Archiv für August 2006

Interpretation: L’Albatros ~ Charles Baudelaire

Sonntag, 27. August 2006

[M]Eine Interpretation

Diese kurze und klassische Interpretation ist als Ergänzung zu meinem Arbeitsblatt-Artikel „Symbolismus“ gedacht. Sie soll einige Merkmale des Stils aufzeigen, wenngleich sich in einem einzelnen Text nicht alles finden lassen wird, was ich in meinem Artikel beschrieb. Aber es lassen sich dennoch gewisse Tendenzen erkennen.

Das Gedicht „L’Albatros“ des Urvaters des Symbolismus, Charles Baudelaire, wurde 1859 erstveröffentlicht und etwas später, 1861, in den Gedichtband Les Fleurs du Mal, das Lebenswerk des Autors integriert. Innerhalb des Gesamtwerkes ist „L’Albatros“ das dritte Gedicht und in seinem Kapitel Spleen et Idéal das zweite. Da der Gedichtband einem durchkomponierten Konzept folgt, ist die Stellung der Gedichte zueinander und deren Unterteilung in Kapitel von großer Bedeutung für die Einzeltexte. Doch auf diese große Bedeutung der Intertextualität der Fleurs werde ich in diesem Rahmen nicht speziell eingehen können.

Formell handelt es sich bei dem Gedicht um einen klar strukturierten Text mit vier Strophen à vier Versen. Die Versstruktur folgt dem französischen Alexandriner, einem 12-hebigen Iambus. Das Reimschema folgt dem Kreuzreim mit abwechselnd betonten und unbetonten Kadenzen. An dieser klassischen und strengen Form erkennt man deutlich das symbolistische Streben nach Formvollendung und Harmnonie innerhalb der poésie pure.

Der Titel, „L’Albatros“, ist demonstrativ und kündigt seine symbolische Hauptfigur, einen majestätisch großen Seevogel, an.

S1:
Die erste Strophe führt uns zunächst in eine Szene des Marinealltags. Matrosen, über Meerestiefen gleitend, fangen sich zum Spaß Albatrosse, die ihr Schiff träge und antriebslos begleiten. Assoziative Wörter wie pour s’amuser (zum Spaß), vaste oiseaux (große Vögel), indolents compagnons (träge, antriebslose Begleiter), de voyage (der Reise), gouffres amers (Meerestiefen) suggerieren dem Leser hier bereits, eine metaphorische Bedeutung der Signifikanten, eine tieferliegende Sinngebung des Gesagten zu vermuten.

S2:
Dieses Bild wird in der zweiten Strophe ausgebaut. Die Matrosen werden zu Schaulustigen, die sich an der Ungeschicktheit der vom Himmel geholten Vögel ergötzen. Der Albatros wird in seiner Divergenz dargestellt. Im Flug, am Himmel ist der weiße Vogel mit seinen weiten Schwingen majestätisch und schön. Nun, da er auf den Boden gezwungen ist, behindern ihn die weiten Schwingen in seinem Gang. Er wirkt komisch, so daß er den Matrosen zur Belustigung gereicht.

S3:
In der ursprünglichen Fassung des Gedichtes fehlte die dritte Strophe. Als es in die Fleurs eingefügt wurde, wurde sie ergänzt. Das dargestellte Szenario wird (einzige Strophe mit holperndem Sprachrfluß) zu einem Bild sadistischer Tiefe ausgebaut. Die Verse eins und zwei bedienen ein Spiel mit den Gegensätzen (Antithesen). Mit Wörtern wie „gauche et veule“, „beau“ oder „comique et laid“ erfährt der Zwiespalt des Vogels eine eindeutige Wertung. Auf der einen Seite ist er schön, wenn er in der Luft fliegt, auf der anderen Seite ist er häßlich und lächerlich, wenn er am Boden gehen muß. Die Qual am Boden wird dem Vogel noch durch die sadistische Schaulustigkeit der Matrosen erschwert, die ihn reizen und nachäffen, sich also an seinem Leid erfreuen.

S4:
Die vierte Strophe, besonders der erste Vers, ist der Schlüssel zur tieferen Bedeutungsebene: Der Dichter gleicht dem Albatros. In den Höhen seiner Geistigkeit fühlt er sich überlegen und narrt die, die ihn anvisieren. Wird er jedoch aus seinem Element auf den Boden (vielleicht in die Kreise gesellschaftlicher Konventionen) geholt, macht man sich über ihn lustig, denn er kann sich dort nicht angemessen bewegen, kann dort nur komisch existieren.

In diesem Gedicht geht es also, wie in so vielen symbolistischen Texten, um die Diskrepanz der menschlichen Seele. Es wird nicht nur die Gegensätzlichkeit des Dichters, sondern auch der Sadismus der anderen Masse aufgezeigt. Darüber hinaus wird durch den Vergleich mit dem Albatros und die Bewertung seiner Situation eine Ambivalenz zwischen Bedauern und Beschimpfen aufgebaut.
Der Albatros ist träger und antriebsloser Begleiter des Schiffes. Er müßte die Qual des Gefangen-Seins nicht erdulden, könnte davon fliegen, tut es aber nicht. Vielmehr gefällt sich der Dichter in diesem Widerspruch aus Qual und Freude und stellt so seinen eigenen Masochismus zur Schau.

Die Bedeutungsebenen des Dichters, des Albatroses und der Matrosen fließen ineinander, es findet ein ständiger Rollentausch statt. Mehrere Bewußtseinsebenen werden verflochten, der Quäler wird zum Gequälten und wird in seinem Masochismus wieder zum Quäler. Der Dichter wird in seiner Menschlichkeit, nicht mehr als Genie auf dem Elfenbeinturm, sondern als mit den Eindrücken kämpfender, sich ständig selbstreflektierender Mensch gezeigt, der selbst in seiner Animalisierung noch Ästhetik sieht.

Insgesamt haben wir es also mit einem sehr repräsentativen Text zu tun, der nicht umsonst an dritter Stelle der Fleurs und an zweiter innerhalb des Kapitels Spleen et Idéal steht.
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Symbolismus

Sonntag, 27. August 2006

SYMBOLISMUS (ca. 1870 – 1900)

kulturhistorische Hintergründe

Der Symbolismus ist eine literarisch-geistige Strömung die sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts von Frankreich ausgehend seit 1890 in ganz Europa verbreitete. Die relativ homogene Gruppe der Symbolisten wandte sich gegen die vorherrschende Wissenschaftsgläubigkeit (Sientismus), den flachen Fortschrittsoptimismus und den positivistischen Empirismus der bürgerlichen Welt, die besonders durch den Erfolg der Pariser Weltausstellung (1889) etabliert worden waren. In deutlicher Abkehr von der objektiven Wirklichkeitswiedergabe des Naturalismus und Realismus und der Beschreibungslyrik der Parnasse durchbrachen sie mit ihren Prinzipien die normativen Traditionen der Académie française und wurden so zu Wegbereitern der literarisch-künstlerischen Moderne. Sie setzten sich gegen die Zweck- und Anlaßgebundenheit und die Funktionsbestimmung von Kunst zu Wehr (L’art pour l’art) und lehnten sich im Versuch der Poetisierung einer als gänzlich unpoetisch empfundenen Welt gegen alle Konventionen der trivial-bürgerlichen Gesellschaft und deren Moral auf.

Inhalte/Ziele

Die Gemeinsamkeiten der Vertreter des Symbolismus liegen eher auf thematisch-geistiger Ebene, eher im Lebensgefühl als auf stilistischen Merkmalen. Die Poeten zielten in erster Linie auf die Erneuerung der Lyrik (im Gegensatz zum realistischen Roman), deren Hauptwerte auf kunstvoller Form, Klang und Wortmagie lagen. In ihrer Abkehr von der realistischen Beschreibung des Objekts und ihrem Streben nach einer perfekt schönen Dichtersprache (poésie pure) bevorzugen sie das Schaffen von Kunst aus der Erinnerung, der Vorstellungskraft. Hinter den Dingen, Erscheinungen, Wortfassaden und Sprachgesten sollen tiefere, verborgenere Schichten des Seins, des Lebens und einer neuen Subjektivität erschlossen werden. Dies gipfelt in dem Versuch, Hintergründiges, Irrationales und Geheimnisvolles vernehmbar zu machen; so ist das Irdische nur Symbol für die jenseitige, eigentliche Welt. Das künstlerische Ideal des Symbolismus strebt eine weitestgehende Autonomie der Symbole an, deren Betonung im bewußten Abstand der Sprachzeichen zu deren konventioneller Bedeutung liegt. Dies führt zur Problematisierung der im unpoetischen Sprachraum vorherrschenden Eindeutigkeit der Sprache und eröffnet dem Leser einen neuen, breiteren Deutungsspielraum, der z.T. in einer tendenziellen Beliebigkeit der Sinngebung gipfelt.

Themen/Bilder/Ästhetik

Die Lyrik des Symbolismus thematisiert vorallem die Diskrepanzen der menschlichen Seele, ihren Zwiespalt zwischen Spiritualisierung und Animalisierung; dies äußerst sich z.B. in der Darstellung diverser Dualismen: Aufschwung und Verzweiflung, Reinheit und Schmutz, Genuß und Ekel, Spleen und Ideal, etc. In ihrer Symbolhaftigkeit und Musikalität wendet sich die lyrische Sprache an die suggestive Aufnahmefähigkeit des subjektiven Menschen. Traum- und Alptraumbilder überlagern sich, Rauscherlebnisse werden ästhetisiert, die Spannbreite der Äußerungen reicht von morbider Erotik bis zu ekstatischer Frömmigkeit.
Gegen die etablierte Macht, die Reinkarnation des Häßlichen, findet der poète maudit durch die Beharrung auf Schönheit und die illusionslose Enthüllung ihres zugleich „göttlichen“ und „satansichen“ Charakters den Ausweg aus seiner pessimistisch getönten Befindlichkeit in einem sozial unverbindlichen, oft okkultgefärbten Ästhetizismus. In einer autonomen Idee des Schönen und nach dem PrinzipL’art pour l’art wird der Dandy zur literarischen Leitfigur. Ihm entgegen steht die femme fatale, die Frau als rätselhaftes Wesen und unausweichliches Verhängnis. Sie erscheint in zahlreichen Symbolgestalten, als Chimäre, Sphinx oder Salomé.

Künstlerideal

In seinem Essay, „Le peintre de la vie moderne“ (1863), manifestiert Charles Baudelaire das moderne Künstlerideal im Bild des mit den Eindrücken und Erinnerungen fechtenden Dichters. Kunst würde sich aus der Spannung zwischen Ewigem und Vergänglichem speisen. Damit die Reizüberflutung der Moderne (Schockerlebnisse durch Eindrücke, die beim Flanieren durch die Großstadt das Bewußtsein des Menschen treffen) nicht zur Orientierungslosigkeit wird, muß der Dichter am Abend das Erleben von Ewigem und Vergänglichem in einem Kampf mit den Impressionen der Erinnerung reflektieren. Dabei isoliert er das Ewige vom Vergänglichen. Das latent Schöne in allen Dingen wird herausgearbeitet und idealisiert. Im Schaffensprozess werden die Erinnerungen an Erlebtes fixiert und durch die Verdichtung des latent Schönen entsteht wahre (künstliche) Schönheit.

Leitbegriffe

  • l’art pour l’art: Kunst um der Kunst Willen; ästhetisches Prinzip nach dem das Kunstwerk als eigengesetzlich, eigenwertig und frei von allen Bindungen religiöser, ethischer und politischer Art betrachtet wird
  • poète maudit: der verfluchte Poet, dessen Trauer und Unzufriedenheit aus der unerfüllt gebliebenen Sehnsucht nach Ganzheit entsteht; Selbsdefinition der symbolistischen Dichters
  • poésie pure: reine, formvollendete, ästhetisch-schöne und autonome Dichtersprache; angestrebtes Ziel der symbolistischen Dichter
  • vers libre: der freie Vers, eine Mischung aus Prosa und Lyrik, dessen Freiheit nicht in seiner Beliebigkeit, sondern in der Umsetzung der poésie pure gesehen wird
  • Dandy: literarische Leitfigur, die dem banalen Leben den Stil ästhetischer Eleganz entgegensetzt
  • femme fatale: die Frau als rätselhaftes Wesen und unausweichliches Verhängnis des Mannes
  • fin de siècle: Bezeichnung für die Zeit der Jahrhundertwende, in der auch mit der Strömung der Decadence die Ästhetisierung einer Endzeit- und Katastrophenstimmung aufkam; findet ihren theoretischen Ausdruck vorallem in der Formulierung der Krise
  • Autonomie der Symbole: die Symbolhaftigkeit der Sprache geht über die Grenzen der bildhaften Darstellung abstrakter Begriffe und Vorstellungen hinaus und führt zur Mehrdeutigkeit; angestrebtes Ziel der symbolistischen Dichter

Stilmerkmale

  • autonome Symbole
  • beinahe fanatische Ausarbeitung der sprachkünstlerischen Mittel: Sprachdichte, Suggestion, Assoziation, Rhythmus, Verflechtung mehrerer Bewußtseinsebenen
  • Auswahl von Wörtern mit assoziativer Klangwirkung
  • sprachkünstlerische Akzentuierung von Rhythmus, Melodie, Satzbau in der poésie pure
  • Ineinanderfließen und Überlagern von Bildern und Metaphern
  • Herstellung von Synästhesien, die auf sprachmagische Weise, durch Lautmalerei, Klangfarbe und Sprachmusik Korrespondenzen und Analogien zwischen verschiedenen Sinnbereichen suggerieren
  • Allegorismus
  • Esotherik
  • Exotismus
  • Erotizismus
  • schwarze Religiosität („Satanismus“)
  • Stilisierung der Weltentrückung durch den Drogenrausch: hauptsächlich Opium, Haschisch und Absinth

Wegbereiter/Vertreter/Anhänger

  • W. Blake [1757 – 1827] (England)
  • E.A. Poe [1809 – 1849] (England)
  • A.C. Swinburne [1837 – 1909] (England)
  • O. Wilde [1854 – 1900] (England)
  • Ch. Baudelaire [1821 – 1867] (Frankreich)
  • S. Mallarmé [1842 – 1898] (Frankreich)
  • P. Verlaine [1844 – 1896] (Frankreich)
  • A. Rimbaud [1854 – 1891] (Frankreich)
  • J. Moréas [1856 – 1910] (Frankreich)
  • E. Verhaeren [1855 – 1916] (Belgien)
  • J.K. Huysmans [1848 – 1907] (Frankreich; Roman)
  • M. Maeterlinck [1862 – 1949] (Belgien; Drama)
  • G. d’Annunzio [1863 – 1938] (Italien)
  • in Dtl. traf der Symbolismus mit der Neuromantik und dem Impressionismus zusammen (u.a. bei E.T.A. Hoffmann)

weiterführende Literatur

  • Jean Moréas „Mannifeste du Symbolisme“ in Le Figaro, 1886
  • R. Delevoy „Der Symbolismus in Wort und Bild“, Skira. Stuttgart 1979
  • B. Delavaille „La poésie symboliste“, Paris. Sehgers 1971
  • A.G. Lehmann „The Symbolist Aesthetic in France. 1885 – 1895“, Basil. Blackwell. Oxford 1950
  • P. Hoffmann „Symbolismus“, Fink. München 1987
  • A. Simonis „Literarischer Ästhetizismus. Theorie der arabesken und hermetischen Kommunikation der Moderne“, Niemeyer. Tübingen 2000

Quellen:

  1. M. Naumann (Hrsg.) „Lexikon der französischen Literatur“, VEB Bibliographisches Institut. Leipzig 19871
  2. „Bertelsmann Lexikon. In 15 Bänden“, Band 14. Stick-Venn, Bertelsmann Lexikothek Verlag GMBH. Gütersloh 1991F

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Am Gedicht „L’Albatros“ von Charles Baudelaire habe ich eine Beispielinterpretation mit Hauptaugenmerk auf der Herausarbeitung symbolistischer Stilmerkmale gemacht.

Interpretation: Nänie ~ Friedrich Schiller

Mittwoch, 23. August 2006

[M]Eine Interpretation

Gerade habe ich Schillers Nänie wiederentdeckt, die ich 2005 in Vorbereitung auf ein Konzert näher in mich aufsog. Die Nänie ist ein römisches Klagelied, eine Todesklage und damit mit der klassischen Strophenform der Elegie, dem Distichon verbunden. Der Text teilt sich von der Argumentation her in drei Teile. Zunächst steckt der erste Hexameter den thematischen Rahmen ab. Verschiedene Anspieungen auf die griechische Mythologie liefern Exempel, aus denen am Ende ein Schluß gezogen wird.

Die Schönheit ist mächtig, denn sie vermag es nicht nur Menschen, sondern auch Götter zu bezwingen. So zum Beispiel den stygischen Zeus, Hades, den sonst so eisernen Gott der Unterwelt. Hades, der durch Orpheus‘ kunstvollen Gesang und Saitenspiel erweicht wurde, erlaubte dem griechischen Sänger seine tote Braut, die Nymphe Eurydike, vom Tod zu befreien; dies aber unter der Bedingung der Persephone, beim Aufstieg aus der Unterwelt voranzugehen und sich nicht umzusehen. Als die Nymphe die Hand ihres Geliebten Orpheus berührt, dreht dieser sich jedoch um und Eurydike muß in der Unterwelt bleiben. Hades ruft sein Geschenk zurück.

Auch Aphrodite liebt, und zwar den schönen Knaben Adonis. Als dieser auf der Jagd von einem wilden Eber, dem verkleideten Ares, verletzt und getötet wird, bewahrt die Schaumgeborene Göttin ihn jedoch nicht vor dem Tod (denn auch das Schöne muß sterben). Ebenso handelt Thetis, die Meeresnymphe, Mutter des nahezu unverwundbaren Kriegers Achilleus, der im Trojanischen Krieg (das skäische ist das große Westtor der trojanischen Befestigungsmauer) auf Seiten der Griechen kämpft und durch einen vergifteten Pfeil des Paris getötet wird.

Aber mit den Töchtern des Meeresgottes Nereus steigt sie aus der Ägäis und beklagt den Tod des geliebten Sohnes. Mit ihr weinen die Göttinnen und Götter um die Vergänglichkeit des Schönen und Vollkommen – die Liebe spricht daraus. Denn in der Klage um den Geliebten lebt die Schönheit weiter. Die Liebe adelt den Geliebten, macht ihn schön und unterscheidet ihn darin vom Gewöhnlichen. Denn das Gemeine geht klanglos, unbeklagt, ungeliebt, unschön zum Orkus, dem römischen Gott der Unterwelt, hier wohlgemerkt in negativer Konnotation (vgl. Pluto), hinab.

Schiller bedeutet auf eindrucksvolle Weise, dass es die Liebe eines anderen Menschen ist, die einen Menschen schön macht und dass darin, in der Liebe, dieser überwältigenden und bezwingenden Macht, die Schönheit weiterlebt. Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich!

Rückeroberung des öffentlichen Raumes

Samstag, 19. August 2006

Als ich vor ein paar Monaten mit dem Auto Richtung Heimat fuhr, sah ich an der Danziger Ecke Lychener, kurz vor dem U-Bhf. Eberswalder Strasse, zwei blutüberstömte Einschußlöcher in den Köpfen der plüschigen Modepüppchen eines überdimensionierten Werbeplakats, zeigte verzückt mit dem Finger darauf und bemerkte aufgeregt zu meinem Freund: “Sieh mal Schatz! Da hat jemand die Reklame erschossen.”

Zunächst glaubte ich, dass es vielleicht doch ein Werbegag der Firma selbst sein könnte, denn ein paar Tage später waren die Einschlußlöcher mit dicken, gelben Blümchen wieder zugekleistert. Heute habe ich aber durch einen aufschlußreichen SpOn-Artikel die Hintergründe zu dieser genialen Straßenkunstaktion, die durchaus kein Einzelfall ist, erfahren. “Rückeroberung des öffentlichen Raumes” heißt die Devise dieser kreativen und gewaltlosen Form des Widerstandes gegen die aggressive Aufdringlichkeit und Belästigung durch die öffentliche Marken-Werbung. Models wurden und werden von Werbeträgern entführt, Werbetexte durch Retouche und Edition kreativ verändert. Auch (oder gerade) Wahlwerbeplakate der Parteien sind seit Jahren nicht mehr sicher. Das bloße Abhängen von NPD-Plakaten ist dabei noch die am wenigsten einfallsreiche Form von Gegenwehr, wenn auch effektiv. Bitte mehr solcher Aktionen! Das hält meine vollste Sympathie.

Update vom 23.04.08:
Jürgen Lüwer hat eine Petition beim Bundestag eingereicht, mit der er das Verbot von Wahlwerbeplakaten fordert. Ich finde diese Lösung eigentlich sehr erstrebenswert und habe deshalb unterschrieben. Wer möchte, kann hier noch bis 15.5.08 mitzeichnen und sich ebenfalls für ein solches Verbot aussprechen.

Hello, world!

Donnerstag, 17. August 2006

Hiermit hat sich das Tagebuch der Online-Poetin Claude LeVampyre auf der neuen (und hoffentlich leichter zu merkenden) Domain http://abgedichtet.org, auf die ab heute alle Besucher umgeleitet werden, wieder ins Leben gerufen.

Auf der neuen Domain stehen euch nicht nur alle Inhalte und Funktionen zur Verfügung, die ihr schon von levampyre.de kennt, sonder noch einige Features mehr. So wurde das Projekt z.B. um einen Forenbereich und Mitgliederprofile erweitert. Das Gästebuch und der Chat sind nun endlich ganz integriert. Wer auf abgedichtet.org schreiben möchte, muß sich aber dennoch nicht unbedingt anmelden; es erscheint nur bequemer, das zu tun, weil man seine Posts leichter verfolgen, wiederfinden und edieren kann. Außerdem müssen sie nicht erst durch mich freigeschaltet werden, was der Fall ist, wenn man nur als Gast schreibt.

Auch wenn die Seite jetzt offiziell freigegeben ist, steht sie an einigen Stellen noch unter Bebauung und sowieso unter ständiger Bearbeitung. Habt bitte Verständnis dafür, dass noch nicht alles perfekt ist1. Gerade in der Anfangsphase würde sich die Autorin deshalb besonders über euer Feedback freuen. Falls ihr Fehlfunktionen entdeckt oder Inhalte vermißt oder sonstige Verbesserungsvorschläge habt, laßt es sie wissen, damit sie die Seite optimieren kann.

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1. Sowohl mit dem Opera, als auch mit dem IE kommt es derzeit noch zu Darstellungsfehlern. Im Opera rutscht die Sidebar in den Textbereich hinein und weder das Anmeldeformular, noch die Chatbox sind zu sehen. Im IE sind lediglich die Überschriften und Paragraphen der Menüs zentriert, aber wenigstens ist alles sichtbar. LeV hofft, das demnächst beheben zu können.

Arbeit vs. Tätigkeit

Mittwoch, 16. August 2006

„Arbeit für Berlin“ und ähnlich lauten derzeit wieder die Slogans auf den Wahlplakaten der führenden Parteien zur Abgeordnetenhaus-Wahl im September. Dabei gibt es heute, da die Arbeitsplätze durch zunehmende Technisierung knapper und weniger Menschen gebraucht werden, um gleich viel zu erwirtschaften, eine überzeugende Alternative. Vom Bürgergeld-Modell hat Andreas in seinem Blog schon öfter berichtet. Seit ich es vor einem Jahr durch ihn kennenlernte, überzeugt es mich mit jeder Debatte mehr und mehr. Aber wie soll das funktionieren?

Ein (sehr) kurzer Abriß: Jeder Bürger erhält ein bedingunsloses Grundeinkommen in einer die Existenz sichernden Höhe – kein Anstehen auf dem Arbeitsamt, keine Einkommenserklärung, keine Bewerbungen, keine Zukunftsängste, etc. Finanziert wird das ganze über die Mehrwertsteuer, die in eben dem nötigen Maße erhöht wird, das den Bürgergeld-Pool füllt. Alle übrigen Steuern fallen weg, auch die Steuerabgaben der Arbeitgeber, so dass die Produkte, die wir für unser Bürgergeld kaufen können, preislich gleich bleiben. Wem das Bürgergeld für sein Wohlbefinden nicht ausreicht, der kann gucken, ob er mit einer Tätigkeit seiner Wahl zusätzliches Geld verdienen kann. Aber niemand wird gezwungen, für Lohn zu arbeiten und sich durch die ewige Plackerei seine Existenz zu sichern. Jeder kann eben der Tätigkeit nachgehen, die ihm sinnvoll erscheint, sich selbst verwirklichen und sich dadurch frei und kreativ in die Gesellschaft einbringen.

Wem das jetzt absolut utopisch erscheint, dem lege ich den Artikel aus dem Wirtschaftsmagazin „brandeins“, Der Lohn der Angst, den ich vor ein paar Tagen las und der sehr ausführlich ist, als Lektüre ans Herz. Äußerst informativ ist auch die Seite des Netzwerks Grundeinkommen, das sehr seriös mit dem Thema umgeht und auch kompetente Wissenschaftler und Wirtschaftler zu Wort kommen läßt. Eine ausführliche Linkliste bietet darüber hinaus auch das Archiv-Grundeinkommen.de.

Verwandte Artikel auf andreas.org:

Ick steh daßu!

Sonntag, 06. August 2006

Ick ainna ma noch janz jut daran, wie ick ma im eastn Semesta anna Uni mit na Dozentin untahaltn hab. Ick wa total uffjereecht und hab meen fainstet Hochdeutsch ausjepackt. Als wa uns dann ne Waile so untahaltn hattn, wurd ick allmehlij lockra und da passieate it mia, det ick zu bealinan anfing, wie ick dit och mit meene Kumpels ümma mache. Da hat die nij schlecht jekiekt, die olle schrulle und machte jeleich üangtne abfällje Bemeakung, det man dit nij machn wüade anna Uni, wail dit wohl so prollij klingt oda so. Da wa mia dit echt painlij, det ick bealinat hatte, wa.

Aba dann, im Falaufe meinet Studiums, fiel mia uff, det anna Uni in Bealin offnba nua der bealina Dialekt fapönt wa, wail de einjewandatn Baian, Sachsn, Schwabn (und wo se no so allet herkam) alle ian Dialekt sprachn, sojar inne Foatreeje. Und icke sollte nu mit maim Mutta-Dialekt nij intellektuell jenuch rübakomm, oda watt? Dit wollte ma echt nij inne Büane. Also hab ick, rebellisch wie ick bin, ümma ma son bissl bealinat in meene Foatreeje und da ham die Leute, wenn se ma übahaupt fastann ham, imma gleich janz bedeppat jeglotzt, als wea dit n fiesa Affrong, det man inna Uni ainfach sain Dialekt spricht.

Darüba hab ick also ne Waile nachjedacht und üangtwie hat ma dit janze Nachdenkn füa dit Bealinerüsche so einjenomm, det ick im letztn Semesta mit na annan Uabealina-Kommilitonin beschlossn hab, det wa ab jetzt nuo no bealinan in unsre Foatreeje und wenn sij eena beschweat, denn aklean wa, det dit voll diskrimminiant is, det unsa Mutta-Dialekt dea ainzje fapönte Dialekt is anna Bealina Uni und det wa falang in Zukumpft jeleichberechticht behandelt ßu wean. Gloobt da etwa, det wa plötzlij nüscht mea im Kopp ham, nua wail wa Bealinan, wean wa sajen und dit wüad unta de annan Uabealina-StudentÜnn ne Revolution auslösn, so det bald jeda fon uns so quatscht, wie ihm de Schnute jewachsn is.

Und warum azeehl ick eusch dit allet? Janz ainfach, wail ick heut uff n Wikipedia-Atikl zoa Bealina Lautung jestoßn bin und festjestellt habe, det dit so fiele sachn jippt, an die ick ma no aus meena Kindhait ainna und die ick schon so lange nij mea jebroocht habe, det dit eijentlij schade wea, wenn wa dit fakomm ließn, wail uns üangt jemand vonne Stockschaißa azeehlt, dit wea nij intellektuell jenuch. Ick bin ooch n Bealina und ick steh daßu; die annan ham do keene Ahnung.