Ich bereue nicht

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Ich bereue nicht

für J.W.

Ich trachte, Liebste, nicht danach, den Grund zu kennen,
   daß Er mich wohl geformt nach ungewohntem Maß,
   daß Ungewolltes in mir keimte, mich zerfraß
und ich mich scheute, edle Liebe so zu nennen.

Ach, Liebste, meine Träume nährte mein Begehren,
   das deine zarte Hand in meiner ruhen sah,
   dein Kuß der Schnitter meiner blutgen Lippen war.
Welch grausam Schicksal konnte mir dies Glück verwehren!

   Und doch, daß mich nun Leid für Liebe straft und quält,
   daß mein Sonett nicht Liebe wider mich erzählt,
das reut mich nicht, an keinem Tag in meinem Leben –
   denn niemals hab so tief, so ehrlich ich gefühlt.

   Die Krone einer Liebe, die mich aufgewühlt,
würd, Liebste, ich für keines Dichters Lorbeer geben.

VII | Feb. 2004

Zur Entstehung

Ich gebe zu, ein großer Fan Oscar Wildes zu sein. Ich liebe ganz besonders seine Tragödie, Salomé, die er auf Französisch schrieb, damit Sarah Bernard die Hauptrolle übernähme und in dem es darum geht, dass eine junge Frau die Macht ihrer erotischen Ausstrahlung entdeckt. Wilde ist kein besonders guter Lyriker, aber ein Gedicht von ihm hat es mir trotzdem angetan, ΓΛΥΚΥΠΙΚΡΟΣ ΕΡΩΣ. Es ist eines der schönsten Liebesgedichte, die ich kenne, denn es geht darum, dass die Liebe als solche so großartig ist, dass sie jedes, aus ihre erwachsene Leid überstrahlt. Freilich tut sie das gerade in den Phasen des Leids nicht besonders offensichtlich und nur wenige Menschen sind in der Lage, sich soweit von ihrem Selbstmitleid zu lösen, dass sie zu solch einer Erkenntnis überhaupt kommen können. Wildes Gedicht trieb mir regelmäßig die Tränen in die Augen, sogar noch in Zeiten, in denen ich gar nicht mehr unglücklich verliebt war. Und wie unglücklich verliebt ich war…

Aber es hatte auch sein Gutes, denn ich bin durch diese unerwiderte Liebe zum Dichten gekommen. Ich wollte mich ausdrücken und ich wollte es auf die denkbar schönste und beständigste Art und Weise tun, durch ein Sprachkunstwerk. So fing alles an und deshalb wäre es total bescheuert, Dinge zu bereuen, die vielleicht dumm gelaufen sind, die mich aber zu dem gemacht haben, was ich bin, auf den Pfad geführt haben, auf dem ich gehe. Es lohnt einfach überhaupt nicht, sich zu wünschen, es wäre anders gelaufen, weil es gut so ist, wie es ist.
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