Le vampir

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Le vampir

Hommage à C.B.

Mit fester Hand führ ich die Klinge,
   die in dein klagend Herz sich senkt
und in die tiefe Wunde dringe
   ich – Dämon – toll und schmuckbehängt.

   Auf deinem viel geschundnen Geist
will ich mir meinen Thron errichten,
   trink mich an deinem Blute feist,
um alles Leben zu vernichten.

   Dann lache ich – du willst entfliehn.
Hast dich doch selbst an mich gebunden!
Verzweifelt leckst du deine Wunden,
   verfluchst in Versen deinen Spleen.

Dir wird kein Schwert sich je verbünden,
   kein Gift, das dir die Freiheit schenkt
und feige reibt an deinen Sünden
   dein Leben sich, das Reue denkt.

   Welch Klage dringt vom Jammertal;
es will mir fast das Herz zerreißen.
   Hier sitzt dein totes Ideal
und kann sich nicht den Spott verbeißen.

   Ich gönn zuletzt mir den Genuß
und schür die Ängste, die dich schrecken,
die in mir neues Leben wecken
   durch einen einzgen, kalten Kuß.

VIII | Feb. 2004

© LeVampyre, 2004
http://abgedichtet.org

Ich bitte noch einmal ausdrücklich darum zu bedenken, dass dieser Text unter CC-BY-NC-ND-Lizenz steht und nur dann auf der eigenen Homepage, im eigenen Profil oder sonstwo verwendet werden darf, wenn Titel, Widmung, Verfassername und Quelle in Form eines Backlinks auf meine Homepage http://abgedichtet.org vorhanden sind. Ich neige dazu, Veröffentlichungen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, vom Netz nehmen zu lassen.

Zur Entstehung

Dieser Text hat, wenn ich mich recht entsinne, eine längere Entstehungsgeschichte. Ich war schon immer seltsam fasziniert von Charles Baudelaires „Le vampir„, von der Stilisierung eines inneren Konfliktes, der einen fast in den Wahnsinn treibt und ich nahm mir vor, selbst solch ein Gedicht zu verfassen. Nun ist ein Baudelaire Gedicht, in das man sich ersteinmal hineingefressen hat, wie ein Berg an dem man nicht vorbeikommt, ohne zu zerschellen. Das mußte ich ziemlich schnell einsehen und da ich nicht zerschellen wollte oder konnte, kam mir irgendwann die Idee, den Vampir noch einmal zu schreiben und dabei die Rollen zu vertauschen, den anderen Blickwinkel zu zeigen, den der Stärke, der Überlegenheit und zu sehen, welchen Effekt das auf die Wahrnehmung hätte. Ich besah mir also die metrische Konstitution des Textes und baute meine Verse, mein Reimschema, meine Strophenanordnung genau gleich, wenn man überhaupt von der Gleichheit des metrischen Systems zweier so verschiedener Sprachen ausgehen kann.

Ich wollte, dass ein versierter Leser den Zusammenhang beider Texte entdeckt, deshalb behielt ich den französischen Titel bei und fügte die Hommage à C.B. hinzu. Wie existentiell diese Details für den Text sind, scheinen jedoch leider nur wenige Leser zu verstehen. „Le vampir“ ist der mit Abstand meist plagiierte Text meiner Feder. Blöderweise vergessen die Copy&Paste-Spezialisten nicht nur meinen Namen unter den Text, sondern auch Titel und Widmung darüber zu setzen, was das in meinen Augen viel schlimmere Übel ist. Dadurch wird der Text nämlich einer wichtigen Bedeutungsebene beraubt und niemand erkennt mehr, dass es sich gewolltermaßen um ein Parallelgedicht handelt. Ich mag es nicht, wenn er dann einfach aufgrund seiner Schlagworte beurteilt und in sämtlichen SVV-Emo-Gothic-Communities gerade zu platt und gehaltlos verwurstet wird. Wie differenziert ich übrigens den Originaltext von Baudelaire verstehe, kann man in meiner Interpretation nachlesen.

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