt über eine Eingabe in die SQL-Datenbank tun. (mehr …)

Neurophysiologie des Hörens

Donnerstag, 27. Mai 2010

In meinem Seminar zum Thema „Räumliches Hören“ habe ich gestern meinen Vortrag zur Neurophysiologie des Hörens gehalten. Neurophysiologie behandelt die physikalischen, chemischen und biologischen Aspekte der Sinnesorgane und Signalwege im peripheren und zentralen Nervensystem. Es geht also um das, was passiert zwischen dem Erklingen einer Schallquelle und unserem Bewußtsein davon, dass wir etwas hören. Das Thema hat mich als Musikwissenschaftlerin sehr interessiert und offenbar habe ich es geschafft, meinen Zuhörern auch etwas zu vermitteln. Damit außer meinen Komilitonen auch andere Menschen daran partizipieren können, habe ich meinen Vortrag hier mal in einen Blogartikel gegossen. Die Abbildungen entstammen größtenteils drei Büchern, die im Literatur-Abschnitt genauer angeführt sind. Sie werden hier im Sinne wissenschaftlicher Zitation (§63 UrhG) verwandt. Sollte deren Verwendung dem Rechteinhaber dennoch nicht genehm sein, bitte ich um einen kurzen Hinweis auf unbürokratischem Wege. (mehr …)

Aussprache des Mittelhochdeutschen

Montag, 19. Januar 2009

Als Mediaevistin bin ich ja oft mit der Frage, „Und was kann man damit später mal machen?“, konfrontiert. Eine absolut naheliegende und logische Antwort darauf ist, dass man damit schon jetzt sehr gut besserwisserische Kommentare bezüglich der Aussprache mittelhochdeutscher Liedtexte abgeben kann. Und wer jetzt glaubt, in solche Verlegenheit komme man sowieso nie, der wird sich spätestens dann wundern, wenn er (wie ich derzeit mal wieder) in Chorproben sitzend die Carmina Burana von Carl Orff einstudiert. Diese enthält nämlich neben überwiegend mittellateinischen auch einige mhd. Texte, zu deren Aussprache dann immer viele Experten ihre Meinung kundtun. Diesen will ich mich hiermit anschließen.

Vorbetrachtungen

Das Phonemsystem des Mittelhochdeutschen (einer Sprachstufe in der Zeit von ca. 1050-1350) ist Gegenstand einer sprachwissenschaftlichen Rekonstruktion und resultiert aus der sogenannten 2. Lautverschiebung. Im Zuge dieser 2. LV hat sich das Hochdeutsche (im Unterschied zum Niederdeutschen) aus dem westgermanischen Sprachverband abgespalten, was sich an einigen Lautwandelerscheinungen nachvollziehen läßt.

Um die im Folgenden aufgeführten Aussprachekonventionen richtig beurteilen zu können, ist es zunächst wichtig, sich über drei Dinge klar zu werden: 1. Es gab in der Zeit zwischen 1050 und 1350 keine regional übergreifende, mittelhochdeutsche Einheitssprache, sondern eine Sammlung an Dialekten. 2. Alle Mutmaßungen hinsichtlich deren Aussprache basieren auf wenigen Quellen, die diese dialektalen Mundarten mithilfe eines fremden (nämlich des lateinischen) Alphabets exemplarisch fixieren. 3. Diese graphische Fixation folgt in der Rechtschreibung keiner Normierung und variiert nicht nur von Text zu Text, sondern oftmals sogar von Vers zu Vers. Dadurch dass man aber „schrieb wie man sprach“ lassen sich teilweise Rückschlüsse auf das Phonemsystem ziehen. Vieles bleibt dennoch strittig. Thordis Hennings1 schreibt dazu:

Bei der Bezeichnung „Mittelhochdeutsch“ [handelt es sich] an und für sich um einen Sammelbegriff, der eine Vielzahl unterschiedlicher Schreibdialekte in sich vereint. Aber bis zum Zenit der höfischen Dichtung um die Wende vom 12./13. Jh. entwickelte sich so etwas wie eine überregionale höfische Dichtersprache, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dialektale Besonderheiten stark zurückgedrängt werden. Diese mhd. klassische „Einheitssprache“ beruht vor allem auf allemannischer und ostfränkischer Grundlage.

Hennings Aussage muß relativiert werden. Der Eindruck von Einheit entsteht in der Retrospektive evtl. nur aufgrund der Überlieferungslage höfischer Dichtung und den daraus erwachsenen Interessenschwerpunkten der historischen Sprachwissenschaft. Er muß sich bei eingehender Betrachtung ripuarischer und thüringischer Quellen der geistlichen oder bürgerlichen Literatur nicht zwangsläufig bestätigen. Für unsere Carmina Burana ist dies nur von marginaler Bedeutung. Denn die Handschrift des Codex Buranus wurde im bairischen Sprachraum, also in unmittelbarer dialektaler Nähe zum Alemannischen und Ostfränkischen niedergeschrieben und enthält Texte, die u.a. Walther von der Vogelweide zugeschrieben werden, der ebenfalls in diesem Sprachraum tätig war.

Es kann demnach nicht vollkommen verkehrt sein, sich mit der Aussprache der mittelhochdeutschen Liedtexte der Carmina Burana an den von Sprachhistorikern aufgestellten Konventionen für das „klassische“ Mittelhochdeutsch zu orientieren. Hierbei gilt, dass sich im gesamten oberdeutschen Sprachraum (alemannisch, bairisch, ostfränkisch und südrheinfränkisch) die 2. Lautverschiebung vollständig vollzogen hat. Man sagt dort auch heute noch ich und Apfel und nicht wie im niederdeutschen Berlin ick und Appel.

Zur regionalen Verteilung der hochdeutschen Mundarten s. Karte südlich der Benrather Linie. (Quelle: Uni Wien)

Aussprache des Mittelhochdeutschen

Die meisten mittelhochdeutschen Textausgaben sind (wenn auch mit unterschiedlicher wissenschaftlicher Akribie) in ihren Schreibweisen normalisiert, so dass sich die phonetische Ausführung von Silben und Worten aus der graphischen Umsetzung „ablesen“ läßt. Ich erkläre die Aussprache deshalb zunächst an den üblichen Graphemen, später dann an den Texten der Carmina selbst.

  • /a/, /e/, /i/, /o/, /u/, /ä/, /ö/, /ü/: Kurze Vokale sind beim Sprechen deutlich von langen zu unterscheiden. Durch die Existenz kurzer, offener Tonsilben unterscheiden sich das Mhd. geradezu charakteristisch vom Neuhochdeutschen. Es heißt im Mhd. tac [tack], nemen [nemmen], vil [fill], loben [lobben] und tugent [tuggent]. Ebenso verhält es sich mit den kurzen Umlauten.
  • /â/, /ê/, /î/, /ô/, /û/, /æ/, /œ/, /iu/ (iu = langes ü): Im Unterschied dazu gibt es einige lange Vokale, die in den meisten Ausgabe durch Zirkumflex ^ gekennzeichnet sind. Fehlt diese Kennzeichnung (wie oftmals in unserer Notenausgabe der Carmina Burana) muß man auswendig wissen, welche Worten lange Vokale enthalten. (Tipp: Die kurzen Vokale überwiegen.) Es heißt im Mhd. dâhte [daachte], gelêret [gelehret], mîn [mien], [soo] und ûf [uhf]. Die langen Umlaute werden als Ligaturen geschrieben und sind daran zu erkennen, wobei die Kombination /iu/ für das lange /ü/ steht. Es heißt im Mhd. swære [ßwääre], hœren [höören] und triuwe [trüüwe].
  • /ei/, /ou/, /öi/, /ie/, /uo/, /üe/: Die Diphtonge sind deutlich zweitonig zu sprechen, verschmelzen aber zu einer Silbe. Dabei liegt die Betonung auf dem ersten Vokal und fällt nach hinten ab, ähnlich wie es im heutigen Bairisch gesprochen wird. Es heißt im Mhd. ein [éyn], schouwe [schóuwe], vröide [fröide], dienest [díenest], buoch [búoch] und süeze [süeße].
  • /h/, /lh/, /rh/, /ht/, /hs/: Das Graph /h/ ist im Anlaut und zwischen Vokalen ein zum Nhd. identischer Hauchlaut (wie in Herr und sehen). In den Kombinationen /lh/, /rh/, /ht/ und /hs/ versteht es sich jedoch als gutturaler Reibelaut. Damit ist evtl. immer der velare Ach-Laut [x] gemeint. In Verbindung mit vorderen Vokalen (e, i, ü) und Sonanten (l, r) könnte es aber schon zu einer Palatalisierung als Ich-Laut [ç] gekommen sein. Der durchgehend velare Gebrauch ist heute nur in der Schweiz, jedoch nicht im bairischen Sprachraum üblich. Ob er es damals war, ist unklar.
  • /z/: Das Graph /z/ wird im Anlaut und nach einem Konsonanten als Frikativ [tz] gesprochen, z.B. in zuo [tzuo] oder herze [hertze]. In den übrigen Fällen steht es für ein stimmloses /s/, dass dem nhd. /ß/ oder /ss/ entspricht, wie in daz [daß] oder wazzer [wasser].
  • /sl-/, /sm-/, /sp-/, /st-/, /sw-/: Das Graph /s/ wird in den Kombinationen /sl-/, /sm-/, /sp-/, /st-/ und /sw-/ nicht palatalisiert, es gibt also anders als im Nhd. hier keinen Zischlaut. Es heißt im Mhd. spil [ßpill] und swære [ßwääre].
  • /w/: Bezüglich der Aussprache des Graphs /w/ (=/uu/, /vv/) gibt es zwei Meinungen. Die eine Schule möchte es als dentalen Reibelaut wie nhd. Wasser hören, die andere als Halbvokal [ɥ] wie im engl. water. Ich persönlich schließe mich wegen der Weiterentwicklung des /w/ im Nhd. dieser zweiten These an, da mhd. frouwe im Nhd. nicht zu Fraw, sondern zu Frau geworden ist.

 

Mhd. Texte der Carmina Burana

Man erkennt, dass unsere Notenausgabe2 der Carmina Burana keine wissenschaftlich normalisierten Texte enthält. Der Gebrauch des Graphs /h/ in Endpositionen wechselt mit /ch/, einige lange Vokale sind durch Zirkumflex gekennzeichnet, auf anderen fehlen die Längenzeichen, Elisionen (bes. Vokalhiats und stumme e’s) sind nicht gekennzeichnet und in der 2. Strophe von „Chume, chum, geselle min“ ist noch ein Abkürzungszeichen (die Tilde über dem n) übernommen, das in ein Dentalsuffix aufgelöst werden muß.

Ich habe die langen und kurzen Vokale der wichtigen Wörter mit dem Mittelhochdeutschen Wörterbuch von Niemeyer3 abgeglichen, um hier eine Sicherheit hinsichtlich ihrer Aussprache zu bekommen. Das /eu/ in freudenriche ist der normalisierten Form von vröide/vröude angepaßt und wird auch so gesprochen. Ich speche alle /w/ als Semivokale, alle /ch/ hinter vorderen Vokalen als Ich-Laut – das kann man aber halten, wie man will. Um sich die mp3s anzuhören, reicht es, in der Flashanimation auf den Play-Button zu klicken.

7. Floret silva

Floret silva undique,
nah mime gesellen ist mir wê.
Gruonet der walt allenthalben.
wâ ist min geselle alse lange?
der ist geritten hinnen.
owî, wer sol mich minnen.

[nach (x) miem (i lang, e stumm) gesellen ist mirr (i kurz) weh
gru-onet (Diphtong, aber o unbetont) der walt allenthalben
wa ist mien (i lang) geselle allse lange
der ist geritten hinnen
owie, wer soll mich minnen]

[audio:floret-silva-undique.mp3]

8. Chramer, gip die varwe mir

Chramer, gip die varwe mir,
die min wengel roete,
da mit ich die jungen man
an ir dank der minnenliebe noete.

Seht mich an, jungen man!
lat mich iu gevallen.

Minnet, tugentliche man,
minnecliche frouwen!
minne tuot iu hoch gemuot
unde lat iuch in hohen eren schouwen.

Wol dir, werlt, daz du bist
also freudenriche!
ich will dir sin undertan
durch din liebe immer sicherliche.

[Kramer (a lang) gipp di-e (diphtong) farwe mirr
di-e mien wengel röte (ö lang)
da mit ich di-e jungen mann
ann irr dank der minnenli-ebe (kurz) nöte (ö lang)]
      \\ (oder „aan irr dank“, wenn „gegen ihren Willen“)

[Seht mich an, jungen mann
latt mich ü (ü lang) gefallen]

[minnet tuggentliche (u kurz) mann
minnecliche frouwen
minne tu-ot ü (lang) hoch gemu-ot
und (e stumm) latt üch (ü lang) in hohen (o lang) ehren (e lang) scho-uwen]

[woll (o kurz) dirr wärlt daß du bist
allso fröidenrieche (-rieche i lang)
ich will dirr sien undertann
durch dien li-ebe immer sicherliche]

[audio:chramer-gip-die-varwe-mir.mp3]

Swaz hie gat umbe

Swaz hie gat umbe,
daz sint allez megede,
die wellent an man
alle disen sumer gan!

[ßwaß hi-e gaat (a lang) umbe
daß sint alleß megede (e kurz)
di-e wellent aan (a lang) mann
alle disen (i kurz) summer (u kurz) gaan (a lang)]

[audio:swaz-hie-gat-umbe.mp3]

Chume, chum geselle min

Chume, chum, geselle min,
ih enbite harte din.

Suzer rosenvarwer mund,
chum uñ mache mich gesunt

[Kumme, kumm (u kurz) geselle mien (i lang)
ich enbiete (i lang) harte dien (i lang)]
Sußer (u lang) rosenfarwer (o lang) munt (u kurz, t scharf)
kumm und (mit nd) mache mich gesunt]

[audio:chume-chum-geselle-min.mp3]

10. Were diu werlt alle min

Were diu werlt alle min
von deme mere unze an den Rin,
des wolt ih mih darben
daz diu chünegin von Engellant
lege an minen armen.

[werre dü wärlt alle mien (i lang)
von demm (e stumm), meer-unß (elang, hiat) an denn Rien (i lang)
des wollt ich mich darben
daß dü (ü lang) künneginn (ü kurz) von Engellant (ng nasal)
legge (e kurz) an mienen (i lang) armen]

[audio:were-diu-werlt-alle-min.mp3]

Eselsbrücke

Als kleine Eselsbrücke bezüglich der /i/-Längen kann man sich merken, dass alle mhd. /i/ lang gesprochen werden, wenn ihre nhd. Entsprechungen zu einem /ei/ geworden sind. Also mhd. mîn wird nhd. mein, deshalb ist das /i/ im mhd. Wort ein langes /i/, ebenso mhd. vröidenrîche → nhd. freudenreich. Das /i/ ist hingegen kurz, wenn im nhd. Wort noch immer ein /i/ (kurz o. lang) steht.
__________

  1. Thordis Hennings: Einführung in das Mitelhochdeutsche. 2., durchgesehene und verbesserte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin, NewYork, 2003
  2. Carl Orff: Carmina Burana. Cantiones Profanae. cantoribus et choris cantandae comitantibus instrumentis atque imaginibus magicis, Klavierauszug von Henning Brauel [ed.], Schott 1996, ED 2877
  3. Beate Henning: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Christa Hepfer u. Wolfgang Bachofer (Co.-Red.), Max Niemeyer Verlag, Tübingen 20014

Oder ich schreib es untereinander…

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Xipulli hat mich gerade auf einen Dialog eines Buchmesse-Korrespondenten des Spiegels im SpOn hingewiesen. Mal abgesehen davon, dass es sich das „Kafkas-Porno-Skandal-Blatt“, der Spiegel, eigentlich nicht mehr leisten kann, über die intellektuelle Abgedroschenheit von Autoren, Verlagen und Buchmesse und Mittelmäßigkeit des marktwirtschaftlich bestimmten Schrifttums abzulästern, findet sich in diesem Dialog ein Absatz, den ich wegen seiner Herrlichkeit hier einfach mal anführen muß:

HH: Der Hammer ist immer schon eine schlechte Metapher gewesen, außer im Heavy Metal, Sven! Weißt du schon, was du in deinem Blog schreiben willst?

Sven: Irgendwas Erbauendes. Was die Leute aufrichtet in schwerer Zeit. Was man da so erlebt auf der Buchmesse und so. In kurzen, knappen Sätzen. Die trotzdem schön sind.

Oder ich schreib
Es untereinander
Dann
Ist es ein
Gedicht.

Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,584072,00.html

Es scheint inzwischen also auch anderen als mir irgendwie schon aufgegangen zu sein, dass das derzeitige Verständnis des Wortes „Gedicht“ irgendwie hirnrissig sinnentleert ist und eigentlich nur noch an formal graphischen Aspekte eines Textes festzumachen ist. Danach wäre das Gedicht die einzige Textform, die sich auf Grund ihres schriftlichen Layouts auf dem papier definiert und nicht etwa wie andere Texte anhand ihrer sonstigen Sprachformalen, semantisch-perspektivischen oder funktionalen Aspekte.

Ich habe darüber ja immer den Kopf geschüttelt, weil es nicht mit meiner Idealvorstellung zusammenpassen will, das ein guter Dichter heutzutage wohl eher Grafikdesigner als Sprachakrobat sein muß und mich mit mir selbst darauf geeinigt, dass ich das, was ich so geschrieben habe, in einem gedruckten Buch wohl eher nicht mehr Gedicht nennen würde, weil dieses Wort beim Leser einfach völlig falsche Assoziationen von dem auslöst, was ihn erwartet.

Aber ja, gut, ich muß das jetzt nicht weiter breittreten. Hatte ich ja vor zwei Jahren schon im Artikel Das Auge erkennt den Vers und besonders produktiv ist es ja nun auch wieder nicht, sich daran festzubeißen. Also akzeptiere ich für mich und meine Sprachakrobatik einfach, dass der graphische Aspekt, der ja durchaus Bestandteil unserer Sprachkultur ist, einfach eine weitere Dimension für meinen Kreativpool ist. Damit – nicht mit der Reduktion darauf – kann ich leben.

Sprache und Bewußtsein

Donnerstag, 18. September 2008

Der SpOn veröffentlicht gerade eine Reihe von Artikeln, in denen Wissenschaftler Thesen ihres Fachgebiets präsentieren, die sie alle irgendwie für wahr halten, aber nicht beweisen können. Darunter findet sich auch eine These des Philosophen Daniel C. Dennett, der behauptet, dass die Ausbildung des Bewußtseins mit der Fähigkeit zu sprechen einherginge.

„Ha!“, sage ich zu meinem Mann, mit dem ich dieses Thema schon oft wild diskutiert habe. Er Informatiker, ich Literaturwissenschaftler, haben wir beide irgendwie was mit Sprache und den logischen Systemen, die dahinter stehen, zu tun. Ich behauptete immer, dass Welt, also das was wir als uns und unsere Umgebung begreifen, nicht über das hinausgehen könne, was wir sprachlich formulieren können, weil sich unsere Gedanken irgendwie sprachlich manifestieren und wir Dinge, die wir uns vorstellen können, selbst wenn noch kein Name für sie existiert, immer sprachlich erfassen. Frei nach dem Motto: „Die Grenzen meiner Sprache, sind die Grenzen meiner Welt“, das ich hier schon öfter besprochen habe. Er ist hingegen der festen Überzeugung, sich auch Dinge vorstellen zu können, ohne dass sie im inneren Monolog beschrieben werden müßten, denn schließlich können ja Autoren, Künstler, Erfinder sich auch Dinge vorstellen, die eben noch keinen Namen haben.

Ganze Nächte haben wir uns mit diesem Thema um die Ohren geschlagen, doch beweisen konnte natürlich niemand seinen Standpunkt. Wir müßten ja in unsere Hirne gucken und erst einmal einig darüber werden, was überhaupt Bewußtsein ist. Für mich stehen Sprache und Denken in sehr engem Zusammenhang, vielleicht liegt es daran, dass ich in meinen Linguistikvorlesungen dahingehend sozialisiert wurde. Denken ist die Voraussetzung für Bewußtsein, man reflektiert sich und seine Umgebung, erinnert, spekuliert, benennt. Durch eine „Spiegelerfahrung“ bekommen wir überhaupt erst eine Vorstellung von dem, was wir sind und Sprache ist ein Teil davon, und zwar der akustisch (optisch) wahrnehmbare Teil unserer Gedanken, mit dem wir uns intersubjektiv über unsere Subjektivität austauschen können.

Ich persönlich kann mir ein Denken ohne Sprache nicht vorstellen. Dahingehend bekommt dieses Bibelzitat (ich schätze dieses Buch wegen kulturgeschichtlicher Aspekte): „Am Anfang war logos„, eine ganz interessante Deutung. Denn die Bedeutung des griechischen logos ist total unklar und reicht von „Wort“ über „Sprache“ über „Lehre“ bis hin zu „Denken“. Da kann sich jetzt jeder das passende einsetzen.