Salomés Monolog

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Salomés Monolog

Iokanaan, in deiner tiefen Gruft
   verliefen Blicke sich in Dunkelheit,
   begehrte deine Schönheit Einsamkeit
und Unheil schwängerte die Abendluft.

Iokanaan, nur eines wollte ich –
   den Kuß von deinem schönen, roten Mund.
   So tanzte ich mir meine Füße wund
und alle Edelmänner schauten mich.

   Nun ruht auf meinem silbernen Tablett
   dein Haupt, Iokanaan, vom Totenbett
verläßt die Lippen nimmer Liebesschwur.

   Ach, hättest du die Augen aufgetan,
   um mich zu sehen, mein Iokanaan –
car il ne faut regarder que l’amour.

IX | Mar. 2004

Zur Entstehung

Ich habe ja schon oft fasziniert für Wildes „Salomé“ geschwärmt, eine Tragödie, die der sonst englischsprachige Autor auf franzsösisch verfaßte, damit die berühmte Sarah Bernhard die Hauptrolle übernähme. Es hat nicht funktioniert, denn „Salomé“ zerschellte an der Doppelmoral der viktorianischen Gesellschaft, auf die Wilde auch in diesem Drama, wenn auch nicht so offensichtlich, Bezug nimmt. Es geht um eine junge Prinzessin, die von so besonderer jugendlicher Schönheit ist, dass alle mächtigen Männer in ihrer Umgebung sie begehren. Sie selbst versteht das sexuelle Begehren noch nicht so recht und fühlt sich von den geifernden Männern angeekelt, aber sie bemerkt auch, welche Macht es ihr das Begehren der Mächtigen verleiht.


Aubrey Beardsley ~ Apotheose

Den politischen (oder religiösen?) Gefangenen, Iokanaan, umgibt eine mystische Aura. Er ist so unnahbar, dass er der Mensch ist, der Salomés Stiefvater, dem König, am meisten Angst bereitet. Auch ist er der Einzige, der sich nicht für Salomé interessiert, was freilich ihr Begehren weckt, weil man immer haben möchte, was man nicht haben kann. Sie testet ihre Macht und verlangt die Herausgabe Iokanaans, der König jedoch fürchtet sich, den Täufer freizulassen. Doch Salomé weiß um das Begehren des Königs und beginnt, diesen zu verführen. Blind vor Lust verspricht der Vater ihr alles, wenn sie nur einmal den Tanz der sieben Schleier für ihn tanze. Ihre Mutter, die sich schon lange den Tod Iokanaans wünscht, flüstert ihrer Tochter ein, sich zum Dank das Haupt des Täufers zu wünschen. Salomés Verführungskünste schlagen an, der König kann sich ihrer Bitte nicht verwehren und präsentiert ihr das Haupt. Salomés Verzweiflung über den Tod des Geliebten stürzt sie in den Wahnsinn, die Angst des Vaters vor dem Verbrechen aber, bringt ihn dazu, auch die Tochter töten zu lassen.

Salomés französischer Schlußsatz bringt die für mich zentralen Aspekte dieses Werks einfach aus einen abschließenden Punkt. Warum er in Wildes englischer Übersetzung fehlt, wird mir für immer ein Rätsel bleiben. Ich mußte, ich mußte Salomé einen finalen Monolog dichten, um meiner Begeisterung für dieses Drama angemessen Ausdruck zu verleihen.
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