Anno 1014 – Die Schlacht von Kleidion

Anno 1014 – Die Schlacht von Kleidion

Wir kennen aus Geschichten so manche Wundermähr.
Drum will auch ich berichten, von Mühen groß und schwer,
von Heldentat und Kriegen, vom Leid, das alle quält,
von ehrenhaften Siegen; davon sei euch nun hier erzählt.

Es trug sich in den Zeiten, da ich geboren ward,
ein kämpferisches Streiten von kriegerischer Art
hier zu, in unsern Landen, dem Kaiserreiche Rom,
und viele Männer fanden den Tod im Tal beim blutgen Strom.

Seit über hundert Jahren hat man uns schwer bedrängt,
von Seiten der Bulgaren den Hass auf uns gelenkt.
Und Basileios‘ Mannen die rückten jährlich ein,
das Feindesheer zu bannen und Macedonien zu befrein.

Da ging es mit den Siegen mal hin und auch mal her,
mal war uns Gott gediegen und mal dem fremden Heer.
Doch eines Tages standen (dies Lied erzählt davon)
des Zaren grimme Banden zur Wehr beim Pass von Kleidion.

Sie hatten Palisaden, postierten Mann und Pferd
und hielten, uns zum Schaden, den Weg ins Land versperrt.
Die Unsren ritten brausend am Bergespass entlang
und gegen Zwanzig-Tausend; da war so manchem Angst und Bang.

Am Waldrand ging ein leiser, kaum merklich schwacher Wind,
am Feld, wo Zar und Kaiser zusamm‘ gekommen sind.
Und beide Lager blickten sich dort ins Angesicht,
wo Tiere sich erquickten im sommerlichen Sonnenlicht.

Schon hob man die Standarte, das heißt, wir griffen an,
die Hörner spielten Quarte zur Schlacht von Mann zu Mann.
Da brach in Windeseile herein in unsern Sturm
ein Haufen flinker Pfeile vom fernen Bogenschützenturm.

Die Vorhut, stark und mutig, ließ dies nicht unberührt;
so Viele fielen blutig. Der Streich war gut geführt.
Doch auch des Kaisers Streiter erreichten bald ihr Ziel:
Fußvolk, Schützen, Reiter vom Heer des Zaren Samuil.

Derweil hat Nicephorus Xiphias unbemerkt
im Schutz des dichten Torus aus Felsen, Blätterwerk
und Sträuchern seine Truppen, zu jeder List bereit,
um des Berges Kuppen herum geführt zur andern Seit‘.

Den Rücken ihrer Feinde, ganz heimlich, wie es schien,
erstürmte die Gemeinde der Stadt des Konstantin.
Bulgariens Armeen warn sichtlich überrascht.
Man hatte ungesehen von hinten listig sie erhascht.

Sie liefen auf der Lichtung umher und aufgescheucht
in jede Himmelsrichtung, ins nahende Gesträuch.
Rasch wurden sie gefangen. Dies wendete das Blatt
und setzte nach dem Bangen des Zaren Truppen restlos matt.

Doch ist an dieser Stelle das Lied noch nicht vorbei.
Es sei fortan noch Quelle für Tode, derer zwei,
Gewalt (Mein lieber Leser, sei mutigen Gemüts!),
und Ehr‘ durch unsern Cäsar. Der hohe Herr vergüt’s!

Der Zar mit seinem Sohne herrschenden Geschlechts
entrann der Kampfeszone im Eifer des Gefechts.
Er nahm des Jungen Rappen. Der hatte große Kraft,
Geschirr und Augenklappen; hat beide knapp nur fort geschafft.

Das Römerheer zog weiter den Pass entlang und nahm
rund 15.000 Streiter gefangen, wie es kam.
Und hinter Belasitsa erstürmte es zum Schluss
die Festung von Strumitsa im Tal beim Struma-Fluss.

Der Kaiser schickte weise den ersten General
nach Süden auf die Reise ins weite Axius-Tal.
Dort sollte er, um endlich Bulgarien zu zerstörn,
die letzten Truppen gänzlich zerschlagen, dann nach hause kehrn.

Dies tat er, doch bezahlte er leiblichen Tribut.
Der Kaiser aber aalte sich bald in seiner Wut.
Er tobte wie ein Drache, er schäumte wie ein Tier
und schwor den Mördern Rache, wie man sie nie gesehen hier.

Den Preis für den begangnen Mord am General
den zahlten die gefangnen Bulgaren hundert Mal.
Er ließ sie alle blenden, die 15.000 Mann,
und schickte sie auf Händen und Füßen kriechend heimwärts dann.

Von hundert Mann je einem ließ er ein Augenlicht,
um auf dem Weg die Seinen zu führen dicht an dicht
nach Prilep heim zum Zaren, der tief erschrocken war,
als seine treun Bulgaren er allesamt geblendet sah.

Der Zar, ungleich dem Kaiser, besaß ein weiches Herz;
es brach – er stöhnte heiser, dann fiel er niederwärts.
Er starb und kam zu Tode beim Anblick solcher Pein.
Die grausame Methode erschütterte ihm Mark und Bein.

Hier endet, lieber Leser, mein Lied der großen Schlacht
von Kleidion, als Cäsar des Römer-Reiches Macht
gestärkt hat. Herrn und Damen verstehen nun zumeist,
warum man ihn mit Namen seit dem Bulgarenschlächter heißt.

Januar 2006

Zur Entstehung

Im letzten Jahr rief die Stadt Uslar anlässlich ihres 1000jährigen Bestehens zu einem Literaturpreis mit dem Thema „Historie um 1006“ auf. Aufgabe war es, ein reales historisches Ereignis literarisch umzusetzen und zwar in Prosa oder, haltet euch fest, „epischer Lyrik“. Also habe ich diesen Widerspruch für mich mal als metrische Epik interpretiert, weil das in Bezug auf die Zeit um 1006 wohl das naheliegenste ist. Und wie will man auch historische Fakten lyrisch umsetzen?

Ich graste also mal die Wikipedia nach zeitlich passenden Ereignissen ab, deren literarische Umsetzung ich mir vorstellen könnte. Neben einem Großbrand in Hab-ich-vergessen und zahlreichen Papst-Toden, fand ich auch diese entscheidene Schlacht, die das Ende der byzantinisch-bulgarischen Kriege mehr oder weniger besiegelte, indem sie das 1. Bulgarische Reich enden ließ. Ich Recherchierte also in den angesagten Nachschlagewerken der Byzantinistik, um möglichst viel über diese Schlacht, die Rüstungen, Waffen, Strategien, Denkweisen, etc. zu erfahren.

Formal entschied ich mich für die Nîbelungenstrophe und auch die Sprache versuchte ich an diesen Stil anzupassen. Die erste Strophe ist sehr eng an das Original gelehnt: „Uns ist in alten maeren wunders vil geseit | von helden lobebaeren, von grozer arebeit, | von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, | von küener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen.“ Personen, Plätze, grobe Ereignisse sowie das Selbstverständnis des Erzählers (Byzantiner bezeichneten sich als Römer) sind der historischen Überlieferung entnommen. Der Rest ist frei erfunden.

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2 Kommentare zu “Anno 1014 – Die Schlacht von Kleidion”

  1. Rapuenzchen
    November 15th, 2006 18:52
    1

    Und, hast du gewonnen?

    kleine Kritik: man merkt dem Text die Nibelungenentlehnung an: Sprachlich weicht die erste Strophe in Wortwahl und -stellung deutlich vom nachfolgendem Text ab. (Vielleicht hab ich mich auch nur zu lange mit den Nibelungen beschäftigt…)

    Finde dennoch, dir ist da ein Stück unterhaltsame Heldenepik gelungen. Freu mich auf die Vertonung…

  2. LeV
    November 15th, 2006 23:36
    2

    Nein, ich habe nicht gewonnen. Ich weiß nicht mal, ob ich die Anforderung „epischer Lyrik“ richtig erfüllt habe. Da habe ich überhaupt keine Rückmeldung bekommen, obwohl ich rausgekriegt habe, dass es in meiner Altersgruppe nur 14 Einsendungen gab. Aber die ganze Recherche und das alles hat trotzdem Spaß gemacht.
    Einsingen könnte ich das ganze aber wirklich mal. Es gibt ja eine Überlieferung zur Melodie des Hildebrandslieds und wenn man die ein wenig anpaßt, kann man die auch für die Nîbelungenstrophe benutzen.

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