Mir fehlen die Worte

Ein Gedicht wollte ich schreiben über die schöne Kuhle, die sich über der Mündung von Schlüssel- und Brustbein ungefähr auf Höhe des 7. Wirbels vorn am Hals befindet. Seit Stunden durchwühle ich Anatomie-Seiten im Netz auf der suche nach einem Wort für dieses pittoreske Halstal. Ich habe schöne Worte wie Clavicula oder Manubrium Sterni glernt. Auch die Vertebra ist hinten sehr prominens, wenn vorn an ihr die Trachea vorüberzieht. Im Mediziner-Latein kriegen sogar häßliche Wörter wie Kehlkopf schöne, neue Namen und heißen dann Larynx. Das erinnert an Syrinx, was Nymphe, Schilfrohr, Flöte und eine wunderbare Komposition von Debussy zugleich ist. Doch mein ausgesprochen schönes Halstal hat keinen Namen bekommen. Das ist Perversion der Sprache, dass solch schöne Dinge nicht mit schönen Begriffen bedacht werden und in poetischer Hinsicht ein Skandal. Wie soll ich denn jetzt ein Gedicht darüber schreiben?

#edit: Aha, es gibt also doch einen Begriff. Das Tal heißt Drosselgrube, habe ich jetzt nach langem Suchen herausgefunden, auf Mediziner-Latein Incisura jugularis oder auch Fossa suprasternalis. Na toll, das ist also die Grube, wo man hingreift, wenn man jemanden erdrosseln möchte. Großartig! Jugularis, das klingt schon als würde man gerade erdrosselt. *jürgelgürgel* Da kann man allenfalls ein Satyricon, aber kein Eroticon drüber schreiben: „Da fall ich vor der Dame um und plumse in ihr Jugulum.“ Das ist ja wirklich zum Haare raufen!

5 Kommentare zu “Mir fehlen die Worte”

  1. deakanas
    September 17th, 2007 13:29
    1

    Gibt glaube ich ein Gedicht das heißt Fossa Jugularis
    hab leider den Autor vergessen
    ist aber auch eher ein sehr abstraktes Gedicht.
    cu dek

  2. pringles
    Februar 1st, 2009 09:42
    2

    hallo 🙂

    mich würde interessieren ob mittlerweile eine lösung dafür gefunden wurde, oder das gedicht einfach als unfertig abgelegt wurde.

    wenn kein lateinisches wort zu passen scheint, wie wäre es dann mit einem neologismus, der sich herabfließend der kehle verhält? oder einen sinnzusammenhang beider wörter darstellt…kehle und tal = kehlental / guttur vallis? ich weiß nicht ob die schreibweise richtig ist, ich kann kein latein und habe das nur ganz provisorisch ergooglet, aber ich finde es stehen ja viele möglichkeiten offen, vor allem wenn man im übertragenen sinne, auch mal sinnfremd, oder sinnig etwas darstellen möchte. der klang der wortkonstruktion guttur vallis, wirkt auf mich anmutig, das beruht aber nur auf dessen phonetischer ebene, da diese eine recht gleitende wirkung auf mich ausübt.
    fern des besseren wissens weiß ich aber immer noch nicht ob es sinnvoll und passend wäre. mir sind lateinische artikulationsbezüge sehr fremd und ich hoffe insgeheim, das ich nicht allzu unbeholfen etwas beigetragen habe. das plural von kehle lese ich gerade als guttural…hm
    klingt dann doch irgendwo…eigenartig… vielleicht kannst du ja trotzdem etwas daraus für dich ziehen. mir fehlt es an lateinischer sprachkenntnis, um zwischen den einzelnen wörtern eine sinnvolle beziehung herzustellen, sorry 🙂
    glg pringles

  3. LeV
    Februar 1st, 2009 13:58
    3

    Du empfindest „guttural“ auf phonetischer Ebene als ein weiches und gleitendes Wort? Mir geht es bei Wörtern deren Laute irgendwo am hinteren Gaumensegel gebildet werden komplett anders. Das mag noch angehen, wenn dann ein hellerer Vokal folgt, wie z.B. in „Ginster“. Ginster ist durchaus ein neckisches Wort. Aber /u/ ist nun auch noch so ein dunkler Vokal, da rutscht einem das Wort fast den Hals hinunter. „Guttural“ ist ein Wort für ein Vogonen-Gedicht, aber erotisch klingt das nicht, es sei denn, man denkt dabei ans Deepthroaten, aber das wäre mir für ein Gedicht über eine schöne Kehlgrube wirklich ein Zaken zu viel des Guten.

    Das Thema liegt in meinem Hinterkopf auf Halde, dort wo all die andere Ideen für poetische Projekte schlummern. Ich hab’s mit dem Dichten momentan nicht, bin momentan einfach zu entspannt und zufrieden, um da irgendwie Kunstvolles anzustellen.

  4. pringles
    Februar 1st, 2009 16:17
    4

    huhu, ich glaube du hast mich missverstanden, ich empfand guttur vallis als angenehm zu lesen…
    guttural ging mir selber seltsam ab…
    im eigentlichen merke ich aber selber gerade,das ich einer falschannahme, oder einem missverständnis unterliege, sorry

    ich lese gerade das du das „u“ als dunkel definierst. ich finde einen dunklen unterton im klanglichen sprachgebilde innerhalb eines erotischen gedichtes gar nicht schlecht. das könnte man doch kontrastreich darstellen, der dunkle ton, in hinblick auf unerfülltes, das im dunkel verborgen liegt, sehnsüchte anspricht..da ich den grundtenor deines gedichtes aber nicht kenne, kann ich da wenig zu äußern. der „helle“ ton könnte demnach als etwas genutzt werden, das dem ausgesprochenen und dem unverdorbenen zugute käme. eine art gegenüberstellen von sündigen gedanken und unschuldigen äußerungen.
    ich hoffe das klang jetzt nicht zu wirr..

    darf ich dir einen denkanstoß in sachen kunst geben? falls dieser denn als solcher überhaupt dienen kann. 🙂
    hast du dir schon einmal gedanken über eine villanelle gemacht? irgendwie ist dieses thema nirgendwo vertreten und wenn dann nicht sehr tiefgreifend.
    ich selber bin nicht im stande darüber eine konkrete aussage zu verfassen, wäre aber an einer definition dieser sehr interessiert. ist wohl ein wenig eigennützig von mir, aber vielleicht treibt dich das ja ein wenig an, dich damit näher zu befassen und anderen auch nahe zu bringen. 🙂

    über die villanelle weiß ich selbst nur das, was man auf den suchseiten findet..
    reim muster a,b,a in jeder strophe. 6 strophen.
    jeweils vefasst in einem endecassilabo (fünfhebiger jambus) und die letzte terzette (ich nenn es mal so, weil es äußerlich ein wenig an die terzette eines sonettes erinnert, obwohl das terzett ja nur als formaler begriff und als grundlegend definierendes element des sonettes dient) wird zu einem quartett mit dem reim muster a,b,a,a
    wohl als abgesang zu deuten?
    die villanelle stammt aus dem 16. jahrhundert und wurde als italienische volksweise gesungen, soweit ich das verstanden habe…ein strophenlied im volkstümlichem text und dreistrophigem satz…mehr information habe ich leider nicht zu dem thema.
    über die beschaffenheit der farbgestaltung des untertones kann ich auch nichts aussagen, allerdings glaube ich das sie eher fröhlich bis humoriger natur ist…volkslied war wahrscheinlich als zeichen der lebenslust definiert und trug somit bestimmt zu einer feierlichkeit bei und bei denen stand ja gewöhnlich der gemeinsame spaß und tanz im vordergrund.

    …wieso richtest du dein schreiben nach deinem gemütszustand aus? das überrascht mich gerade. ich ging immer davon aus, schreiben wäre individuell gesehen eine darstellung von reflektierender erinnerung, welche im rezipienten etwas auszulösen vermag und würde sich nicht auf emotionen des dichters beschränken, was das dichten mit sicherheit eher erschwert?
    ich weiß nicht ob ich gerade falsche ansichten habe. wenn du zufrieden bist, genügt mir das natürlich als antwort, obwohl ich sie dennoch nicht ganz nachvollziehen kann irgendwie. was aber sicher auch daran liegen kann, das ich den moment meiner eigenen zufriedenheit noch nicht erreicht habe.
    woraus hast du im moment des schreibens deine kraft bezogen und warum bist du der auffassung, das im gegensatz dazu positive ansichten, keinen anlass zum schreiben bieten würden? das lese ich nämlich gerade aus deiner antwort heraus irgendwie.
    man kann auch andere klangfarben als einen grundtenor erstellen, um ein wirkunsvolles moment zu erzeugen. das muss nicht immer düster sein. wozu gibt es sonst die sprache? ich glaube die sprache kennt kein schwarz oder weiß. für mich ist sprache bunt, auch wenn ich sie oft nicht konkret zuzuordnen weiß. was aber nicht heißt, das ich sie nicht doch instinktiv korrekt aufnehmen und anbieten könnte.

    vielleicht würde ja auch ein herraus brechen aus der gewohnheit etwas positives auf dich ausstrahlen? 🙂
    ich hoffe ich bin jetzt nicht am nerven, aber ich lese einfach zu gerne was du zu sagen hast. aus dem schlichten grund das du dich mitzuteilen weißt. ich bin da eher unbeholfen und wirke oft auch naiv auf mein gegenüber, sobald ich versuche mich mitzuteilen. aber ich glaube, das auch das ok ist. 🙂
    glg pringles

    vogonen gedicht…das wort klingt toll, ich schau gleich mal nach. 🙂
    umd jupp, ich rede und rede…sorry 😀 🙂

  5. LeV
    Februar 4th, 2009 02:36
    5

    Das Wort ‚guttural‘ klingt einfach Klospülung und das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen, u.a. damit, dass es einen velaren Klang am Anfang, gefolgt von einem hinteren Vokal, gefolgt von doppelten Plosiven, gefolgt von einem hinteren Vokal, gefolgt von einem uvularen Vibranten… all das erzeugt einfach in seiner Gesamtheit einen Klang der meiner Vorstellung von der poetischen Bearbeitung der referenzerten Körperregion abträglich ist.

    Was die Abhängigkeit meiner poetischen Schaffenskraft von meinen Gemütszustand betrifft, so war ich ja nie abgeneigt, in der lapidaren Behautung, bei Gedichten ginge es um Gefühle, einen wahren Kern zu sehen. Momentan ist mein Leidensdruck gerade nicht groß genug, um mich mit der künstlerisch kreativen Auseinandersetzung mit meinen Gemütszuständen zu befassen. Das liegt daran, dass mein Gemütszustand momentan ein sehr glücklicher und zufriedener ist, der es mir ermöglicht, mich solange einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit künstlerischer Kreativität zu widmen, bis ich wieder vor ein Problem gestellt werde, das ich anders als mit künstlerisch kreativem Tatendrang nicht beikommen kann. Ich glaube, an der viel geäußerten, psychologischen These, dass man eine Leiderfahrung braucht, um kreativ zu sein, etwas dran ist.

    Ich sehe deswegen aber keinen Grund, an meinem derzeiten Gemütszustand aktiv etwas zu ändern. 😉

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