Den respektvollen Umgang propagieren
Wenn Quellen via Internet für jedermann von überall her frei zugänglich sind, find ich das klasse. Da kann ich Su-Shee in ihrem Open-Access Gedanken nur unterstützen. Als Geisteswissenschaftler werde ich immer ganz neidisch, wenn meine Biotechniker-Freundin mal auf ihre elektronische Datenbank zugreift und ihre Papers online liest. Ich bin hingegen schon froh, wenn ich online bibliographieren kann. Selbst das ist nicht immer möglich und wenn ich dann eine passende und interessante Quelle gefunden habe, dann liegt sie in England im Archiv irgendeiner vertaubten Uni-Bibliothek und ich hab nicht die Kohle dorthin zu fahren. Auch die Bibliotheken haben keine Kohle (Dank der Einsparungen im Kultur- und Bildungsbereich) und können viele der interessanten Fachblätter und Zeitschriften gar nicht mehr ordern, so dass einem einfachen Studenten der Einblick verwehrt bleiben muss.
Aber auch meine Biotechniker-Freundin hat oft zu klagen, weil die Quellen zwar via Internet zugänglich wären, aber nur wenn man Mitglied eines Institutes ist, das die Kohle hat, diese und jene Fachzeitschrift zu abonnieren (und das auch tut) und auch nur wenn man Zugang zum internen Netz des Institutes hat und den bekommen man nur wenn man… und mehr des bürokratisches Gewürges. Es ist doch zum Haare ausreißen!
Dabei eröffnet das Internet einem selbstständig denkenden Wesen ganz neue Möglichkeiten – nicht nur die momentan noch weitestgehend unzensierte Publikation und Nutzbarmachung von Wissen/Kultur (für die es sich weiterhin zu kämpfen lohnt), sondern auch die technischen Grundlagen, um diese Infos kostenneutral und direkt zu besprechen und damit gemeinsam weiterzuarbeiten, gemeinsam weiterzudenken, gemeinsam neue Erkenntnisse zu gewinnen oder einfach Sympathisanten zu finden. Ich erinnere mich mit Faszination an den WTH-Vortrag von Anthony Liekens, der berichtete, wie eine Grppe von Amateur Astronomen vor der Nasa die Bilder des Saturn Mondes Titan auswertete und plötzlich die Leute von Nature und Science an der Türe klingelten. Ich bin begeistert von Projekten wie dem Project Gutenberg von Michael Hart, das mir den Zugriff auf kulturell wertvolle Literaturen ermöglicht, der Wikipedia, einer freien Enzyklopädie zum Lesen und Mitmachen oder der bibliotheca augustana, die diverse, mittelalterliche Handschriften digitalisiert hat. Sowas ist doch geil.
Ich kann verstehen, dass es Skeptiker gibt, die Angst um ihr geistiges Eigentum haben und das ist ja, wenn wir mal ehrlich sind, auch nicht ganz unbegründet. Ich selbst habe schon meine ausreichenden Erfahrungen mit Plagiatoren gemacht. Viele User des WWW glauben ernsthaft, dass der Fakt der freien Zugänglichkeit die Entwicklung krimineller Energien rechtfertigt und erklären mir, ich hätte meine Werke besser schützen müssen, wenn ich wollte, dass sie nicht plagiiert werden. Aber soll ich deswegen meine Sachen in der Schublade vergammeln lassen? Ich halte es für viel ratsamer, User über ihre Verpflichtung gegenüber dem Gesetz aufzuklären und neben dem Open-Access Gedanken auch den respektvollen Umgang mit den freien Quellen und die Achtung vor der Leistung der Schöpfer zu propagieren. Denn ich will nicht aufhören, das Potential des WWW auszuschöpfen, nur weil dort so viele Idioten rumrennen. Das ist ja in der realen Welt auch nicht anders und sperre ich mich deswegen in einen Glaskasten oder schieße mir gleich eine Kugel durch den Kopf!?