Archiv für November 2006

Mein Urheberrechtsdilemma

Dienstag, 21. November 2006

Über das Urheberrecht wurde in letzter Zeit viel diskutiert. In einem Dossier hat c’t jetzt neue Gesetzesentwürfe und zahlreiche Artikel zur Urheberrechtsnovelle in Deutschland zusammengetragen. Auch mich beschäftigt dieses Thema – als Schöpfer sogenannten „geistigen Eigentums“ wie auch als Verbraucher. Da ich beiden Seiten angehöre, fällt es mir schwer, mich zu dem Gesetz zu positionieren, ich sehe Vor- und Nachteile.

Natürlich hatte ich als Dichter, der seine Texte frei und kostenlos im Netz veröffentlicht, schon oft Probleme mit versehentlichen oder völlig beabsichtigten Plagiaten. Gerade im Internet ist dann schwer an die Verantwortlichen ranzukommen. Das veranlaßt mich jedoch nicht, die Vorratsdatenspeicherung und die Möglichkeit der Abfrage dieser Daten durch Rechteinhaber gutzuheißen.

Auch fand ich die Argumentation: „Bau halt einen Kopierschutz ein oder veröffentliche nicht im Netz, wenn du nicht willst, dass deine Gedichte gelesen werden!“, schon immer absurd. Ich finde es völlig legitim, dass Leute Privatkopien machen und verwenden. Ich hätte nicht einmal etwas dagegen, dass sie meine Sachen weiterveröffentlichen, wenn sie nur den Anstand besäßen, dabei auch meinen Namen zu nennen. Freie, kostenlose Kunst für alle! Wäre das nicht eine schöne Vorstellung?

Bei vielen Verbrauchern besteht aber ein defizitäres Verständnis dafür, dass das Schaffen eines kreativen Werkes Arbeit ist, die jemand geleistet hat, ohne den das Betreffende nicht zur Existenz gelangt wäre. Dass das Recht auf Anerkennung solcher Urheberschaft überhaupt gesetzlich geregelt werden muß, ist traurig, aber offenbar nötig.

Ob ich irgendwann aufhören können werde, mich über „Diebstähle“ dieser Art aufzuregen, weiß ich nicht. Aber vielleicht ist es ja auch langsam Zeit, mich von der Vorstellung eines „geistigen Eigentums“ zu verabschieden. Ich habe ein Werk geschaffen, das sich sehen lassen kann und damit ist mein Teil der Arbeit beendet; ein Lorbeerkranz ist nicht nötig. Er macht weder das Werk schöner, noch befähigt er seinen Urheber. Es dient nur der inneren Zufriedenheit des Künstlers, wenn ihm für das, was er geleistet hat, auch die entsprechende Anerkennung zuteil wird.

Künstler, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen, sehen das vermutlich schon aus existentiellen Gründen anders, aber zu ihnen gehöre ich (noch?) nicht. Sie vertrauen ihre Arbeiten eher Verlagen, Lables und sonstigen „Rechteverwertern“ an und diese agieren dann z.T. durchaus agressiv und verbraucherunfreundlich (Stichwort: Kopierschutz). Bei einer solchen Fremdverwertung springt für den Urheber letztlich nicht unbedingt mehr heraus, im Gegenteil. Oftmals entstehen ihm zusätzliche Abhängigkeiten und er ist, was die Eigenverwertung anbetrifft, weniger felxibel.

In meinen Augen spielen die neuen Gesetzesentwürfe gerade in novellierten Bereichen diesen Fremdverwertern in die Hände und entfernen sich vom eigentlichen Urheber und dessen Rechten. Dem Verbraucher haftet so von vorn herein das Image eines Verbrechers an.

Die Konsequenz, um diesem Mißstand beizukommen, wäre, dass Verbraucher künftig nur noch lizenzfreie Werke nutzen und Urheber ihre Werke nur noch unter freier Lizenz zur Verfügung stellen. Aber das ist wohl eine Utopie, die noch ihre Zeit brauchen wird. Ob es in Anbetracht der Urheberrechtsnovelle nicht jetzt schon sinnvoll sein könnte, einen Anfang zu wagen, kann jeder ja für sich selbst mal überlegen. Die Möglichkeiten dazu gibt es jedenfalls. Alles, was man tun muß, ist, sich selbstständig zu informieren, um nicht am Ende der Dumme zu sein.

Neue Internetgesetze ab 2007

Dienstag, 21. November 2006

Ab Januar 2007 sollen in Deutschland das neue „Telemediengesetz“ (TMG) und der neue „Staatsvertrag über Rundfunk- und Telemedien“ (RStV) in Kraft treten. Die Neuerung betrifft vor allem den Umstand, dass die Gesetze, die für große Online-Medien gelten, nun auch auf Blogs und Podcasts angewandt werden, vor allem wenn diese „journalistisch-redaktionell gestaltet“ sind. Was das ungefähr bedeutet, berichtet ein Telepolis-Artikel.

Mir ist allerdings immer noch nicht klar, welche Konsequenzen das nun für mich und mein Blog hat. Impressum? Klar! hab ich schon seit Ewigkeiten drin. Aber wenn meine Freundin mir sagt, dieses neue Gesetz sei nur dazu da, dass der Staat die Kontrolle über das hat, was in der Blogosphäre an Inhalten verbreitet wird, es sei nur eine weitere Schikane der freien Kommunikation im Internet und ich blogge das, bin ich dann gezwungen, den Wahrheitsgehalt und die Herkunft dieser Aussage zu überprüfen? Sicherlich mache ich hier redaktionelle Arbeit, denn ich blogge nicht alles und irgendwas. Aber bin ich auch journalistisch tätig? Muß ich die Werbung, die ich mit meinen Konzerthinweisen mache, jetzt als Werbung kennzeichnen, selbst wenn es Eigenwerbung ist?

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung und wüßte auch gar nicht, wie ich bei meinen Inhalten irgendeinen Wahrheitsgehalt sicher stellen könnte. Ist wahr, was ich von einer autoritären Quelle habe? Sind meine subjektiven Erkenntnisse falsch, weil ich keine Autorität bin? Darf ich nicht mehr davon ausgehen, dass meine Leser kritische Leser sind und für sich selbst überprüfen wie wahr oder falsch meine Aussagen sind? Bringt dieses Gesetz andere Vorteile mit sich als jene, dass ich jetzt denen noch einfacher ans Bein pissen kann, die Inhalte bloggen, die mir nicht passen?

Dróttkvætt [Strophenform]

Samstag, 11. November 2006

Das Dróttkvætt (sprich: Drotzkwett) ist eine Strophenform, und zwar die strengste, die die altnordische Skaldendichtung zu bieten hat. Sie war in der Zeit zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert gebräuchlich und ist sehr komplex. Da ich es für spannend und interessant halte, diverse poetische Formprinzipien kennenzulernen, habe ich hier mal die Grundlagen zum Dróttkvætt zusammengefaßt.

Das Dróttkvætt („Hofton“) ist die strengste Strophenform der altnordischen Skaldendichtung und gleichsam ihr Hauptversmaß. 5/6 aller erhaltenen Texte sind im Hofton überliefert.

Metrische Struktur

Eine Strophe („vísa“) besteht aus je 2 Halbstrophen („helmingr“) mit je vier sechsgliedrigen1 Halbzeilen („vísuorð“). Im Anvers müssen sich zwei Stäbe („suθlar“) auf betonten Silben befinden, im Abvers ein Stab („höfuðstaðr“) auf der ersten Silbe, wobei Konstonanten mit sich selbst staben und Vokale miteinander2.

In jedem Halbvers befindet sich zusätzlich ein Binnenreim („hending“), wobei hier der Gleichklang von Lauten innerhalb von Reimworten gemeint ist. Jede vorletzte, betonte Silbe nimmt am Binnenreim teil. Der Reimpartner muß auf einer betonten Silbe weiter vorn sein. In jedem ungeraden Halbvers sind die Binnenreime Halbreime („skoθhending“), d.h. nur Konsonantenklänge stimmen überein. In geraden Halbversen sind die Binnenreime jedoch Vollreime („adalhending“), d.h. Vokale und Konsonanten lauten gleich.

Darüber hinaus sind im Hofton sogenannte Kenningar unabdingbar. Das sind zwei- oder mehrsilbige, bildliche Umschreibungen, die sich im Idealfall nur mit einer speziellen Kenntnis der altnordischen Mytholgie entschlüsseln lassen. Einige Kenningar sind auch aus dem Kontext heraus zu entschlüsseln. Typischerweise ist jede Halbstrophe von einem Kenning bestimmt, das auch mehrere Teile oder Glieder haben kann.

Da der Dichter durch diese Formstrenge relativ eingeschränkt ist, besteht seine einzige Ausweichmöglichkeit in der Wortstellung, was darauf hinausläuft, dass die Syntax nicht immer leicht zu durchschauen ist.

Beispiel

Das Beispiel ist ein Totenpreis für den dänischen Wikingerführer Sibbe, der in jüngerem Futhark (Runen) auf den Stein von Karlevi geritzt ist. Fett sind die Stäbe, unterstrichen die Binnenreime und kursiv die Kenningar, wobei zusammenhängende Teil-Kenningar durch * gekennzeichnet sind.

Folginn liggr hinn’s fylgðu
(flestr vissi þat) mestar
dáðir dolga þrar
draugr
í þeimsi haugi.
Mun-at reið-Viðurr* ráða
rógostarkr í Danmǫrku
*Endils jǫrmungrundar
ørgrandari landi.

In diesem Hügel verborgen liegt der Krieger („Baum der Thrud der Kämpfe“), dem (die meisten wissen das) die größten Taten folgten. Nicht wird ein kampfstarker, untadeliger See-Krieger („Wagen-Odin des weiten Grundes des Endill“) über Land in Dänemark herrschen.

Überlieferung

Viele Skaldenstrophen sind als Zitate in Sagas oder in der Snorra-Edda, dem Skaldenlehrbuch Snorri Sturlusons (1079 – 1241), überliefert. Im Gegensatz zu Edda-Liedern sind die Skaldenstrophen häufig mit Verfassernamen angeführt.

Frühe Formen finden sich bei Bragi enn gamli Boddason (9 Jh.), dem ersten namentlich bekannten Skaldendichter und Egill Skallagrímsson, der um 900 bis nach 990 gelebt hat.

Literatur

  • Andersson, Th. / Marold, E. (2000), „Karlevi“, 2RGA 16, 275-280.
  • Jónsson, Finnur (1912 – 1915), Den Norsk-Islandske Skjaldendigtning, Bde. A I-II, B I-II, København und Kristiana

Weblinks

Wer mehr Infos zum Dróttkvætt (Dróttkvaett, Drottkvaett) oder Verbesserungsvorschläge zu diesem Artikel hat, sei dazu ermuntert, sein Wissen hier beizutragen.
__________
1. Die Sechsgliedrigkeit entspricht weitestgehend einer Sechssilbigkeit mit drei Hebungen, ist aber doch nicht ganz dasselbe.
2. Die Konsonantenkombinationen sk, sp, st bilden eine Ausnahme. Sie staben nur mit sich selbst, nicht aber mit s, während Kombis wie kr oder kl durchaus mit k staben. Als Vokal wird auch j behandelt.

Weihnachtsoratorium bei Harmonia Mundi

Freitag, 10. November 2006

Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium; Dorothea Röschmann, Sopran; Andreas Scholl, Alt, Werner Güra, Tenor; Klaus Häger, Bass; Rias-Kammerchor, Akademie für alte Musik Berlin, René Jacobs, Dirigat; Harmonia Mundi, France

Wenn man zu Dussmann geht, um in den CDs oder Büchern zu wühlen, dann kommt man selten unter zwei Stunden wieder aus dem Geschhäft. Meist fehlen hinterher auch einige Euros im Portemonaie. Unerwartet unkompliziert verlief heute meine Suche nach einer geeigneten Aufnahme des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach und das obwohl das Angebot reichhaltig war.

Schon die Aufmachung der Sonderedition bei Harmonia Mundi machte einen ansprechenden Eindruck. Ein Buch im Hardcover, dreisprachig mit 120 Seiten Booklet und zwei Inlets für CDs. Als ich dann RIAS-Kammerchor, Akademie für alte Musik Berlin und Andreas Scholl las, wußte ich, dass ich mich in diese CD vermutlich auf’s erste Reinhören verlieben würde. Allerdings war sie nicht ausgepreist und ich hatte die Vermutung, dass sie den Spinnenweben in meinem Geldbeutel wohl spotten würde. Also hörte ich mich zuerst durch ein paar andere Aufnahmen im Bereich zwischen 17 und 35 Euro – es war grausam. Hier Sopranösen mit Oktavvibrato, dort krächzende Knabenchöre und andernorts eine Interpretation, die eher an Marschmusik, denn an ein Oratorium erinnerte.

Spaßenshalber fragte ich dann doch mal nach dem Preis der Sonderedition und siehe da: „Nur 19.95? Sind sie sicher?“ „Ja.“. Wie vermutet enttäuschte mich die Hörprobe nicht, im Gegenteil. Die alten Instrumente verleihen dem Klang einen gedeckten und warmen Charakter. Vom RIAS-Kammerchor ist man Gutes ja gewöhnt und auch die Solisten sind hervorragend besetzt. Der Evangelist wirkt nicht überfordert oder übereifrig, wie das bei Evangelisten häufig der Fall ist und auch die Sporanistin, von der ich vorher noch nichts gehört hatte, klingt glasklar, gar nicht wie eine Opern-Diva.

Einziges Manko ist vielleicht das Tempo der Sinfonia, die den zweiten Teil des Oratoriums einleitet. Diese hätte ich mir eine Spur flotter gewünscht, aber auch das Tempo, das René Jacobs wählt, tut ihr keinen Abbruch. Rund herum bin ich sehr zufrieden wieder auf die Straße zurück in die Realität getreten und das nach nur einer Stunde und mit nur 19.95 Euro weniger in der Tasche. Erfreulich.

Wer also derzeit nach einer guten Aufnahme des Weihnachtsoratoriums sucht, dem sei diese wärmstens empfohlen. Eine kleine Hörprobe und mehr Infos zur CD finden sich auf der Seite der Harmonia Mundi: http://www.harmoniamundi.com/others/album_fiche.php?album_id=812