Mozart abgesetzt
Gestern hatte ich noch stark überlegt, ob ich darüber schreiben sollte, aber eigentlich ist es zu absurd: Die Deutsche Oper setzt Neuenfels‘ Inszenierung der Mozart-Oper „Idomeneo“ aus Angst vor islamistischen Anfeindungen vom Spielplan ab. Laut LKA sei der Stoff gefährdet, weil der kretische König in der Schlußszene neben Neptuns, Buddhas und Jesus‘ abgetrennten Kopf auch den Mohammeds auf einen Stuhl stelle. Da kann man eigentlich nur noch mit selbigem schütteln.
„Terror“ ist das Schlagwort der Stunde, das weiß jeder. Wir werden zu Sklaven unserer Angst, streichen uns in unserem Sicherheitswahn zuerst unsere freiheitlich demokratischen Rechte und verhelfen damit dem destopischen „1984“-Stoff auf die Bühne der Realität und als wäre das nicht genug des Übels, zensieren wir nun also auch unser abendländisches, kulturelles Erbe. So machen wir uns unsere schöne, neue Welt, auf dass sie auch „den Terroristen“ gut gefällt.
#edit: Ein Gutes scheint ja der Ganze Trubel um die Oper jetzt doch noch zu haben und wer weiß, vielleicht war ja auch genau das die Absicht der Intendantin. Das Nachdenken über die eigentlichen Auswirkungen des Terrors, Angst- und Panikreaktionen, hat die Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit getroffen und endlich, endlich beginnt sie sich zu fragen, ob Selbstzensur und Freiheitsbeschränkung im Namen der Sicherheit tatsächlich die richtigen Lösungen für dieses Problem sind.
September 26th, 2006 20:32
Naja, es wurde nicht Mozarts „Idomeneo“, sondern eine wegen eben jener Schluss-Szene umstrittene Inszenierung von Hans Neuenfels abgesetzt. Wenn man sich die abgefuckten Wagner-Inszenierungen von Schlingensief anschaut, merkt man, dass dazwischen Welten liegen können. Hauptsache Schweineblut, fette Frauen und Videoprojektion oder so.
Aber der Kern der Nachricht bleibt natürlich: Eine Oper wurde abgesetzt, weil man Anfeindungen religiöser Eiferer BEFÜRCHTETE – keine Klage, keine einstweilige Verfügung, einfach so. Gewinnen werden bei diesem medialen Budenzauber – hei, wie schnell Wiefelspütz und Beckstein auf der Matte standen – Hardliner auf beiden Seiten: Politiker, die Emmanuel Goldstein frei Haus geliefert bekommen und radikale Islamisten (die den ihre kulturelle und religiöse Identität raubenden, gleichmachenden Big Brother-Staat auch gerne als Feindbild pflegen), um die sich dank solcher Geschichten noch mehr Menschen scharen werden. Und die weltoffenen Staatskirchen nicht vergessen – da wurden ja unlängst Testballons losgeschickt, ob man nicht den allzu laschen Paragraphen 166 zeitgemäß – Revival der Religion, Schluss mit lustig usw. – festzurren könnte. Nur so ne Idee halt, Handlungsbedarf klären, mal Stoiber fragen, alles ganz unverbindlich.
Verlieren werden wie immer die Menschen, die das Pech haben, irgendwie mit dem diffusen Feindbild assoziiert zu werden. Um die Freiheit der Kunst würde ich mir – in dem Fall – keine Sorgen machen: Auch der letzte CSU-Hinterbänkler würde sich todesmutig mit Frau, Kind und Teelicht vors Opernhaus stellen, um abendländische Werte und Freiheiten zu verteidigen. Darf halt nur kein Schwein am Kreuz hängen…
September 26th, 2006 21:02
Ja, du hast Recht. Ich habe das bereits präzisiert. Die Haltung, die unsere großbrüderlichen Herrn Schäuble und Schönbohm in den Medien einnehmen, setzt der Absurdität der gesamten Situation jetzt die eigentliche Krone auf. Vermutlich argumentieren sie demnächst, dass wir noch mehr Überwachungsstaat brauchen, wenn jetzt schon unsere armen Opern-IntendantInnen um ihre Spielpläne bangen müssen.
Oktober 11th, 2006 11:28
Aus Sicht der Intendantin war es die vollkommen richtige und einzig logische Entscheidung. Was wäre passiert, hätte die Aufführung stattgefunden und wäre ein Anschlag erfolgt? Wer trägt denn dann die Verantwortung? Und man bedenke, dass die Verantwortung für die Menschen eine größere Menge ist als die Verantwortung für die Kunst!
Und die Familienangehörigen der dann zu Tode gekommenen sagen sicher nicht: „Er/sie ist zwar gestorben, aber: hurra, die Kunst machte keinen Bückling vor dem Terror!“ Lächerlich.
Oktober 11th, 2006 15:36
Ja, das sehe ich ebenso. Anstelle der Intendantin hätte ich mich vermutlich auch so entschieden. Ich meine, da hat ein Innenminister persönlich angerufen!
Dass es aber im Terrorwahn überhaupt so weit gekommen ist, finde ich einfach lächerlich. Ich hatte gehofft, dass damit die Reflexion über die eigentlichen Folgen des Terrors, nämlich die politisch-mediale Panikmache, endlich öffentlich beginnen würde. Leider hatten sich sämtliche Medien dann nun doch wieder auf die arme Intendatin gestüzt und hoch-echauffiert das „Einknicken vor dem Terrorismus“ propagiert. Als wäre das keine logische und absolut menschliche Reaktion und als hätten sie alle weiser entschieden in der Situation. Es ist wirklich traurig.
Oktober 13th, 2006 12:46
Bitte? Was denn nun? Dafür oder dagegen? Selbstverständlich hätte sie die Aufführung niemals absagen dürfen und natürlich hätte sie den etwaigen Opfern hinterher sagen müssen, dass die Freiheit (der Kunst) wichtiger ist. Das ist doch gerade die Herausforderung. Das müssen wir wieder lernen, dass Freiheit (der Kunst) nicht vom Himmel fällt.
Ebenso klar ist, dass in diesem Land der verfetteten Weicheier hinterher alle auf die Frau eingeschlagen hätten, diese verlogenen Spesenficker, und da wäre es eben die Aufgabe gewesen, sich schützend davor zu stellen und sie zu verteidigen. Genau dafür verachten uns doch die Islamisten und vielleicht auch jede Menge Moslems, dass wir überhaupt keine Werte mehr haben. Alles ist relativ. Zum Kotzen ist das.
Wer das anders sieht, soll mir bitte erklären, wo denn die Grenze ist. Wann denn nun absagen und wann nicht? Nur wenn es gefahrlos ist, nicht absagen? Nur wenn großer Bruder das sagt, nicht absagen? Immer schön entscheiden, aber bitte andere?
Oktober 13th, 2006 15:01
So einfach ist das aber nicht. Ich bin natürlich für die Freiheit der Kunst und verteidige sie, soweit ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Einem direkten Angreifer kann ich mich auch in den Weg stellen.
In diesem Falle gab es keinen direkten Angreifer. Es gab nur den hochrangigen Hinweis auf die Gefährdung der Aufführung. Warnt mich ein Innenminister, gehe ich davon aus, dass es möglicherweise zu einem Anschlag kommt. Man kann für sich entscheiden, dass man sich für die Freiheit der Kunst aufopfert, aber nicht für die Aufführenden und das Publikum, für die man als Intendant dann verantwortlich wäre.
Ich bin deutlich gegen die Panikmache und ich bin deutlich dagegen, dass wir uns von unserer Angst (die wir durch die Panikmache bekommen) um unseren Verstand bringen lassen. Ich finde es aber durchaus nicht unmenschlich und daher auch nicht unverzeihlich, dass letzteres passiert. Ich finde es scheinheilig, anstatt zu reflektieren, wie es denn überhaupt zu dieser Angst kommt, auf der Intendantin rumzuhacken. Das ist unvernünftig und gegen die Unvernunft bin ich ebenso wie gegen die Beschränkung künstlerischer Freiheit.
Oktober 13th, 2006 22:55
Bedeutet, wenn die Intendantin lediglich persönlich und womöglich auch konkret bedroht worden wäre, hätte sie deiner Ansicht nach nicht absagen dürfen. Korrekt?
Oktober 16th, 2006 13:58
Sie hätte natürlich absagen dürfen. Ich kenne kein Gesetzt, das dagegen spricht, sein eigenes Leben zu schützen.
Oktober 16th, 2006 16:00
Okay, jetzt, wo du deinen Spitzfindigkeitsbonus bekommen hast, kannst du vielleicht einfach die Frage beantworten.
Oktober 16th, 2006 17:33
Ich denke, ich kann dir nicht ganz folgen. Ich dachte, ich hätte die Frage gerade beantwortet. Wenn du dir mehr erwartest, mü
Oktober 17th, 2006 07:48
Das ist ja wie in schlechten Filmen. Gefragt war deine Meinung, deine eigene Ansicht, losgelöst von Gesetzen, Verodnungen etc.
Du meintest weiter oben, die Intendantin hätte nicht über Leben und Unversehrtheit der anderen Beteiligten entscheiden können. Da hättest du doch eigentlich selbst antworten müssen, dass sie schon gekonnt hätte, du aber meintest, dass sie das deiner Meinung nach nicht gedurft hätte, aus welchen Gründen auch immer.
Nun fragte ich dich, die du ja vehement für die Freiheit (der Kunst) eintrittst, ob sie bei einem angenommen exklusiven Bedrohungspotential nur für ihre eigene Person, deiner Meinung nach hätte absagen dürfen.
Und nun schreibst du, du kennst kein Gesetz, das dem entgegensteht. Hast du Angst, Stellung zu beziehen? Machen wir es dir leichter: Angenommen, ich verspreche dir, dass ich herausfinde, wo du wohnst, um dir dann den Kopf abzuschneiden, falls du dein Blog nicht aus dem Netz entfernst. Wie reagierst du?
Hast du dich in diesem Blog nicht wortreich geäußert zu der Sauerei, die deinem Kollegen widerfahren ist? Du bist zwar unglaublich solidarisch, sein indiziertes Werk willst du aber nicht einstellen, da dir dann ebenfalls ein Verfahren drohe. Ein Verfahren? Keine Bombe, keine Enthauptung? Ein Verfahren? Und du knickst ein, du Streiterin für die Freiheit?
Nun mag sein, dass es dir nicht wichtig genug ist, dafür etwas zu riskieren. Und da sind wir bei der Frage: Was ist denn wichtig genug? Wo ziehst du denn die Grenze? Kann man das überhaupt relativieren? Ist das nicht ein schleichender Prozess? Übst du nicht längst eine vorauseilende Selbstzensur aus? Bewirkt diese nicht, dass wir uns in immer engeren Räumen bewegen, ohne überhaupt zu wissen, ob uns überhaupt Gefahr droht? Wir sind wirklich erbärmlich, wenn wir beständig darüber nachdenken, welche Äußerung gefährlich für uns sein könnte. Denn es gibt immer mindestens einen sehr guten Grund, um einzuknicken, um zurückzuweichen: Feigheit. Ich kann halt nicht anders. Ich schlottere vor Angst, tut mir leid. Man kann mir doch nicht vorwerfen, kein Held zu sein!
Hoffentlich ist meine Freiheit nicht irgendwann abhängig von solchen Helden.
Oktober 17th, 2006 12:54
Ich verstehe die referentiellen Inhalte deiner Kommentare, aber ich verstehe nicht die Implikationen. Nähme ich dich beim Worte, müßte ich annehmen, du seist etwas schwer von Begriff. Ich weiß aber, mqw, dass du nicht schwer von Begriff bist, deshalb deute ich deine umständlichen Formulierungen und dein Rumgedruckse auf den immer selben Punkten schlicht als Provokationsversuch und nehme an, dass dir auch die folgende Meinungsäußerung meinerseits nicht das gewünschte Ergebnis bringen wird. Das ist dann dein Problem.
Im Idealfall gehe ich vom mündigen Menschen aus, der sein Leben aufgrund von Entscheidungsketten entwirft. Zu diesem Ideal gehört auch die Freiheit der Entscheidung. Ich kann mich entscheiden, mein Leben zu riskieren, denn es ist mein Leben und meine Entscheidung. Gefährde ich aber durch meine Entscheidung das Leben anderer, so ist das nicht in Ordnung. Die Freiheit meiner Entscheidung hat ihre Grenze, wo sie die Entscheidungsfreiheit anderer einschränkt. Auch das ist ein Ideal.
Die Warnung betraf nicht nur Frau Harms eigenes Leben, sondern auch das ihrer ausführenden Künstler und ihres Publikums. Es ist nachvollziehbar, dass sie nicht über die Köpfe jener Leute hinweg für sie entscheiden konnte, ihr Leben zu riskieren. Es wäre unverantwortlich gewesen, dies zu tun. Natürlich hätte sie die Warnung laut aussprechen und für entsprechenden Polizeischutz sorgen können. Ob die Kosten dafür hätten getragen werden können und das Stück sich dennoch als rentabel erwiesen hätte, bleibt fraglich und gänzlich im konjunktivistischen Raum.
Wäre es nur um Frau Harms eigenes Leben gegangen und hätte sie sich dafür entschieden, es für die Kunst zu opfern, hätte ich mir vielleicht an den Kopf gegriffen, aber es wäre nochimmer ihre Entscheidung, was sie mit ihrem Leben anstellt und nicht meine.
Was das Gedicht meines Kollegen betrifft (es gehört zwar nicht hier her, aber), er bat mich, es nicht zu veröffentlichen. Ich bin in erster Linie dieser Bitte nachgekommen und damit komme ich zu deiner revolutionären Frage, wo ich denn die Grenze zöge. Antwort: Ich ziehe keine Grenzen. Fragen der Ethik, der Ideale und des Lebens muß man sich immer wieder stellen und man wird in verschiedenen Situationen zu verschiedenen Entscheidungen kommen. Diese Entscheidungen sollten aufgrund von gesundem Menschenverstand getroffen werden und nicht aufgrund irgendwelcher Grenzen, die wir irgendwann mal gezogen haben. Ich glaube auch, dass wir als lebendige Menschen besser für unsere Ideale kämpfen können, denn als tote, als freie besser, denn als gefangene. Sollte unser Tod tatsächliche einmal etwas bewirken, so wird es das Letzte sein, was wir je bewirkt haben. Verschwendung, wenn du mich fragst.
Oktober 17th, 2006 13:07
Ah, ich glaube, ich weiß jetzt, mit welchem Statement du Probleme hast.
Dies ist vor dem weiteren Hintergrund meiner Kritik am Überwachungsstaat zu sehen. Ich bezweifle, dass es meine Sicherheit erhöht, wenn im Park Kameras hängen, wenn es biometrische Pässe mit RFID-Chips gibt, wenn meine Passagierdaten an die USA weitergereicht werden etc. pp. In diesem Zusammenhang ist Pavels Artikel tödliche Sicherheit vielleicht die passenden Lektüre für dich und alle anderen, die sich an dieser Aussage stören.
Oktober 17th, 2006 16:31
Ja, du hast sehr wohl verstanden, wirfst nur jede Menge Nebelkerzen. Éndlich hast du es ja auch beantwortet. Nur nichts riskieren. Große Klappe, ja, aber im Zweifel lieber rot als tot, lieber braun, als gehau’n. Alles klar.
Oktober 17th, 2006 17:18
Deine Meinung in allen Ehren, aber dass du mit jedem Kommentar versuchst, mich indirekt zu beleidigen, spricht deutlich gegen deine argumentative Stärke. Das ist polemische Phrasendrescherei, nicht mehr.
Oktober 17th, 2006 18:03
Wie du meinst. Ich finde es aber ziemlich mühsam, dich zu einem eindeutigen Statement zu bringen. Was beleidigte dich indirekt? Die große Klappe?
Oktober 17th, 2006 22:41
Schon die Unschuldigkeit heuchelnde Frage erzeugt eine feindselige Stimmung. Ich versuche, dir differenzierte und reflektierte Antworten zu geben und von dir kommt nichts als banale Pauschalisierung. Mit der Vehemenz eines von Hoheitsansprüchen Getriebenen forderst du meine Meinung zu einem Thema heraus, zu dem du selbst noch nicht den Hauch einer eigenen Stellungnahme erbracht hast. Das Beleidigende daran ist, dass du dich mir unter Wert verkaufst und dass du nicht erkennst, dass solche Animositäten in einer Diskussion über eine Opernabsetzung völlig überflüssig sind. Ich bin nicht bereit, auf solch andauernd substanzlose Beiträge weiterhin wohlwollend einzugehen. Das ist deutlich nicht, was ich mit meiner Freizeit beginnen möchte.