Gelöschtes wiederherstellen

Im digitalen Zeitalter kein Problem, aber was ist mit alten Schriftstücken aus dem Analogzeitalter? Im Mittelalter war der Beschreibstoff rar. Für ein Buch von der Größe des Codex Manesse mußten mal eben 2000 Schafe sterben. Deshalb hat man ihn oft wiederverwertet. Alte Texte, die nicht mehr gebraucht wurden oder die man für unwichtig hielt, wurden abgeschabt, um das nun leere Pergament wieder zu beschreiben. Dass dadurch z.T. echt wertvolle Texte, wie z.B. ein Archimedes-Manuskript über die Grundlagen der modernen Integralrechnung, verloren gegangen sind, ist nicht neu. Auch dass Forscher mit verschiedenen Methoden seit Jahren versuchen, diese Texte unter den Texten wieder lesbar zu machen, ist nicht neu. Neu ist, dass man dafür jetzt eine Anlage von der größe fünfer Fußballfelder verwenden kann, in der die untersuchten Schriftstücke mit starker Röntenstrahlung beschossen werden, so dass sie weder geöffnet, noch angefaßt werden müssen. Hinterher puzzelt eine Software die Schicht-Bilder zu einem lesbaren Text zusammen, wie der Spiegel heute berichtet. Bis ich aber Palimpseste mit Musiknotation, die oft als Vorlageblatt, Buchrückenverstärkung oder Einband wiederverwendet wurden, zur Röntenbestrahlung einschicken kann, wird die Arktis abgeschmolzen sein. Ich sehe nicht, dass sich bei einer solch aufwendigen Methode bald eine Forschungs-Routine für Kodikologen daraus entwickelt. Trotzdem spannende Forschung.

3 Kommentare zu “Gelöschtes wiederherstellen”

  1. Snorf
    September 21st, 2007 18:30
    1

    Ja unglaublich, die Technik von heute. Unklar ist mir jedoch, warum dieser Apparat so groß sein muss (hab den Artikel aber noch nicht gelesen, nur mit einem Auge überflogen). Als die SÄK dieses Jahr in Köln war, wurden wir auch zu den Restauratoren eigeladen und uns wurde einiges dazu erzählt, so z.B. auch, daß man mit diesen Röntgenmethoden auch alte Bilder untersuchen kann und bei einem (Namen vergessen) konnte hinter einem Vorhang durch die Röntgenstrahlung eine Stelle entdeckt werden, bei der Perspektive angewendet wurde. Und somit konnte nachgewiesen werden, daß es zu dieser Zeit die Perspektive dort schon gab, dabei hatte man bisher angenommen, daß erst etwa 100 Jahre später die Perspektive dort bekannt war. Super, oder? Auch alte Papyri können so wieder lesbar gemacht werden. Die Maschinen dort passten jedoch locker in normale Zimmer.
    🙂 Liebe Grüße,
    Snorf!

  2. LeV
    September 21st, 2007 18:39
    2

    Japp, das mit der Größe ist mir auch nicht ganz klar. Vielleicht hängt es mit der Stärke der Strahlung, die dort erzeugt wird, bzw. mit der dafür benötigten Kühlung zusammen. Das muß ja irgendwo herkommen. Nun sind zwar die Röntenapparate beim Arzt auch weniger als zimmergroß, aber die Frage ist halt auch, wie fein die Bilder sind. Wenn ich mir jetzt vorstelle, den geschlossenen Codex Manesse so zu durchleuchten, dass mir der Computer hinterher die Schrift auf den übereinanderliegenden Folii auseinanderdividieren kann, dann ist das schon ne Leistung, die der Röntenapparat beim Arzt (zum Wohle unserer Gesundheit) nicht so recht schafft. Aber vielleicht übertreiben die Journalisten ja auch ein bisschen oder sie verwechseln die Größe des gesamten Gebäudekomplexes mit der der Maschine. Wer weiß?

  3. xipulli
    September 22nd, 2007 22:33
    3

    Das Diamond Synchrotron ist eigentlich, wenn ich die Webseite recht verstehe ein Teilchebeschleuniger mit Büros und Laboren drum herum. Und die Sache mit dem Teilchenbeschläuniger macht es eben irsinnig rieseg. Kann man ja auch mal nach „Bessy“ in Berlin suchen, das ist auch nicht wirklich klein.
    Außerdem scheint die Größe tatsächlich mit der Stärke der Partikel einherzugehen, auf der Diamond Webseite ist zu lesen: „Most of the experiments at Diamond will use X-rays that are 100 billion times brighter than a standard laboratory X-ray tube.“ Klar, dass die Geräte die snorf gesehen hat da kleiner sind. Außerdem ging es ja in der Analyse (siehe LeVs Kommentar)darum, übereinanderliegende Schichten von schrift zu entziffern, ich befürchte, dass da der heimische Röntgenapparat tatsächlich überfordert wäre.

    Gruß,
    xi

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