Archiv für September 2006

Die Grenzen meiner Sprache…

Sonntag, 03. September 2006

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“,

ist ein Zitat des östereichisch-englischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951), das aus seinem Werk „Tractatus Logico-Philosophicus“ stammt. Dort steht es in Zusammenhang mit erkenntnistheoretischen Annahmen und der Logik der Sprache.

Für mich markiert es vorallem die enge Beziehung zwischen Sprache und Denken, die auch im Bibelzitat „Im Anfang war das Wort (logus)“, deutlich wird. Das griech. logos hat aber mehr Bedeutungen als „Wort“, es kann auch „Lehrsatz“, „Denkfähigkeit“ und dergleichen mehr heißen. Am Anfang war also die Fähigkeit zu denken und dieses Denken ist verknüpft mit der Sprache. Wenn wir also davon ausgehen, dass ein Denken ohne Sprache nicht möglich ist, dann zeigt uns Sprache, ganz klar, die Grenzen unseres Denkens auf. Ebenso wie das Denken die Sprache modifiziert, modifiziert aber auch auch die Sprache unser Denken. So denkt ein Mensch aus dem Norden beim Wort „Baum“ vermutlich eher an einen Nadelbaum, als ein Mensch aus dem Süden.

Dass Wittgenstein aber nun von den Grenzen der Welt und nicht von den Grenzen des Denkens spricht, hat folgenden Grund: Für ihn ist die Welt Wahrheit, also alles, worüber sinnvoll, logisch gesprochen werden kann. Während Wittgenstein selbst dies wohl als Absage an eine metaphysische Weltdeutung gemeint hat, interpretiere ich es so, dass alles, worüber gesprochen werden kann, gedacht werden kann, seine Existenz in der Welt hat oder entwickeln kann und sei es nur als metaphysische Größe.

Für einen Dichter, der mit seinen Fiktionen die Welt über die Realität hinaus weiterdenkt (entwirft), bedeutet das eine Kreativität für die der Schöpfungsakt des biblischen Gottes als Metapher zu verstehen ist. Der Dichter formt aus Ungeformtem mit der Hand Geformtes und ruft es dadurch ins Leben. Aus seinen irrealen, metaphysischen Ideen entsteht ein reales, greifbares Sprachwerk. Die Welt des Dichters lebt durch seine Sprache und hat dort gleichsam ihre Grenze, was er durch die Sprache nicht möglich machen kann, ist unmöglich in seiner Welt.

Erschließung und Kategorisierung von Reimen und Reimformen

Samstag, 02. September 2006

Nutzt ein reimendes Gedicht einen unreinen Endreim, so klingt in den Kritiken der Leser diverser Lyrik-Foren oftmals Mißfallen darüber an. Das Gros des genießerfreundlichen Publikums scheint dem unreinen Endreim geschlossen den reinen vorzuziehen. Das kann ich nicht in jedem Falle nachvollziehen. Denn der reine Endreim ist ja nur eine von vielen Reimformen und möglicherweise gerade nicht die vom Dichter präferierte. Warum sollte sein Wert also den einer anderen Reimform grundlegend übersteigen? Neben dem reinen Endreim gibt es eine Vielzahl weiterer, unterschiedlichster Gleichklangsphänomene, bekannt oder vielmehr im Bewußtsein verankert ist ihre Vielfalt aber offenbar nur wenigen Lyrikinteressierten.

Deshalb möchte ich hier ein Projekt zur Erschließung und Kategorisierung von Reimformen starten. Gemeint sind damit alle Formen von Gleichklangsphänomenen, wobei gleich wiederum nicht ausschließlich identisch meint, sondern jede Form von Analogie anspielt. Ziel soll es sein, das Wissen um dieses Gebiet der Poetik möglichst systematisch zu erschließen und anhand von Exempeln ein Gefühl für die Wirkung der verschiedenen Reimformen zu bekommen. Sowohl Dichter als auch Leser von Versdichtung dürften davon profitieren. Schön wäre es, wenn am Ende ein Arbeitsblatt zu diesem Thema erstellt und eine Gliederung für das Kapitel „Reimlehre“ im Kurs Grundlagen der deutschen Verslehre entworfen werden könnten.

#edit: Der Kurs „Grundlagen der deutschen Verslehre“ existiert in der Form nicht mehr. Die aktuelle Version findet sich unter Deutsche Metrik – so funktioniert’s!

Phasen des Projektes

1. Erschließung

Beginnen möchte ich das Ganze zunächst mit der Erschließung. Es geht darum, möglichst viele verschiede und aussagekräftige Beispiele für Gleichklangsphänomene zu finden. Die Suche sollte sich nicht nur auf Texte der klassischen Dichtung beschränken, sondern auch jenen der zeitgenössischen Dichtung ihre Aufmerksamkeit schenken. Reichhaltig dürften besonders Texte der Bereiche Rap, Hip-Hop und Spokenword sein.

2. Analyse

Um mehr über die Beispiele, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede, ihre Funktion und Wirkung und ihre gesamte Konstitution zu erfahren, müssen sie analysiert, d.h. untersucht und verstanden werden. Dabei spielt die Betrachtung ihrer Position im Wort, Satz oder Vers eine Rolle, aber auch die Art ihrer Klanganalogie und die Frage nach den beteiligten Buchstaben/Phonemen.

3. Klassifikation

Haben wir genügend Beispiele aufgeführt und untersucht, geht es daran, sie zu benennen und zu klassifizieren. Dabei sollten wir uns an der bereits vorhandenen Theorie orientieren und diskutieren, inwiefern frühere Namen und Kategorien noch sinnvoll sind.

4. Zusammenfassung

Zum Schluß sollten wir unsere Erkenntnisse systematisch, kompakt und übersichtlich in einem Arbeitsblatt zusammenstellen.

weitere Infos

Mitmachen darf natürlich jeder, der sich für dieses Projekt interessiert und meint, etwas Sinnvolles dazu beisteuern zu können. Sowohl das beisteuern von Beispielen, als auch von analytischen Erkenntnissen, Argumenten in der Diskussion oder Ideen zur Durchführung und Optimierung des Projektes sind willkommen. Fachwissen ist keine Voraussetzung; ich gehe aber davon aus, dass bei allen Beteiligten ein grundlegendes Interesse an der Aneigung von Fachwissen besteht. (Ich möchte hier nicht darüber diskutieren müssen, inwiefern Analysen Gedichte entzaubern oder ob fachliche Bildung einen Künstler auszeichnet oder solchen Quatsch. Versuche in diese Richtung werde ich unterbinden.)

Vergeßt bitte nicht, eure Beispiele mit Quellenangaben zu versehen, sofern sie nicht von euch selbst stammen!

Lektüre

Wer sich die theoretischen Grundlagen dieses Gebietes anlesen möchte, dem empfehle ich folgende Wikipedia-Artikel:

Außerdem habe ich auch eine Bibliographie zum Thema Reim und Reimformen begonnen, die gerne erweitert werden darf.