Linkverbot zum Wohle der Kunst?
Nach langer Zeit der absoluten Funkstille erhielt ich von einem Verfasser, dessen Gedicht ich auf meiner Seite verlinke, gestern abend eine Mail. Ich solle doch „bitte“ den Link zu seinem Gedicht entfernen, da er seinen Text vom Netz genommen hätte. Meine verwunderte Nachfrage nach der Sinnhaftigkeit dieses Entzugs ergab: Der Link sei nicht in seinem Sinne, ich solle ihn zum Wohle der Kunst entfernen, dann würde er auch seinen Text wieder einstellen und die Welt könne sich wieder an dem schönen Gedicht erfreuen.
Ja, wie blöd ist das denn?
Früher stand einmal der ganze Text auf meiner Seite. Der Autor hatte mir dessen Veröffentlichung erlaubt und sich geehrt gefühlt. Dann, nach einigen privaten Meinungsverschiedenheiten, verlangte er plötzlich von mir, den Text von meiner Seite zu entfernen. Ich tat es, auch wenn ich es total kindisch fand, aber als Urheber hatte er das Recht auf seiner Seite.
An dieser Stelle muß ich aber auf ein inzwischen 4 Jahre altes Urteil des Bundesgerichtshofs zum Thema deep linking hinweisen. Damals hatte die Handelsblatt Verlagsgruppe gegen den Nachrichten-Suchdienst paperboy geklagt, weil dieser auf die Artikel des Verlages in seinen Trefferanzeigen direkt verlinkt hatte (ihr wißt schon, Google macht das heute auch so). Der Bundesgerichtshof entschied für paperboy und für die Links. Nicht einmal der Urheber eines Textes kann also dessen Verlinkung verbieten.
Für mich bedeutet das: Der Link bleibt! Ich lasse mich nicht von einem Kindskopf mit einem lächerlichen Appell an meine Liebhaberei [!] unter Druck setzen. Ich lasse mir nicht meine Meinung verbieten und ich lasse mir nicht verbieten, darob selbstgewählte Inhalte zu verlinken. Dann muß der Autor eben damit leben, dass die Welt seinen Text zukünftig nicht mehr lesen können wird. Das ist schade für die Welt, schade für den Text, geschieht dem Autor aber ganz recht, denn wie redete er einst selbst daher: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
Juni 15th, 2007 01:20
Ja, genau, wie blöde ist das denn?
Findest du das in Ordnung? Ich bat dich lediglich, den Link doch zu entfernen, weil er eh ins Leere führte. Darauf fragtest du nach, was ich denn davon hätte, der Welt mein Gedicht zu entziehen. Da ich nicht so überspannt bin wie du und noch dazu davon überzeugt, dass die Welt herrlich ohne meine Gedichte auskommt, witzelte ich herum, dass du es doch für die Kunst tun könntest. Dann würde ich das Gedicht wieder einstellen und die Welt könnte sich wieder daran erfreuen.
Aus diesem harmlosen Vorgang machst du jetzt so etwas wie eine öffentliche Hinrichtung des Idioten, indem du es verdreht und für den Kick passend darstellst. Vielen Dank auch. Ich hatte dir damals sehr wohl erklärt, warum ich mein Gedicht nicht mehr auf deiner Site haben wollte. Ja, zunächst war ich tatsächlich gebauchpinselt, ist dir so etwas fremd?
Und dann war ich es nicht mehr, doch lag das nicht an mir, sondern an dir. Ist so etwas erlaubt? Darf man durch bestimmte Handlungen seine Meinung über eine Person ändern? Und nachdem du kein verlag bist und mir kein geld für die Veröffentlichung gabst, durfte ich mein Einverständnis zurückziehen? Und findest du es dann in Ordnung, einen Link zu setzen?
Oh, ich bin sicher, dass du das darfst und selbst wenn nicht, wäre ich der letzte, der dich am Ende noch gerichtlich belangte. Nein, nein, ganz einfach moralisch gefragt. Warum musst du den Link beibehalten, warum musst du meinen Namen auf deiner HP belassen, wenn ich dich bitte, das nicht zu tun? Warum?
Es gibt wahrlich so viele weniger kindische „Online-Poeten“, die rattenscharf darauf sind, möglichst überall zu stehen und sicher auch bei dir. Da brauchst du mich und meine kleinen Versuche wirklich nicht.
Danke, dass du meinen Wunsch respektierst, auch wenn du ihn ganz kindisch und dumm findest.
Beste Grüße
Mattes
Juni 15th, 2007 02:16
Entschuldige, ich habe den Scherz nicht als solchen verstanden. Deine Mail wirkte auf mich doch sehr so, als hättest du aus Trotz deinen Text gelöscht, um mir dann vorzuhalten, es wäre meine Schuld, dass du so handeln mußtest. Ein Vorgehen, das übrigens im Gegensatz zum Inhalt des fraglichen Gedichtes steht, das ein Appell an die eigene Mündigkeit und Verantwortung des Menschen an sich selbst ist. Fakt ist, ich fühlte mich durch deine Bitte stark bevormundet, denn mein Link zeigte ja schon in dem Moment nicht mehr auf deinen Text, als du diesen vom Netz nahmst. Die Entscheidung, ob ich deiner Bitte nachkomme und zukünftig nicht mehr auf deinen Text verweise, hast du mir also abgenommen, indem du den Text löschtest.
Ich bin aber froh, dass offenbar alles nur ein Mißverständnis war. Denn es ist ja nicht so, dass ich Texte auf meiner Seite veröffentliche/verlinke, weil sich deren Verfasser ärgern oder bauchpinseln möchte. Ich veröffentliche/verlinke, was mir gefällt, worin ich einen Wert für mich erkannt habe. Ich empfehle und bekunde damit meine Meinung und dieser Möglichkeit lasse ich mich nicht berauben, zumindest nicht ohne heftigen Widerstand. Weil ich im Falle deines Gedichtes nicht veröffentlichen darf, was ich respektieren muß, verlinke ich. Der Link ist ein Ersatz – ich finde es dahingehend, um deine Frage zu beantworten, in Ordnung, ihn zu setzen.
Solltest du dich also entschließen, deinen Text wieder zu veröffentlichen, wirst du damit leben müssen, dass ich wieder darauf verweise. Solltest du dich gegen die Wiederveröffentlichung entscheiden, werde ich damit leben müssen, nicht mehr auf einen lesenswerten Text verweisen zu können. Es liegt ganz bei dir. Wenn du aber nun mit dir zu Rate gehst, stelle dir doch mal die Frage, was für dich denn eigentlich so schlimm daran ist, dass die Welt mitkriegen könnte, dass ich deinen Text gut finde. Denn darauf wüßte ich wirklich gerne Antwort.
Juni 15th, 2007 08:23
Hallo LeV,
dafür gibt es viele Gründe, jedoch werde ich sie dir kaum verständlich machen können. Wir haben in der Vergangenheit häufig genug festgestellt, dass wir zu unterschiedlich ticken, als dass wir auf einen Nenner kommen könnten.
Ich will dir dennoch zwei Gründe nennen, die du evtl. nachvollziehen kannst. Falls nicht, würde ich mich freuen, du machtest dich dann nicht wieder lustig darüber, sondern nähmest einfach hin, dass ich andere Wichtig- und Wertigkeiten habe.
1. Ich wünsche nicht, dass mein Name mit bestimmten anderen Namen im Zusammenhang erscheint oder auch nur in der Nähe steht. Es mag ja sein, dass man sogar den Link auf einer Kinderschänder-Site rechtlich hinnehmen müsste. Ich denke aber nicht, dass wir beide darüber rechtlich diskutieren müssen, ob du einen Link setzt, den der Gelinkte nicht wünscht.
2. Ich finde es total öde, auf uralte Gedichte (und immer dieselben) zu linken. Sie sind auch nicht wirklich gut, meines zumindest nicht.
Irgendwann hat mal jemand auf dot.com zu dir gesagt, dass das, was du produziertest, nicht Kunst, sondern nur Reproduktion wäre. Auch wenn das ein Ansatz der Moderne und damit schon wieder veraltet ist, so gebe ich dem Mann (wie hieß er bloß?) immer dann Recht, wenn und insoweit es sich um Gedichte handelt, die zeitlose Themen behandeln, so wie zum Beispiel auch das von dir Verlinkte. Das haben schon so Viele und sehr viel Berufenere bedichtet, das ist nur eine Spielerei und die ist nicht so umwerfend, als dass sie noch Jahre nach ihrer Veröffentlichung aufbewahrt und verlinkt werden müsste.
Wenn ich nicht solchen Respekt vor dem Forum Worttümpel und dem Betreiber Arno Boldt hätte, wären meine Reimereien dort nach Ablauf ihres Verfallsdatums immer gelöscht worden. Das ist forenseitig nicht gern gesehen, daher lasse ich das. Wenn also nun ein Mitglied im Tümpel schauen möchte, was ich so verbrochen habe, dann sei es darum. Wenn der Tümpel irgendwann einmal absäuft und sei es durch einen technischer Fehler, dann sind diese Verslein ohnehin alle verschwunden. Glaubst du, die Welt würde es verkraften?
Beste Grüße
Mattes
Juni 15th, 2007 15:19
Weißt du, Mattes, ich habe eigentlich gar nichts gegen dich. Natürlich haben mich deine Trotzreaktionen nicht gerade für dich eingenommen, aber zwischen Freund und Feind gibt es für mich graduelle Abstufungen. Ich kann nicht verstehen, nicht begreifen, wie ich aufgrund einer simplen Meinungsverschiedenheit*1 so plötzlich zu deinem persönlichen Monster mutieren konnte. Es muß doch unter Erwachsenen möglich sein, mal eine andere Meinung äußern zu können, ohne dafür gleich gebrandmarkt zu werden. Selbst wenn man danach feststellt, dass man wohl irgendwie nicht auf dem gleichen Ast sitzt, muß man doch deswegen nicht gleich so aggressiv die Krallen ausfahren: Überleg mal, du hast einen Link auf meiner Homepage gerade mit einem Link auf einer Kinderschänderseite in Verbindung gebracht! Das läßt dich nicht gerade als besonnenen Disputanten dastehen.
All deine Reaktionen – der Entzug der Veröffentlichungserlaubnis, die Löschung deines Textes, deine heraufbeschworenen Feindbilder – waren und sind übertrieben heftig und das ergibt für mich nur unter dem Gesichtspunkt des Trotzes einen Sinn. Es war Trotz, der dich deinen Text hat löschen lassen und nicht etwa die Erkenntnis, dass er an Aktualität verloren hätte oder als Reproduktion in deiner Gunst gefallen wäre. Das ist absurd*2.
Ich glaube dir nicht, dass du deinen Text für überkommen und unartistisch hältst, denn dafür widmest du meinem Umgang mit ihm viel zu viel Aufmerksamkeit. Ich glaube dir nicht, dass dir deine dichterische Anerkennung so unwichtig ist, wie du das durch deine „Understatements“ immer wieder darzustellen versuchst, denn dafür hofierst du deine gekränkte Eitelkeit viel zu sehr (in der Öffentlichkeit). Ich glaube dir auch nicht, dass dir wirklich etwas daran gelegen sein kann, dass dein Name nicht mit meinem in Verbindung gebracht wird, denn sonst hättest du hier nicht öffentlich unter deinem Namen kommentiert*3. Ich glaube, du belügst dich selbst und suchst nur nach einem Grund, das vor deinem Gewissen zu rechtfertigen. Du hast dich da in etwas hineingesteigert.
Fazit: Wie du dich in deinen Argumenten windest und mich zum Narren zu halten versuchst, zeigt mir deutlich, dass es dir nicht um mein Verständnis, nicht um einen Appell an meine Moral geht. Du wolltest mich, deinen verhaßten Feind, piesacken und dabei hast du dich eben diesmal verrechnet. Also schneide dir doch nicht ins eigene Fleisch! Fahre deinen Krallen ein und stelle den fraglichen Text wieder online. Dann kannst du es deinen Lesern überlassen, ihn zu bewerten. Ich bin mir sicher, sie lesen deine Gedichte lieber, als unsere zänkischen Kommentare hier.
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1. Wir waren strittig über die Frage, ab wann ziviler Ungehorsam gerechtfertigt ist und welche Formen er annehmen darf.
2. Das Argument mit der Reproduktion ist ohnehin absurd: Schon Troubadours um 1100 bedichteten die Liebe und trotzdem sind Shakespeares 400 Jahre ältere Sonette keine Reproduktionen.
3. Mein Artikel nannte deinen Namen nicht und niemand außer denen, die sowieso um uns und unsere innige Freundschaft wissen, wäre je auf die Idee gekommen, dass du gemeint warst, hättest du nicht kommentiert.
Juni 16th, 2007 20:06
Ob du mir nun glaubst oder nicht, ist mir nicht wichtig. Ich wusste ja, dass du nichts zählen lässt. Es war dumm von mir, dennoch Gründe zu nennen.
Sagte ich, dass ich nicht wollte, dass mein Name mit dem deinen nicht auf einer Seite stehen sollte? Ich glaube nicht. Das war und ist nicht der Grund für den Entzug der Erlaubnis und auch nicht für die heutige Bitte, meinen Namen und den Link zu löschen.
Es wäre einfach nur nett von dir, meiner Bitte nachzukommen, vor allem deswegen, weil der Link nutzlos ist, das Gedicht ist nicht mehr da. Die Ablehnung meiner Bitte hätte dann für mich etwas mit Trotz zu tun, aber sei es auch darum.
Juni 17th, 2007 00:34
Ich halte es nach wie vor für eine Fehlentscheidung, deinen Text vom Netz zu nehmen, nur damit ich nicht darauf verlinken kann. Den Text einfach heimlich gegen eine Schmunzette auszutauschen, wäre wenigstens kreativ gewesen… Aber na ja, ich lösche den Link, weil du ganz Recht hast. Es hätte etwas mit Trotz zu tun, es nicht zu tun. Hättest du deinen Text vom Netz genommen ohne mich je darüber aufzuklären, hätte ich den Link früher oder später von selbst entfernt. Denn wenn er schon von meinem Blog wegführt, dann doch wenigstens nicht ins Leere – schon gar nicht um zu stänkern. 😉