Wettbewerb oder Bewerbungswette

Wenn ich mir die Anzeigen zu einigen sogenannten Literaturpreisen und Schreibwettbewerben so anschaue, dann komme ich mir als Laienautor schon oftmals mehr als verarscht vor. Unter Ausnutzung unserer Unwissenheit und Unerfahrenheit werden wir mit kruden Angeboten gelockt, um dann Opfer von Werbemaschen und Ausbeutung zu werden. Die Teilnahme an seriösen Wettbewerben bleibt uns hingegen oftmals durch Auflagen wie den Nachweis einer eigenständigen Printveröffentlichung oder die Anmeldung durch den Verlag verwehrt.

Es klingt eigentlich nach einem prima Angebot: Kleinverlag X/Y veranstaltet einen Gedichtwettbewerb, an dem jeder Autor mit einer gültigen E-Mail-Adresse teilnehmen kann. Die Gewinnertexte werden auf der eigenen .de.vu oder mein-verlag.tk Homepage veröffentlicht und zusammen mit den übrigen Einreichungen kostenlos in einer Anthologie herausgegeben. Teilnehmer können den Band dann zu einem Vorzugspreis von nur X€ käuflich erwerben. Klasse! Wer von uns wollte nicht schon immer in einem echten Buch veröffentlicht sein? Beim zweiten Hinsehen entpuppt sich das ganze aber als eine Art Dauerwerbesendung und da man nun schon seine E-Mail-Adresse abgegeben hat, bleibt man auch in Zukunft nicht von lästigen Werbemails verschont.

Im Urhebergesetz gibt es einen Artikel [§32], der jedem Urheber eines kreativen Werkes, wie einem Gedicht oder einer Kurzgeschichte, ein Recht auf angemessene Vergütung zugesteht. Wird der Text eines professionellen Autors durch einen professionellen Verlag veröffentlicht, so wird vertraglich geregelt, dass der Autor für die Einräumung von Nutzungsrechten an seinem Text vom Nutzer bezahlt wird, meist bekommt er zusätzlich Freiexemplare. Kleinverlag X/Y erhebt die Veröffentlichung selbst zum Preis, kommt damit kostenlos an Material und schlägt noch sichere Profite aus dem Verkauf unter den Autoren (die natürlich ein Exemplar ihrer stolzen Veröffentlichung haben wollen). Damit sind geringe Produktionskosten und der Absatz des Produktes von vornherein gesichert. Dass die Qualität dabei auf der Strecke bleibt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche, interessiert aber scheinbar keinen.

Die Juroren beim Literaturpreis „Elysium“, den der Club der raren Schreibkunst e.V. 2005 durchführte, sahen sich z.B. unfähig unter den vielen, guten Einsendungen einen Gewinnertext zu bestimmen und wählten die Preisträger dann per Zufallswahl, indem sie alle eingereichten Texte in die Luft warfen und drei der fliegenden Zettel herausgriffen. Der Websiteverlag verzichtete 2005 ganz auf Juroren und eine Textauswahl. Es sollte ein Wettbewerb der Lyrikforen sein. Jedes Forum sollte selbst Texte auswählen, diese zusammenstellen, lektorieren und für den Druck vorbereiten, freilich honorarlos. Der Websiteverlag übernahm dann die Herstellung des Buches und den Verkauf. Gewinner des Wettbewerbes (und das schlägt dem Faß eigentlich den Boden aus) würde das Forum, dessen Buch sich am besten verkaufe. Also liebe Forenmitglieder: alle fleißig kaufen, wenn ihr wollt, dass euer Forum gewinnt!

Der FiFa-Verlag bittet in der Anzeige zu seinem gerade laufenden Schreibwettbewerb darum, nähere Informationen per E-Mail anzufordern. Das tat ich. Ich erhielt drei Antwortmails. Man wies mich darauf hin, dass die Einreichungsfrist eigentlich abgelaufen sei, ich aber trotzdem noch Texte einreichen dürfe, die dann an eine Jury weitergereicht würden, sobald ich meine Teilnahmegebühr von 10 € bezahlt hätte. Weitere Infos zum Wettbewerb würde ich auch erst nach Bezahlung erhalten. Das Geld würde natürlich gebraucht, um eine CD-R zu brennen, die per Post an alle Teilnehmer geschickt werde und alle Einreichungen als .doc-Files [!] enthalte. Mal abgesehen davon, dass man eine solche CD vielleicht überhaupt nicht haben möchte, weil eh nur ungefilterter Schund darauf ist, ist die auch für jeden, der nicht das teure MS-Office-Packet installiert hat, völlig nutzlos. Es sei denn, sie ist vergoldet, was man bei einem Preis von 10€ für eine postalisch verschickte CD-R mit fucking .doc-files vielleicht erwarten könnte. Wer nun aber partout diese 10 € nicht zahlen möchte, hat natürlich die Möglichkeit, um den Beitrag herumzukommen, z.B. indem er Bücher des Verlages kauft, rezensiert oder aber bezahlte Lesungen des Inhabers an seiner Schule vermittelt und weil es so schön ist und man ja seine E-Mail-Adresse schonmal abgegeben hat, bekommt man auch gleich noch den kostenlosen Newsletter des Verlages im Anhang, ob man will oder nicht. Dass es sich wiederum um ein praktisches .doc-File handelt, erleichtert nur die Entscheidung, es einfach ungeöffnet ins killfile zu hauen, wie es sich für Spam gehört. *PLONK*

Sich dann als anspruchsvoller Online-Poet dann auf die seriösen Wettbewerbe zu stürzen, mißlingt: Beim gerade laufenden Literaturwettbewerb des Hauses der Demokratie darf man nur dann teilnehmen, wenn man eine Veröffentlichung vorzuweisen hat. Die Nachfrage bestätigt, dass Beiträge in Anthologien oder im Internet natürlich nicht als Veröffentlichungen gelten. Lautet die Teilnahmebedingung aber, dass die eingereichten Texte unveröffentlicht sein müssen, wie beim Open-Mike-Wettbewerb der LiteraturWERKstatt Berlin, ist jeder Beitrag in einer Anthologie oder im Internet selbstverständlich eine Veröffentlichung. Nur, wer entweder am Fließband produziert oder sich bereits bei einem Verlag etabliert hat, kann da noch mithalten. Verstehe einer die seltsamen Gesetze der Wettbewerbe und Bewerbungswetten…

11 Kommentare zu “Wettbewerb oder Bewerbungswette”

  1. Stier
    September 22nd, 2006 17:40
    1

    Hallo LeV

    Will ja nicht kleinlich sein, möchte aber gerne drauf hinweisen: “ Die CD […] ist auch für jeden, der nicht das teure MS-Office-Packet installiert hat, völlig nutzlos.“ ist falsch. ^^
    „Open Office“ unterstützt z.B. genauso .doc Dateinen und ist völlig frei downloadbar. *g*

    Aber ansonsten hast du völlig Recht.

    Wie ist das eigentlich? Wenn man jemanden kennt, der jmd. kennt (oder so ähnlich…) der einen kleinen Verlag besitzt. Und dieser Verlagsbesitzter ist so nett und druckt, sagen wir mal, 100 Exemplare von einem eigenen Gedichte Zyklus. Gilt das schon als ernsthafte Veröffentlichung, oder muss das ganze erst in den Markt geraten? Würde das ausreichen um bei einem „ernsthaften“ Wettbewerb mitzumachen?

    Naja. Ich persönlich halte nichts von Wettbewerben, wenn ich nicht totsicher weiß, das die Juroren nicht nur Verleger und Hobbyliteraten sind. *g*
    Naja. Wayne.

    lg
    Taurus

  2. LeV
    September 23rd, 2006 11:59
    2

    Ja, natürlich ist jeder, der schlau genug ist, nicht MS-Office zu benutzen, in der Lage .docs irgendwie anders zu öffnen, um an die Inhalte zu kommen. Aber hast du es jemals erlebt, dass das Layout oder seltsame Schriftfonts das überlebt hätten?

    Was die Veröffentlichung im Verlag des Freundes eines Freundes betrifft, habe ich keine Ahnung, wie die Wettbewerbsveranstalter so drauf sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alle ungefähr das Gleiche sagen, aber etwas völlig anderes darunter verstehen. Also am besten immer direkt nachfragen.

  3. @miro
    Februar 1st, 2009 22:35
    3

    Der Text ist (leider) weiterhin sehr aktuell…

    mfG
    @miro

  4. demon17
    Juli 25th, 2009 18:09
    4

    Hallo LeV,

    da hast Du ganz recht. Es ist wirklich bescheuert sich in einer großen Auswahl unsortierter Gedichte drucken zu lassen. Das ganze gab es auch schon im Discount für 5€ Gedicht. Besonder gediegen finde ich dann diese sogenannten Wettbewerbsgewinner, die dann auf eigene Kosten veröffentlichen durften und sich für Schriftsteller und Dichter halten um uns dann mit ihren Werken zu beglücken.

    Ich denke die übliche Auflage von 2-300 schaffen die meisten Gedichte auf jedem halbwegs frequentierten Gedichteforum. Wer sie öfter posted übertrifft die meisten Verlagsauflagen locker. Insofern macht es auch gar keinen Sinn, solange man nicht bestimmte Zielgruppen auf Absatzwegen jenseits des Buchhandels ansprechen will.

  5. LeV
    August 8th, 2009 19:49
    5

    Ach, für mich ist das mal wieder ein Zeichen für die Ausbeutung der Kreativen durch die Content-Mafia. Anstatt für die Nutzung des sogenannten „geistigen Eigentums“ zu zahlen, wie die Rechteverwerter das von den Nutzern verlangen (denn wer kopiert ist ein Dieb und gehört bestraft), erschleichen sie sich kostenfrei diese Texte, in dem sie die Verfassern mit der Aussicht auf Ruhm und Ehre bei den Eiern packen: „Hey, du bekommst dann zwar keine Kohle dafür, dass wir dein Buch verkaufen und reich werden, aber immerhin wirst du gelesen/berühmt/überhaupt gedruckt!“ Wow, da mach ich doch lieber meinen eigenen Blog auf, da werd ich auch gelesen und die Bestimmungshoheit über meine Texte bleibt auch bei mir.

  6. dermon17
    August 9th, 2009 19:25
    6

    Ich habe auch schon ein kostenloses Angebot in einer Antologie gedruckt zu werden abgelehnt. Die Auflage ist meist lächerlich und man weiß nicht wie es mit den Rechten steht, es sei denn man schaltet einen Anwalt ein. U-Books war cool. 2 Jahre Copyright und dann liegen alle Rechte wieder beim Autor. (Ich weiß das es in Deutschland kein Copyright gibt, sondern irgendein Bestandteil des Urheberrechtes damit gemeint ist.)

  7. dermon17
    August 9th, 2009 19:33
    7

    Nachtrag:

    Was mich reizt ist ein e-book, das man dann zum Download freigibt, weil ja hin und wieder doch mal jemand nach einer Monographie fragt.

  8. LeV
    August 10th, 2009 10:58
    8

    Ja, das Copyright ist Bestandteil des Urheberrechts und besagt eigentlich nur, dass man zu kommerziellen Zwecken keine Kopien der Werke anfertigen darf, ohne dies mit dem Urheber, der dafür eventuell Kohle sehen möchte, abzusprechen. Die Privatkopie war davon bisher unberührt, aber das soll sich, geht es nach Sony, EMI, Universal, Warner & Co., bald ändern. Allerdings verschwimmen in der digitalen Welt beim Begriff Kopie die Grenzen, da im Rechner alles Kopie ist. Schon um eine Website im Browser anzuzeigen, wird diese kurzzeitig gespeichert, d.h. kopiert. Auch sind im digitalen Zeitalter Kopien nicht mehr von Originalen zu unterscheiden und ihre Produktion kostet so gut wie nichts mehr. Das ist in der analogen Welt ganz anders.

    Was eBooks betrifft, bin ich von dem Konzept noch nicht so restlos überzeugt. Es gibt ja einige größere Verlage, die inzwischen welche anbieten – zum selben Preis wie die Papierausgaben, was ein Witz ist. Eine digitale Kopie kostet wieviel? Null Cent? Da zahle ich doch keine 10€ für ein eBook, zumal ich gar nicht sicher sein kann, dass das Amazon das nicht morgen schon (wenn ich gerade auf Seite 85 bin) wieder von meinem kindle gelöscht hat.

    Auf meiner Website ein kostenloses PDF einzustellen oder mir ein WP-PlugIn runterzuladen, mit dem ich meine Blog-Artikel gegen Kleinstsummen via PayPal o.ä. zur Lektüre anbieten kann, halte ich an sich – was die generelle Verbreitung von Wissen und Kultur betrifft – für die beste Variante, besser noch als die sogen. Kulturflatrates, denn das sind im grunde genommen auch nur GEMA- und GEZ-Gebühren. Ich will aber nur für die Kultur bezahlen, die ich tatsächlich auch konsumiere und vor allem möchte ich als Künstler die Kohle für meine Kunst von meinem Publikum direkt selbst bekommen. Wenn die erst über fünf Instanzen läuft, ist klar, dass am Ende nichts mehr für mich übrig bleibt. Die Leute sollten sich lieber mal Gedanken über ein anständiges digitales Bezahlsystem machen, anstatt sich mit absurden Ideen wie Kopierschützen für Nullen und Einsen rumzuplagen.

    Das gedruckte Buch wird letztlich immer auch ein Liebhaberstück bleiben und sicherlich nicht komplett von der Bildfläche verschwinden. Ich lese gerne im Bett, in der Bahn, am Strand und habe dann auch gern dieses haptische Bucherlebnis, das kann ein eBook, selbst mit Reader sowieso nicht leisten. Bei den BoD-Angeboten muß man allerdings wiederum vorsichtig sein. Ich habe gehört, dass die schon vom Angucken auseinanderfallen, weil sie so larifari gebunden sind.

    Was meine Gedichte und deren nostalgischen Wert für mich als Autor betrifft, träume ich davon, eine illuminierte Handschrift anzufertigen, die dann auch manuell gebunden wird – so à la William Blake vielleicht. Das wär doch mal was…

  9. dermon17
    August 10th, 2009 18:56
    9

    Ich „vertreibe“ meine Gedichte über diverse Threads. Da würde dann ein Link zum Filehoster reichen.So mache ich es bei den MP3s ja auch. Alternativ wäre natürlich auch ein Hörbuch interessant.

    Aber im Grunde hats Du recht, gedruckt lohnen sich sowieso nur Liebhaberausgaben, die relativ aufwändig hergestellt werden müssten. Da ist man dann auch bei BoD schnell bei 3000€ ohne Lektor.

  10. LeV
    November 2nd, 2009 18:01
    10

    Sofern ein Buch digital genügend Absatz bei den Lesern findet und der Autor das Geld von seinem Publikum direkt bekommt, könnte dies eventuell die Grundlage dafür sein, eine Liebhaberausgabe drucken zu lassen. Dann gäbe es genügend Interessenten und diese hätten dann eventuell schon genügend Geld für die digitale Ausgabe gezahlt, um die analoge Ausgabe vorzufinanzieren.

    Ich denke, es muß gar nicht jeder Artikel und jedes Buch auf Papier gedruckt werden. Wer das unbedingt möchte, kann ja den heimischen Drucker bemühen. Wenn sich aber direkt über das Interesse des Publikums (und nicht etwa über GEMA und Verlage) entscheiden würde, welches Buch gedruckt wird und welches nicht (weil sich der Autor mangels Publikum das nicht leisten kann), dann fände ich das keinen schlechten Beitrag zur „Qualitätssicherung“ von Kultur. Es ist nämlich absurd, dass Gelehrte der Welt vorschreiben wollen, was sie als kulturell wertvoll zu erachten hat und was nicht. So funktioniert das sowieso nicht.

  11. demon17
    November 2nd, 2009 19:24
    11

    Ja stimmt,

    aber ich halte mich eigentlich zu 100% im nicht kommerziellen Teil des Internets auf, in dem es ja als anrüchig gilt, die Plattform für eigene „kommerzielle“ Zwecke zu nutzen. Mich interessiert da eher der Lernprozess, das Lay Out, welche Grafiken benutzt werden dürfen und ob das ganze als PDF nach etwas aussieht. Aber ich habe so viele Projekte, etwa die Gedichte aufzunehmen und mit Musik zu unterlegen usw. Manchmal denke ich, es ist besser die Zeit zu nutzen und mehr zu schreiben. 10 oder 12 Websites bzw. Gedichteforen reichen dann auch. Irgendwie macht es sowieso keinen Sinn, solange die Prosalyrik die Kanäle verstopft. A) Ist die Bewertung die totale Willkür und b) gibt es keine Breitenwirkung mehr, da es kaum Publikum für Poesie gibt, solange man nicht einmal die Beherrschung des Handwerkszeugs erwarten darf.

Kommentar abgeben: